Eventide - Diaries From The Gallows

Review

Und wieder mal Nachschub im Melodic-Death-Sektor, diesmal aber richtig… Wobei es im Falle der Schweden-Combo EVENTIDE auch allmählich Zeit wurde, denn die Band hat es nach nunmehr acht Jahren, gepeinigt von einigen Songwritingproblemen und obligatorischen Besetzungswechseln, tatsächlich erst jetzt geschafft, ihr Debut „Diaries From The Gallows“ einzuspielen. Und das Warten, soviel sei schon vorweggenommen, hat sich gelohnt. Aber der Reihe nach…

Schon die ersten Takte von „Diaries From The Gallows“ zeigen die Richtung der Band und ihre Vorbilder in aller Deutlichkeit:
Der Opener „Into Illusion“ poltert mit IN FLAMES-artigem Riff nach vorne, eine Schwedenmelodie im Hintergrund, keifende, bisweilen grollende, nicht zu brutale Vocals hetzen durch den Song, der zudem mit einem netten kurzen Solo und guter Rhythmusarbeit aufwartet.
„Killing What Can’t Be Handled“ eröffnet akustisch, es folgt eine Melodie, die auch auf „Reroute To Remain“ ihren Platz hätte, der Refrain wird mit Cleanvocals vorgetragen, wobei die Growls diesen kräftig Druck machen. Die Band ist moderneren Einflüssen wie kleinen Elektrospielereien nicht abgeneigt, verzichtet aber auf ausufernde SOILWORK-Refrains, EVENTIDE bevorzugen eher die stille, traurige Variante.
„My Closest Demon“ ist ein Übersong, der auf „Colony“ hätte plaziert sein können, diesmal mit Cleanvocals eröffnet und mit ergreifendem, wirklich nur von Schweden zu schreibenden Klasserefrain versehen. Ein kurzes Zwischenspiel tönt klassisch im wahrsten Sinne des Wortes, man meint eine Violine zu hören. Dieser Track erinnert im dramatisch-traurigen Aufbau auch an DARK TRANQUILLITY.

Das Wechselspiel von Melodie und Härte setzt sich fort durch alle Songs. Hervorzuheben sind vor allem die gute Gitarrenarbeit (In „This Curse“ wird eine IN FLAMES-Solopassage zunächst 1:1 übernommen, um dann in eine interessante instrumentale Auflösung zu variieren), die Variabilität der Rhythmusgruppe in den gut arrangierten Tracks und der charismatische Gesang von Jacob Magnusson.
Egal, ob man „No Place Darker“ (Vocals großartig, innovative ergreifende Melodie) , „Standards Of Rebellion“ (Gelungene Huldigung an DARK TRANQUILLITY), „The Skeleton Who Sold Its Skin“ (MOONSPELL scheinen auch Brüder im Geiste, toller Refrain, Klassebreak mit Akustikgitarre, gehört mit zum besten in diesem Jahr, wirklich! Unbedingt Minute 2:32 bis 2:50 antesten!), „I, Enemy“ (Sie lieben DARK TRANQUILLITY und das ist gut so) oder das Finale „Confinement“ (ein düster gehauchter Song mit Naturflair, der zu einem Deathbrett mutiert) anspielt, die Choreographie der Songs, die allenthalben vorhandene Kompetenz in der Ausführung, die Klasse im instrumentalen Bereich, die transparente Produktion, das Niklas-Sundin-Cover, das überzeugt ungemein.
Und mit „Indifferent“ hat die Band auch einen richtig guten Speedtrack vorzuweisen, der auch wieder einen gekeiften wehmütigen Refrain aufweist und das vorherige Tempo geschickt variiert. Ein nettes, fast an EMPYRIUM erinnendes (aber natürlich wesentlich besser gespieltes und erheblich intelligenteres) Instrumental („Vargavidderna“) mit Waldschratatmosphäre, das kaum eine Black Metal-Band zuwege bringen dürfte, ohne sich die fellumwickelten Finger zu brechen, mit violinenartigem Flair rundet die vielfältige CD ab.

Übrigens, um allen Vermutungen und Fragen zuvorzukommen, die Band streift zwar bisweilen durchaus Bereiche des Pop, Core jedoch spielt sie nicht, niemals.
Und noch ein Tipp: Die Scheibe wächst, ungemein, also mehrmals hören, und die Belohnung folgt von selbst.
Das Warten hat sich gelohnt. Toller Abschluß dieses musikalischen Jahres.

21.12.2006
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