Der Weg einer Freiheit - Finisterre

Review

Marlen Haushofer beschreibt in ihrem 1963 erschienen Roman „Die Wand“ die phantastische Geschichte einer inneren und äußeren Entfremdung von der Welt, einen archaischen, rückwärtsgewandten Überlebenskampf und radikale Zivilisationskritik als moderne Robinsonade. Eine formal schmucklose Reise in die post-apokalyptische wie naturverbundene Welt der Einsamkeit.

Ein Zitat aus Haushofers Buch ist „Finisterre“, dem vierten Album von DER WEG EINER FREIHEIT, vorangestellt. Wenige aktuelle deutsche Bands des Genres Black Metal polarisieren mehr als DER WEG EINER FREIHEIT. Bereits das selbstbetitelte Debüt aus dem Jahr 2010 sorgte für kontroverse Diskussionen. Es ist schwer diese Band gänzlich zu ignorieren. Bei aller Kritik – die musikalischen Fertigkeiten und Fähigkeiten der Musiker standen dabei selten im Vordergrund. Vielmehr stößt sich ein Teil der Szene an philosophischen und äußerlichen Aspekten.

DER WEG EINER FREIHEIT – eigenständig und klar positioniert

An der musikalischen Ausrichtung haben die Bayern auch auf ihrem vierten Album nichts geändert. „Finisterre“ strahlt die gleiche aggressive Direktheit, den gleichen unnachgiebigen Mahlstrom wie die bisherigen Veröffentlichungen der Band aus. Die Bezüge zum Post Black Metal sind deutlich, aber trotz der Parallelen ist die eigene Haltung, der typische Sound von DER WEG EINER FREIHEIT elementarer Bestandteile dieser Positionierung.

Das musikalische Niveau ist über jede Kritik erhaben, insbesondere Tobias Schuler demonstriert, nach der vorherigen Höchstleistung auf „The Circle“ (2017) von HERETOIR, warum er aktuell einer der interessantesten Drummer des Genres ist. Post Black Metal der Marke DER WEG EINER FREIHEIT umschließt die leichte Öffnung in Richtung Hardcore und Metalcore, die Ignoranz ideologischer und optischer Auflagen und die Personalisierung der musikalischen und textlichen Interpretation. Gerade die Mystifizierung und das Okkulte finden keine Zitation, die Künstlerpersönlichkeit des Black Metals wird negiert.

„Finisterre“ – Organisch und kraftvoll

Das Album, welches bei Ghost City Recordings in der Nähe von Nürnberg aufgenommen wurde, überzeugt insbesondere durch die organische und extrem kraftvolle Produktion. Die durchschlagenden (Post) Black-Metal-Passagen gehören mit zur absoluten Spitzenklasse des Genres. Diese hohe Qualität lässt die oben angedeutete Diskussion radikal verstummen, die Musik steht distanziert für sich.

Ausgedehnte Instrumentalpassagen wie auf „Ein letzter Tanz“ zeigen Parallelen zu WIEGEDOOD. Die von der Presseinformation aufgerufenen MARDUK und DARK FUNERAL stelle ich deutlich hintenan. Wie beschrieben ist der klare Ursprung der Post Black Metal. Hymnische Gesänge im Opener „Aufbruch“ überraschen, allerdings sind solche Elemente (glücklicherweise) rar platziert und stellen keine Kurskorrektur zu ausgedehnten getrageneren oder hymnischen Parts dar.

Summa summarum – Viel Licht und wenig Schatten…

Minuspunkte bringt die textliche Ausführung mit sich, zwar sind einige Stellen gelungen, viel zu oft ist man aber im Bereich des guten alten Gottfried Sacer – „Reim dich oder ich fress dich“:

„Befremdlich geboren, im Keim schon erfroren.“

„Deine Gedanken gebrannt in mein Hirn, von Skepsis geplagt, doch niemals gefragt.“

Die Anlehnung an die großen Autoren der Zwanziger Jahre – Hofmannsthal, George, Wolfskehl – ist daher insgesamt misslungen.

Am Ende steht aber natürlich die musikalische Qualität im Vordergrund. Diesbezüglich überzeugt „Finisterre“ auf ganzer Linie, sowohl die Produktion, das Songwriting als auch die Ausführung stehen an der Spitze des Genres.

17.08.2017

Stellv. Chefredakteur

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