Fortíð - World Serpent

Review

FORTÍÐ haben ein turbulentes Jahr hinter sich. Das neue Album „World Serpent“ wurde von zwei verschiedenen Lineups aufgenommen und klingt dennoch wie aus einem Guss. Zudem transportiert es klassische Viking-Metal-Motive gekonnt in die heutige Zeit.

„Ich sehe ‚World Serpent‘ als Duologie“, erläutert Bandleader Eldur die besonderen Umstände der Aufnahme. Eine Hälfte nahm er noch in Norwegen mit den Musikern des bisher bewährten Lineups auf, die zweite in seiner alten Heimat Island mit dem neuen Schlagzeuger Kristján Gudmundsson. „Die einzelnen Songs sind durch ein gemeinsames apokalyptisches Thema miteinander verbunden, das sich wie ein roter Faden durch das Album zieht.“

Lieder vom Ende der Welt

„World Serpent“ thematisiert also das Ende der Welt, was heutzutage auf bittere Weise einen Nerv treffen mag. Mit „Pandemic“ ist sogar ein Song enthalten, dessen Text angesichts der Corona-Pandemie aktueller nicht sein könnte. Aber auch dem ganz persönlichen Weltende kann niemand von uns entgehen, denn irgendwann läuft die Zeit, in diesem Fall die Sanduhr auf dem Cover, für jeden von uns ab.

Dennoch wohnt dem Album eine tröstliche Spiritualität inne. FORTÍÐ verarbeiten weiterhin nordisch-mythologische Themen und weisen darauf hin, dass jedem Ende auch ein Anfang, eine Wiedergeburt innewohnt. Die titelgebende Weltenschlange, die alles umfasst, aber auch das Ende der Welt anstrebt, um einen Neuanfang zu ermöglichen, mag sinnbildlich dafür stehen. Der besondere Kniff ist allerdings, dass die Band darauf verzichtet, altnordische Wörter in den Raum zu werfen, sondern sich abstrakter Motive bedient, an die auch die moderne Menschheit anknüpfen kann.

Während Bands wie ÁRSTÍÐIR LÍFSINS also puren Eskapismus durch Rekonstruktion anbieten, streben FORTÍÐ, passend zum Thema der Wiedergeburt, nach einer Neuinterpretation alter Motive zur Orientierung in der Post-Moderne. „Ich will nicht in der Viking-Metal-Schublade stecken bleiben“, erklärt Eldur dazu. „Ich nehme mir die Freiheit, zu tun was ich will und mich weiterzuentwickeln.“

„World Serpent“ ist eine musikalische Weiterentwicklung

Musikalisch ist „World Serpent“ in jedem Fall eine Weiterentwicklung, wenn auch der Bruch zwischen den beiden Albumhälften nicht so extrem ausfällt, wie bei diesen Umständen zu erwarten wäre. Unterschiede gibt es es freilich in einzelnen Nuancen, wie Eldur erklärt: „In der ersten Hälfte habe ich ein bisschen mit Einflüssen aus dem Bay-Area-Thrash experimentiert, was den Gesang und den Gitarrensound angeht. Die zweite Hälfte sieht dann eine Rückkehr zum Black Metal, in dem sich Geschrei und Klargesang abwechseln.“

Diese Feinheiten sind bei mehreren Durchläufen des Albums zu erkennen, stoßen aber niemals als Stilbrüche übel auf. „World Serpent“ ist zwar avantgardistisch, aber nicht extravagant oder rebellisch, sondern konzentriert und besinnlich. Das Album wächst mit jeder Rotation weiter zu einem abwechslungsreichen, aber dennoch schlüssigen Werk zusammen. Eldurs vielseitiger Gesang, den man übrigens auch von KATLA kennt, führt gemeinsam mit dem druckvollen sowie klaren Gitarrensound und dem – auf beiden Hälften – präzisen Schlagzeugspiel, souverän durch alle Songs.

FORTÍÐ legen Wert auf Details

FORTÍÐ haben mit „World Serpent“ ein Album veröffentlicht, das nicht mehr so richtig ins Label Viking Metal passt. Die Band, in der Person von Eldur, hat sich weiterentwickelt, musiziert dabei aber nicht so verkopft wie ENSLAVED oder BORKNAGAR, auch wenn die Wege sich ähneln mögen.

Die Musik bleibt unaufgeregt und konventionell, punktet aber mit sorgfältig platzierten Details, die jeden einzelnen Song aufwerten und auch „World Serpent“ in seiner Gesamtheit stärken. Folkloristische Elemente sucht man in der Musik vergebens und auch in den Texten kommt die Mythologie nur noch verklausuliert vor. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, ist „World Serpent“ ein gelungener Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne geworden – musikalisch wie thematisch.

17.12.2020
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