Heino - Schwarz Blüht Der Enzian

Review

Ja ja, der HEINO, der ist auf seine alten Tage nochmal so richtig cool geworden: Erst veröffentlicht er ein Coveralbum und düpiert so die gesamte deutschsprachige Pop- und Rockwelt, dann steht er beim Wacken 2013 zusammen mit RAMMSTEIN auf der Bühne. Und jetzt gibt es als Vorgeschmack auf seinen neuesten Streich „Schwarz blüht der Enzian“, wo HEINO sich selbst covert und seine größten Volksmusikhits in Rockversionen spielt, ein Video, in dem er ganz den lässigen Lederrocker mimt und Friedenstauben in Brathähnchen verwandelt. Super Typ, der HEINO…

S – T – O – P !

Nochmal zum Mitschreiben: HEINO macht jetzt einen auf Rocker. Statt zu schunkeln und – selig lächelnd – rhythmisch in die Hände zu klatschen, soll sein Publikum jetzt die Fäuste in die Höhe recken und ekstatisch den Kopf schütteln. HEINO, der Großbarde des volkstümlichen Schlagers, der Apostel des Harmoniemilieus, der natürliche Feind des Bildungsbürgertums, der Mann, der einst alle drei Strophen des Deutschlandliedes intonierte und dessen Bekenntnis „schwarzbraun bin auch ich“ man ihm stets abnahm, macht also eine Komplettwandlung durch? Der Mann, der den TOTEN HOSEN einst gerichtlich verbieten ließ, mit Norbert Hähnel als dem „Wahren Heino“ aufzutreten?

Daran lässt sich doch vielmehr das Kalkül ablesen: Als Produkt ist „Schwarz blüht der Enzian“ sicherlich okay – sofern man mit der Schlagerhaftigkeit der Neuen Deutschen Härte etwas anfangen kann. Diskorhythmen gibt es in der NDH nicht erst seit OOMPH!, falsches Pathos nicht erst seit UNHEILIG. Und trotz Unterfütterung mit teils harten Bratgitarren bleiben Lieder vom Schlage „Ja ja, die Katja, die hat ja…“ oder „Rosamunde“ erschreckend belanglos. Warum sollte auch ein vermeintliches Aufpeppen des Sounds eine Verbesserung darstellen? Natürlich hat ein Lied wie „Wir lagen vor Madagaskar“ Stil, und wer bei „La Paloma“ sehnsuchtsvoll gen Horizont schaut – meinetwegen. Und dass es an HEINOs Stimme nichts auszusetzen gibt – geschenkt.

Was „Schwarz blüht der Enzian“ fehlt, ist Leidenschaft und Tiefe. Sobald das Video zum Titeltrack ausrotiert hat und die Scheibe vom Gabentisch oder unter dem Weihnachtsbaum verschwunden ist, wird den meisten klar geworden sein, dass „Schwarz blüht der Enzian“ nichts weiter ist als ein Album voller volkstümlicher Schlager – vermeintlich peppig produziert, substanziell aber reichlich dünn und abgestanden. Und dann dürfte es den letzten aufgehen, dass die Lederjackenzeit nicht mehr als eine wohlkalkulierte Phase in HEINOs Karriere ist. Überzeugung geht jedenfalls anders.

3/10 (Eckart Maronde)

 

 

 

Am Anfang war das Volkslied, die Rockmusik ist heute. Es hören mir die Alten zu und auch die jungen Leute.

 

Das Belächeln dieser Eröffnungszeile wäre wohl noch eine freundlichere Variante der zahlreichen Reaktionen, die man dieser Tage überall ungefragt aufgedrückt kriegt. Ob die jungen Leute HEINO nun zuhören oder nicht, ich gönne es dir, Kollege.


Der Reihe nach: Nach zitiertem Intro folgt das bereits im Voraus veröffentlichte „Schwarz blüht der Enzian“. Das zugrundliegende Prinzip ist schnell erläutert: 08/15-Modern-Metal-rauf-und-runter-Geriffe der Wandergitarren-Akkorde, seelen- und herzloser NICKELBACK-Kompressor-Sound und oben drüber noch die Alte, die einst über das Ende von RAMMSTEINs „Sonne“ drüberjammerte. Oder vielleicht hat Kollege Flake auch einfach seinen MIDI-Sound rübergeschickt. Das funktioniert gepaart mit dem altbekannt eingängigen Refrain des über 40 Jahre alten Klassikers und HEINOs makellosem Bariton überraschend gut. Nein, wirklich. Um es noch mal deutlicher vorzukauen: Wären RAMMSTEIN damit um die Ecke gekommen, hättet ihr es alle abgefeiert. Alle. Aber sei’s drum, zur Wacken-Zeltplatz-Hymne 2015 wird das Ding so oder so avancieren.


So rockig der Enzian nun auch sein mag, HEINOs großer Fehler ist ein allerdings eher für das Popgeschäft typischer: Den besten Song hat er dummerweise zuerst rausgehauen. Sicher, die Stücke fahren im weitesten Sinne stets dieselbe Schiene, aber die zelebrierte Volksmusik/NDH-Kombi fruchtet halt nicht immer. Dinger wie der Industrial-Pop-lastige Gassenhauer „Ja, ja, die Katja, die hat ja“ machen nun mal deutlich, dass sich der Mann, dem ich vergangenes Jahr schon persönlich das Kaffeetablett aufs Zimmer tragen durfte, gerne ein bisschen weniger an RAMMSTEIN (ihr hört es immer wieder gerne) hätte orientieren dürfen. Mit der Schaffung neuer Subgenres hat freilich niemand gerechnet, aber Möchtegern-Lindemann-Spoken-Word-Parts wie in „Einer von uns“ geraten dann halt wirklich zur Peinlichkeit der Scheibe. (Jaja, ich weiß, natürlich ist das ganze Album eine.)


Ähnliches Hit-Niveau entfaltet höchstens noch die gute alte „schwarze Barbara“ und das „Reise, Reise“ gefährlich Konkurrenz machende „Wir lagen vor Madagaskar“. Übrig bleibt manch zu gezwungenes Arrangement (der Vorgänger „Mit freundlichen Grüßen“ kam wesentlich durchdachter daher) und die große Enttäuschung darüber, dass es mein All-Time-Favorite „Karamba, Karacho, ein Whisky“ nicht auf die Scheibe geschafft hat. Auf der anderen Seite steht dafür aber eine Stimme und eine großartige, allgegenwärtige Scheiß-egal-Haltung, die das Ding am Ende dann doch irgendwie rocken.


Im einzig neuen Titel „Jetzt erst recht“, der mit etwas proletenhafterem Gesang eigentlich sogar als ONKELZ-Märtyrer-Palaver durchgehen könnte (unfassbar, jetzt zieht der Typ auch noch die Onkelz mit rein!), singt unser Lieblings-Düsseldorfer übrigens:


So manche wussten immer schon, wie man es besser machte. Und zeigten mir den Stinkefinger, wenn ich drüber lachte.


In diesem Sinne: Kommentare ab!

7/10 (Alex Klug)


12.12.2014
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