Die Toten Hosen - Laune der Natur

Review

Ja, DIE TOTEN HOSEN zeigen sich auf ihre alten Tage wesentlich aktiver als die Berliner Kollegen um Farin Urlaub. Und alle, die über das gar nicht mal so punkige Gezanke ums „Böhmermann’sche Zeitgeist-Geplapper“ möglicherweise schon mit Recht vergessen hatten, dass „Ballast der Republik“ mal abgesehen vom unsäglichen „Tage wie diese“ ein durchaus bekömmliches Stadion-Punk-Album war, dürften sich verwundert die Augen gerieben haben, als der Nachfolger mit dem Titel „Laune der Natur“ nach recht kurzfristiger Ankündigung dann Ende vergangener Woche tatsächlich in den Läden stand. Das nostalgische „Ballast“-Cover hatte ein Ed-Hardy-Update erhalten, und die erste Single „Unter den Wolken“ war eine, nennen wir es Verbeugung, vor Reinhard Mey, gekoppelt mit der zweitverwerteten Gesangsmelodie aus dem Vers von „Altes Fieber“. Die Vorzeichen für das sechzehnte Studioalbum der Düsseldorfer Urgesteine hätten durchaus besser stehen können.

Erstaunlich wenig Politik

Zunächst fällt auf, dass „Laune der Natur“ das wahrscheinlich unpolitischste Album ist, das eine politische Band wie DIE TOTEN HOSEN in derart hochpolitischen Zeiten guten Gewissens veröffentlichen konnte. Am Ende war das vermutlich die richtige Entscheidung. Politisch sein aus Trotz hat bisher nur selten die Zwischentöne zu Tage gefördert, derer es bedarf, um das Unaushaltbare unpeinlich anzuprangern.

Stattdessen gibt es Nostalgie auf die ruppigere („Urknall“) und auf die gediegenere Art („Alles mit nach Hause“) und mit „Wannsee“ einen Mitgröhl-Nachfolger für „Schade, wie kann das passieren“. Bis zum textlichen Plottwist am Ende scheint Campino hier einige unendlich lange Minuten tatsächlich an die Hauptstadt verloren. Aber auf manche Dinge kann man sich glücklicherweise auch in postfaktischen Zeiten verlassen. Am Ende geht’s mit dem „ICE nach Düsseldorf“, zur Not halt im Sarg.

Ohnehin ist der Gevatter auf „Laune der Natur“ ziemlich omnipräsent. In „Die Schöne und das Biest“ kommt er im musikalischen Western-Gewand, in der Trauerballade „Eine Handvoll Erde“ nimmt er still eine(n) Liebste(n) mit sich. Erfrischender gelingt da allerdings „Wie viele Jahre (Hasta la Muerte)“, das die Lebensjahre von Michael „Breiti“ Breitkopf augenzwinkernd den sich (gezwungenermaßen) verändernden Konsumgewohnheiten gegenüberstellt. Ob man den Ausflug ins Spanische als anerkennendes Nicken in Richtung BROILERS werten darf? Die ehrlichste Annäherung an Tod und Nostalgie stellt schließlich „Kein Grund zur Traurigkeit“ dar, für das DIE TOTEN HOSEN sich ihren verstorbenen Ex-Drummer und Weggefährten „Wölli“ Rohde posthum auf die Tonspur geholt haben. Das ist ehrlich, bewegend und erinnert in seiner intensiven Fragilität an „Hurt“ in der JOHNNY-CASH-Version.

Ein Album, das DIE TOTEN HOSEN 2017 würdevoll zu verkörpern weiß

Die Jungs von der Vocal-Gang kennen ihre Qualitäten nach über 30 Jahren Bandgeschichte mittlerweile zu Genüge und so fällt auch diesmal der eine oder andere Hit ab. Zu nennen wären hier neben dem intensiven Opener vor allem noch „Pop & Politik“, der Titeltrack sowie „Lass Los“. Für jeden richtig packenden Song findet sich auf „Laune der Natur“ allerdings auch ein kleiner Durchhänger. Das Bierzelt-„babababaaa“ von „Energie“ nervt nach eineinhalb Durchgängen enorm und „Alles passiert“ haben die Herren auch schon mehrmals besser geschrieben. Am Ende vermeidet „Laune der Natur“ aber bei allem Pathos die ganz großen Peinlichkeiten und verkörpert würdevoll das, was DIE TOTEN HOSEN 2017 nun einmal sind. Selbst-Demontage klingt anders.

09.05.2017
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