Dunkelschön - Vergehen & Werden

Review

Eine signifikante Kurskorrektur nehmen DUNKELSCHÖN auch auf ihrem sechsten Album nicht vor. Das bedeutet natürlich, dass auch „Vergehen & Werden“ mit einer nicht unbeträchtlichen Menge an Kitsch gesegnet ist. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt aber einmal mehr ein gefälliges Mittelalter-Album, das noch ein gutes Stück runder daherkommt als der Vorgänger „Zauberwort“.

Die zehn Stücke (plus Intro) über das „Werden & Vergehen“ zeigen DUNKELSCHÖN merklich entspannter als noch beim Vorgänger. Dass der Spannungsbogen dennoch nicht abreißt, liegt an dem wunderbaren Gespür für Dynamik, über das die Musiker verfügen und das die Produktion hervorragend eingefangen hat. Der konsequente Einsatz leiser Zwischentöne hält die Lieder lebendig, ohne dass sich DUNKELSCHÖN dabei dem Vorwurf der Effekthascherei aussetzen lassen müssten.

Stilistisch gibt es die gewohnte Mischung aus Mittelalter und sanften Rock-Anleihen, vom hochmittelalterlichen Minnesang zeigt sich die Band genauso inspiriert wie von keltischer Folklore. Bei „Morgenland“ setzt man – nomen est omen – sogar auf orientalische Einflüsse. Gerade die Texte wirken etwas runder als noch auf „Zauberwort“ und verzichten auf holprige „Reim-dich-oder-ich-fress-dich“-Lyrik. Den erfreulich sicheren Boden ihrer Muttersprache verlassen DUNKELSCHÖN nur für zwei Fremdschöpfungen. So findet sich mit „Lenore“ die düster-atmosphärische Vertonung des bekannten Egar-Allan-Poe-Gedichts „The Raven“ im Zentrum das Albums, während es sich bei „Kolarekarl“ um ein schwedisches Traditional handelt.

Gut, wenn man ehrlich ist, gibt es noch ein drittes Stück, bei dem ein fremder Songschreiber hörbare Spuren hinterlassen hat: „Lebensweg“ bedient sich überdeutlich bei Hannes Waders „Heute hier, morgen dort“. Doch spricht es gerade für die songschreiberische Klasse der Band, dass das Stück nicht zur simplen Imitation verkommt, sondern die Sprache des Vorbilds aufgreift, in einen neuen Kontext stellt und zu einem echten DUNKELSCHÖN-Song macht.

Mittelalter-Rock mit Tiefgang, mehr Nachdenklichkeit und Melancholie als metgeschwängerte Partymucke – dass dieses Konzept überhaupt aufgeht ist nicht zuletzt der markanten Stimme von Frontfrau Vanessa Istvan zu verdanken. Ausgerechnet im Opener „Memoriam“ und dem von Simon Michael (SUBWAY TO SALLY) abgemischten „Das gläserne Gedicht“ plätschert die Musik zwar etwas belanglos vor sich hin, diese leichten Abzüge in der B-Note ändern aber nichts daran, dass „Vergehen & Werden“ ein ausgesprochen hörenswertes Album geworden ist, bei dem Mittelalter-Fans unbedingt ein Ohr riskieren sollten.

15.06.2014
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