Cult Of Lilith - Mara

Review

Mitnichten ist die isländische Metal-Machart ein Qualitätsmerkmal, das sich nur auf den Black Metal beschränkt. CULT OF LILITH beispielsweise von ebenda bewegen sich ziemlich dynamisch im todesmetallischen Bereich. Aber die Jungs mit Beteiligung u. a. aus dem Umfeld von KALEIKR, JOTNAR und AETERNA können scheinbar einfach nicht auf ihren vier Buchstaben sitzen bleiben und flitzen so zwischen den Eckpfeilern Technical, Progressive, Brutal Death Metal und – kraft der Anwesenheit von einzelnen Breakdowns – auch Deathcore umher. Das Ergebnis ist eine wilde, erstaulich kreative Fahrt zwischen deftiger Backpfeifenorgie und zerebralem Technick-Kick.

CULT OF LILITH sind brachial – und kreativ

Da in der isländischen Szene ja irgendwie jeder mit jedem mal kuschelt (und musiziert), ist der Verweis darauf, dass es sich mit „Mara“ um das Full-Length-Debüt der Band und die gerade mal zweite Veröffentlichung nach der EP „Arkanum“ handelt, vielleicht weniger beeindruckend als bei absoluten Frischlingen. Zumindest was die musikalische Darbietung angeht, merkt man der Band die Erfahrung an. Und produktionstechnisch hilft sicher auf, dass die Jungs ihre Zelte bei Metalblade Records aufschlagen durften. Aber dennoch sollte man sich beim Erstgenuss der Platte hüten, denn CULT OF LILITH sind nicht (empor) gekommen, um Gefangene zu machen.

Direkt beim eröffnenden „Cosmic Maelstrom“ bekommt man als Hörer einen Vorgeschmack auf das, was die Isländer alles so auf Albumlänge aus ihren Hüten zaubern könnten. Ein Cembalo eröffnet, kann seinen altmodischen Charme aber nicht lange versprühen, bevor die Herren mit einem dampfhammergleichen Blastbeat alles um sich herum plätten. Tempovariationen, drückende Grooves, eine Hook mit markigem Schreigesang und eine sonst auch ziemlich wutschäumende Darbietung von Sänger Mario Infantes lassen das Blut in den Adern kochen. Will sagen: Man sollte sich ein bisschen Platz in der Bude schaffen, denn der Stoff jagt seine Hörer adrenalingeladen aus dem Sessel.

„Mara“ ist ein Death-Metal-Potpourri mit Überraschungseffekt

Mit dem folgenden „Purple Tide“ erweitert sich das Inventar der Band, die diesmal mit Synthesizern eröffnen und sogar glockenspielartige Perkussion sowie ein kurzes Orgel-Solo in den Song hineingestopft bekommen. Klar, wer mal IGORRR gehört hat, weiß, dass es noch verrückter und kreativer geht. Aber in der Hinsicht bleiben die Isländer am Boden verhaftet, was sich auszahlt. Denn der Kitt, der das Ganze zusammenhält, bleibt der ungestüme, schweißtreibende aber doch zielgerichtete Death Metal. Und mit dem treiben CULT OF LILITH ihre Songs nach vorne. Die Experimentierfreude füllt die offenen Flächen im Klangbild aber mit nötigem Leben und hält die Sache interessant.

Zwischen gnadenlos pumpenden Attacken verstecken sich immer wieder kleine, aber einfallsreiche Einschübe, die aufhorchen lassen. Das kann etwas simples sein wie das atmosphärische, clean besungene Intro, mit dem der Midtempo-Ballermann „Atlas“ eingeleitet wird, in dem übrigens der Bass von Samúel Örn Böðvarsson besonders schön herausgearbeitet ist. Es kann aber auch mal ein rein folkiger Ausflug in Flamenco-artiges Territorium sein, der sich in „Profeta Paloma“ verbirgt. Diese musikalischen Ausflüge machen zwar einen vergleichsweise geringen Anteil im Sound aus, sind aber jederzeit eine willkommene, zum Teil auch überraschend eintretende Erfrischung auf „Mara“.

Ein wilder Rundumschlag

Und sie weichen den Death Metal zu keiner Zeit auf, der praktisch stets mit voller Inbrunst ins Rund geballert wird. Den technischen Hochpunkt erreicht „Mara“ beispielsweise auf „Zangano“, bei dem CULT OF LILITH stellenweise auf OBSCURA-Niveau frickeln. Unterdessen markiert der Rausschmeißer „Le Soupir Du Fantome“ den songschreiberisch-progressiven sowie dramaturgischen Zenit der Platte. Man addiere dazu das gute Zeitmanagment der Band, die keinen Song zu lang werden lässt, und erhält ein durchweg gelungenes, derbe reinhauendes Debüt mit kleinen aber feinen Umwegen, die das Vergnügen mit „Mara“ an verschiedenen Stellen aufwerten.

Die Isländer legen stark vor und halten sich die Türen offen, ob sie noch schräger oder doch lieber brutaler werden wollen. Wer weiß, in welche Richtung es die Herren künftig verschlagen wird, oder ob sie die Mischung noch weiter verfeinern und vertiefen werden. „Mara“ hat beides im genau richtigen Maße, um einerseits nicht zu gimmickhaft herüber zu kommen, seine aggressiv pumpenden Attacken aber auch nicht zu zerfurchen. Es ist schlicht und ergreifend genau der richtig dosierte, erfrischende Schlag ins Gesicht, den man sich hin und wieder einfach geben muss.

27.09.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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