Fluisteraars - Gegrepen door de Geest der Zielsontluiking

Review

FLUISTERAARS sind auf ihrem vierten Album ergriffen durch den Geist der Seelenöffnung; so zumindest die deutsche Übersetzung des Titels. Dies verspricht emotionale und mitreißende Musik, wie sie der Band bereits auf dem Vorgänger „Bloem“ gelungen war. In diesem Fall führt jedoch nur ein steiniger Weg zum Ziel.

Die Niederländer spielen Black Metal, an dem irgendwann das Präfix „Post“ hängenblieb, was sich jedoch zunehmend als schwammige Kategorisierung erweist. Zwar probiert das Duo gelegentlich neue Ideen aus und zelebriert einen dünnen, sphärischen Gitarrensound, bewegt sich aber immer noch mit beiden Füßen fest auf dem Boden schwarzmetallischer Tatsachen. Dass FLUISTERAARS inzwischen einen eigenen Stil gefunden haben, in dessen Nähe sich auch WIEGEDOOD und TURIA verorten lassen, steht hingegen außer Frage.

FLUISTERAARS haben ihren eigenen Stil gefunden

„Gegrepen door de Geest der Zielsontluiking“ ist kein einfacher Weggefährte. War „Bloem“ noch auf seine eigene Art und Weise einladend und unkompliziert, ist das neue Album schwerer zu fassen. Die Lieder schweifen aus, kommen erst nach langen Umwegen zum Punkt und spielen mit der Erwartung der Zuhörer wie die Igel mit dem Hasen. Um auch das Cover-Artwork für einen Vergleich zu bemühen: Wo zuvor die Blumenwiese zum Verweilen einlud, wartet nun ein trügerisch-verwinkelter Wald, in dem erst einmal ein Pfad gefunden werden muss.

Herzstück das Albums ist der dritte Track „Verscheuring in de schemering“, der mit über zwanzig Minuten Länge eine ganz eigene Reise darstellt. FLUISTERAARS gelingt es, dass der Song trotz seiner Dauer und seines komplexen Aufbaus, trotz seiner Verzweigungen und Ruhephasen, schlüssig zum Abschluss kommt und sich einen eigenen Charakter behauptet. Dies kann ruhigen Gewissens als Meisterleistung betrachtet werden, mit der die Niederländer diese Phase ihrer Karriere veredeln. Insgesamt steckt das Album voll mit interessanten Details, die durch den flächigen aber klaren Sound gut zur Geltung kommen.

Der Wald in uns

So richtig folkig waren FLUISTERAARS zwar nie, aber eine schwer greifbare Nähe zur Natur war bei der Band stets auszumachen. Sie drückt sich nicht durch Klischees und Kitsch, sondern durch abstrakte Texte und diffuse Andeutungen aus. Dadurch nähert sich die Musik nicht nur dem äußeren Verhältnis von Mensch und Natur, sondern erlaubt auch Anknüpfungspunkte an innere und damit ganz individuelle Konflikte.

Der einzige Haken dabei ist, dass „Gegrepen door de Geest der Zielsontluiking“ manchmal unangenehm aufwühlt. Auf „Bloem“ konnte man sich wohlfühlen, war bei aller Melancholie doch vornehmlich gerührt, wenn die treibenden Melodien aus den Boxen rauschten. Das neue Album hingegen ist herausfordernder, tritt mit schreienden Gitarren, einem rasant pulsierenden Bass und unnachgiebigen Drums nach, wenn die Knie bereits nachgeben. Wer bittersüße Ausflüge mit dichter Atmosphäre schätzt und jetzt fragt: „Warum soll das ein Haken sein?“, hat für sich das Album des Jahres gefunden.

21.08.2021
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