Fjoergyn - Ernte Im Herbst

Review

Die alte Musikerweisheit „was man hört das schreibt man“ bewahrheitet sich bei FJOERGYN genauso wie die beiden Tatsachen, dass man seine Herkunft nicht verleugnen kann und dass schlechte Produzenten einem Album ihren Stempel aufdrücken.
Lösen wir diesen kryptischen Satz einmal auf. Zwei Thüringer nehmen im Blue House (wo unter anderem die ersten beiden Alben von FALKENBACH und das letzte CRYOGENIC-Album entstanden sind) ein Album auf, das von eben FALKENBACH, Richard Wagner und ihren regionalen Wurzeln beeinflusst sein soll. Haargenau so klingt es auch. Jörg Bachmann, Produzent im Blue-House-Studio, hat sicherlich bewusst genau die Synthesizerklangfarben, denselben bulligen, tiefen Gitarrensound und einen ähnlichen Drumcomputer wie auf „… magni blandinn ok megintiri…“ gewählt, dem ersten Stück von „Ernte im Herbst“ denselben Einstieg wie auf CRYOGENICs „Parsifal 21“ verpasst und sich insgesamt keine große Mühe gegeben, dem FJOERGYN-Debüt einen eigenen Charakter zu verleihen. Auch wenn der klare Gesang von Stefan, Hauptsongschreiber, Gitarrist, Sänger und Meister der synthetischen Klänge, analog zu den kitschigsten Stellen seiner Stücke, unverkennbar nach den Landesbrüdern von MENHIR klingt, 30% der Arrangements FALKENBACH nachempfunden und zwei Parts (aus „Baldurs Tod“) sogar 1:1 geklaut sind – „Ernte im Herbst“ hätte mehr zu bieten gehabt als das, viel mehr Potential, eigen zu klingen. Man hätte es nur herauskitzeln müssen. So kann man sich auf die streckenweise wirklich überaus guten Melodieführungen, die markanten Riffs und die echt interessanten Texte kaum konzentrieren, weil alle paar Augenblicke ein „HAH! Das kenn’ ich!“ im Kopf auftaucht. Mich stört das enorm, genau wie der Drumcomputer, der vieles an Feeling einfach kaputtmacht, und der growlende Gesang, der meiner Ansicht nach zu dieser anspruchsvollen Musik nicht passt. Das klingt, wie immer bei mir, sehr kritisch – ist es aber nicht ausschließlich. Die Platte strotzt nur so vor – erträglich dosiertem – Pathos, musikalischem und vor allem kompositorischem Können, fabelhaften Ideen, tollen soundtrackartigen Stimmungen (wunderwunderschön: „Wenn Stürme ruhen“, mein Respekt! Auch ansonsten dominieren das Album übrigens die klassischen Arrangements!), schmissigen Riffs und einigen Gänsehautmelodien. Hätten FJOERGYN ihre Stücke ein bisschen gestrafft und sich mehr Gedanken um einen eigenen Sound gemacht, „Ernte im Herbst“ wäre ein echter Kracher geworden. So bleibt ein Album, das man keiner Stilistik so recht zuordnen möchte, das für gewöhnliche Metaller vermutlich zu anspruchsvoll, für Klassikkenner ohne Zweifel zu hart und für Anhänger von FALKENBACH, neueren MENHIR oder EMPYRIUM zu abgekupfert wirkt. Auf alle Fälle ist es sehr kreativ, feinsinnig geschrieben, ehrlich, emotional und verdient auf alle Fälle große Anerkennung. Nächstes Mal mehr Mut zur Eigenständigkeit, ein bisschen knackigere und mitsingbare Songs, weniger Wiederholungen und eine sicherere Stimme (so wie im Titelstück kurz vor Ende), und ich bürge dafür, dass wir von FJOERGYN noch ein Highlight erwarten dürfen.

10.05.2005
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