Despised Icon - Purgatory

Review

DESPISED ICON kehren drei Jahre, nachdem sie das „Beast“ haben wüten lassen, zurück, um mit dem sechsten Album „Purgatory“ nachzulegen. Ein bisschen Klischee steckt hinter der auf Tiefsinn getrimmten zentralen Thematik – so viel vorweg – schon, da es im Album weniger um eine theologische Annäherung an das Konzept des Fegefeuers an sich geht und mehr um den Gemütszustand des Leidens, in dem das Individuum fortwährend gefangen ist. Das Inhaltliche ist im Grunde vernachlässigbar, denn nach ebenso klischeehaft einfühlsamen Intro mit Klavier und perlenden Gitarren ballern und brüllen die Kanadier eh wieder alles zu Klump.

Sechs biestige Kanadier wüten im Fegefeuer

Zeit geschweige denn Luft oder Raum für Sophistereien bleibt da also wenig bis gar nicht, aber das ist im Grunde ebenfalls egal, denn „Purgatory“ ist wieder einmal ein richtiges Biest von einem Album geworden. Man sollte sich als (potentieller) Hörer ein bisschen von der Versteifung auf Melodien verabschieden können, denn die gibt es lediglich im hinteren Ende der Platte zu finden. Wenn man diese Hürde überwunden hat, findet man in „Purgatory“ dann aber ein Deathcore-Monster, das seine Hörer mit vor Testosteron förmlich platzenden Grooves dusselig knüppelt. Oh ja: Die Kanadier drehen die Hardcore-Kante richtig auf.

Der Wechsel zwischen tonnenschwerem Midtempo-Gebolze, in das sich auch der ein oder andere Slam wie in „Snake In The Grass“ elegant wie ein Schlag ins Gesicht einfügt, und Blastbeats, welche die Adrenalinproduktion anregen wie im Titeltrack, geht DESPISED ICON gewohnt geschmeidig von der Hand und sorgt das ein oder andere Mal für die fast automatisierte Aktivierung der Nackenmuskulatur – Muskelkater hiernach garantiert. Gerade wenn letztere so richtig schön in einen der schwereren Slams überführt werden wie in „Vies D’Agnes“, dürften Todesblei-Aficionados der härteren Gangart vor Freude im Zirkel springen.

DESPISED ICON packen einige Überraschungen obendrauf

Doch richtige Überraschungen warten tatsächlich ebenfalls auf den Hörer. „Moving On“ ist eine solche, die von einem orchestralen Intro (vermutlich aus der digitalen Konserve, aber dennoch nicht minder effektiv) eingeleitet wird. Diese Orchestrierung kehrt im weiteren Verlauf des Tracks zurück, um diesen so richtig monumental wirken zu lassen. Das hat an der entsprechenden Stelle entfernt was von einer Light-Variante von FLESHGOD APOCALYPSE, was gar nicht mal böse gemeint ist. Da es die Band damit nicht übertreibt, wirkt sich die Passage definitiv gewinnbringend auf das Gesamtbild aus.

Ein ebenfalls erfrischender Wind weht durch den Rausschmeißer „Dead Weight“, der mit dramatischen, wunderbar melodischen Gitarrenleads ausklingt. Als einziges seiner Gattung ist dieses melodische Stück ein wunderbarer Schlusspunkt für eine ansonsten ziemlich heftige Tracht Prügel, die man sich als Hörer gerne erneut zu Gemüte führt. Dazu passt die durchgehend zweckdienliche Produktion, die zwar keine Revolution der Toningeneurskunst darstellt, das Vergnügen aber dennoch passend unterstreicht und den Sound ausreichend klar krachen lässt, ohne Gefahr zu laufen, steril zu klingen.

„Purgatory“ – mehr als nur eine Deathcore-Platte?

Es ist echt erstaunlich: Als jemand, der Deathcore prinzipiell eher kritisch gegenüber steht (vor allem solchem, der sich selbst viel zu ernst nimmt), bin ich überrascht, wie viel Spaß mir das Geballer von „Purgatory“ bereitet. Das Geheimnis der Kanadier scheint der allgemein hoch gehaltene aber nicht durchgehend applizierte Druck, die dadurch geschaffene Abwechslung und die trotz allem erfrischend knackige Kürze zu sein, mit der „Purgatory“ gesegnet ist. Insofern kann unsereins die Platte ruhigen Gewissens nicht nur an Fans des Genres, sondern auch an Muffel weiterempfehlen.

17.12.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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