Counterparts - Tragedy Will Find Us

Review

„Tragedy Will Find Us“ ist das vierte Album der kanadischen Melodic-Hardcore-Band COUNTERPARTS und dank des grandiosen Vorgängers, gilt es eine selbstauferlegte Hürde zu nehmen. Melodic-Hardcore-Bands gibt es einige, aber besonders Brendan Murphy sticht für mich schon immer stimmlich deutlich aus der gesichtslosen Masse hervor. Sein Gesang an sich ist bereits ein Statement, jedes Wort klingt wie ein wahres Wort und einzelne Sätze lösen Bedürfnisse aus – man leidet also mit COUNTERPARTS und deshalb sind die 35 Minuten „Tragedy Will Find Us“ auch in gewisser Weise kräfteraubend. Im Vergleich zu „The Difference Between Hell And Home“ ist „Tragedy Will Find Us“ noch unvorhersehbarer, aber trotzdem musikalisch leichter zu verdauen und schneller vertraut.

Dabei reißt schon der Opener „Stillborn“ tiefe Wunden auf, schlägt Haken und spannt stramme Seile in alle Richtungen, über die der Hörer ständig stolpern darf. Alle elf Songs glänzen wieder durch gekonnte Tempowechsel und bewegen sich überwiegend mindestens im Midtempo-Bereich. „Resonate“ stößt den Hörer barsch von einer Ecke in die andere, die heftigen Growls wirken wie kalte Eis-Duschen und die aufklarenden Melodien dazwischen wie wärmende Sonnenstrahlen. COUNTERPARTS beherrschen das Spiel mit den Gegensätzen perfekt, haben die Übergänge auf „Tragedy Will Find Us“ sogar noch verfeinert, sodass die Stimmungen noch fließender ineinander laufen. Was streckenweise bei den Vorgängeralben zu maßlosem und nicht nachvollziehbarem Zucken auf Konzerten ausartete, ist jetzt mit „Tragedy Will Find Us“ auch bewegungstechnisch besser verwertbar. „Burn“ hat massig simpel moshbare Momente und starke Riffs an Bord. Hier wird sicher auch live der ein oder andere Pit gezündet und beim leisen, traurigen Outro Luft für die nächste Nummer geholt. Wieder andere Songs zäumen das Pferd von hinten auf und durchbrechen Ruhe mit Hektik. „Withdrawal“ sträubt sich, bäumt sich immer wieder widerwillig auf und letztendlich hat man das Gefühl, das Lied stirbt und tut am Ende seinen wohlverdienten letzten Atemzug. „Choke“ hat im Gegensatz dazu eine heftige Metalschlagseite und zieht seine Kraft aus dem starken Gesang, der zwischen den abgehackten Riffs immer mal wieder für einen Augenblick alleine steht. Brendan läutet mit einem drohenden Sprechpart einen bösartigen Stakkato-Part ein, der den heftigen 2-Minüter einstampft. Zumindest findet die aufregende Reise mit „Solace“, dem sicherlich zahmsten und ruhigsten Song auf „Tragedy Will Find Us“, dann ein gutes Ende.

Man muss diese Art von unruhiger Musik schon mögen, Genrefremde oder Freunde von durchschnittlichem Songwriting könnten schnell genervt sein oder den Antrieb der Band nicht verstehen. COUNTERPARTS tüten nicht selten in drei Minuten oder weniger alles ein, packen aber immer eine Extra-Ladung Enthusiasmus, Ambition und Passion obendrauf. „Tragedy Will Find Us“ ist wie das Leben selbst: Manchmal saust es viel zu schnell an einem vorbei, sodass man es kaum packen und genießen kann. Geprägt von Trauer und Wut entwickelt es sich streckenweise zum Drama und erscheint aussichtslos. Doch irgendwann kommt der Hoffnungsschimmer, der die Tristesse überraschend durchkreuzt. Die Songs folgen, wie das echte Leben, also keinem Schema und ehe man sich versieht, enden sie urplötzlich. Vollkommen irrelevant, ob es gerade besonders schön, hart oder traurig war… Es geht eben nicht immer nur um Weltpolitik, Tierschutz oder das große Ganze, sondern meistens um die scheinbar kleinen persönlichen Tragödien, die sensible Menschen mitunter sehr verstören und beschäftigen.


29.07.2015
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