Hell - Human Remains

Review

HELL existieren bereits seit den 80ern und gehörten seinerzeit zu den wichtigsten Bands der NWOBHM. Zu einer offiziellen Veröffentlichung des Demo-Materials kam es jedoch nie, da sich die Band nach dem Tode ihres Gitarristen und Sängers Dave Halliday 1987 auflöste. Mit Produzentenlegende Andy Sneap (u.a. NEVERMORE), der sich als Musiker vor allem mit seiner eigenen Band SABBAT einen Namen machte, wagt sich die britsiche Szenelegende nun an einen Neuanfang. Die alten Demos wurden ausgestaubt und neu eingespielt, Andy Sneap spielt nun Gitarre in der Band, deren ehemaliger Bandkopf ihm vor seinem Tode das Instrument näher brachte, und David Bower ist der neue Sänger der programmatisch betitelten Band.

Das wäre in Kürze jene vielversprechende Vorgeschichte, die die gesamte traditionelle Fraktion schon seit geraumer Zeit in Verzückung und freudige Erwartung versetzt. Vorschusslorbeeren im Übermaß sind die Folge, das vorliegende Album soll ein Ausrufezeichen werden, ein nachhallendes Statement, “Human Remains”, so der Titel gilt schon jetzt als das in diesem Jahr vielleicht am heißesten diskutierte Album im traditionellen Bereich – und das Monate vor der Veröffentlichung. Bereits bekannt von diversen DVDs und Internetportalen ist der Opener “On Earth As It Is In Hell”, in dessen Video die schon recht reifen und betagten Musiker mit etwas belustigender Schminke posieren. Das hat Unterhaltungswert, und selbst wer sich von derlei Klamauk eher abschrecken lässt, den dürfte zumindest die Musik überzeugen, sofern er mit dieser Art klassischem Edelstahls etwas anfangen kann. Dass die Band zu den Urvätern gehören, ist in jeder Note des Albums zu hören, kein Wunder, die Songs wurden in der Hochphase der aufkeimenden Metal-Euphorie komponiert, in punkto Songwriting gibt es so gesehen so gut wie nichts zu kritisieren. Die Marschroute des Vorab-Songs ist vergleichbar mit dem Rest des Materials. Manche Songs sind eher kurz, andere etwas länger, alle leben sie jedoch ganz besonders vom fiesen, leicht kauzigen Gesang, der im Grunde ständig zwischen Melodik und leichter Abgedrehtheit schwankt, tendenziell sehr hoch, mit vibrierendem Falsett. Ganz so, wie er in diesem musikalischen Bereich sein muss also. Die Gitarristen spielen sich in Vorzeige-Old-School-Manier in ihren Riff- und Lead-Rausch  – klassicher Metal mit Leidenschaft, der auch knappe 30 Jahre nach seiner Entstehung keinerlei Staub angesetzt hat. Highlights gibt es eine ganze Menge, der genannte Eröffnungstrack gehört dazu, genauso die nicht weniger gelungene, verhältnismäßig melodische Komposition “Plage And Fyre”, deren hymnenhafter Refrain sich ohne Umwege ins Nervenzentrum bohrt. Genauso das achtminütige “Blasphemy And The Master”, bei dem HELL die fies-grinsende Fratze ihrer Fegefeuer-Romantik auf die Spitze treiben. Bei aller vordergründigen Boshaftigkeit schwingt in ihrem Sound eine angenehme Portion Spaß und Selbstironie mit, das ist das Mitreißende, Besondere an “Human Remains”.

Nun kommen wir zum großen Aber. Die Produktion, natürlich lag sie in den Händen von Andy Sneap selbst, ist leider, drücken wir uns gewählt aus, suboptimal. Die Gitarren sind zu leise und haben zu wenig Durchschlagskraft, die Drums klingen, wie so oft bei modernen Sneap-Arbeiten, zu matschig, insbesondere die Snare-Drum klackert sich arg penetrant ins Nervenzentrum. Das ist unpassend, nimmt den eigentlich richtig guten Songs viel von ihrem Charme und muss für Punktabzug sorgen. Das Album ist mit über einer Stunde Spielzeit zudem ein bisschen lang, was man locker hätte umgehen können, hätte man sich die von einem billigen Casio-Keyboard unterlegten und diversen mehr oder weniger gelungenen gesprochenen und gesampelten Zwischensequenzen und Intros gespart. Spätestens hier macht sich auch Ernüchterung breit, denn eine klassische Old-School-Produktion wäre Grundvoraussetzung für einen durchweg positiven Eindruck gewesen. Die gibt es nicht – und das ist bedauerlich.

Als Fazit bleibt festzuhalten: “Human Remains” ist aus songtechnischer Sicht ein Juwel des traditionellen Metals mit tollen Songs, die Produktion kann der Zeitlosigkeit des Materials aber nicht Rechnung tragen. Insofern darf man gespannt sein auf die Doppel-CD-Version, der die alten Demos im Originalformat beiliegen werden.

29.04.2011
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