Ignite - Ignite

Review

Zeiten wie diese schreien förmlich nach Hardcore Punk. Und auch wenn MGK derzeit versucht, den Punk im allgemeinen gründlich und endgültig zu demontieren, gibt es doch Bands, die es noch ernst meinen. Und siehe da: IGNITE sind einmal mehr angetreten, um zu liefern. Die neue, Selbstbetitelte ist dabei in gleich zweierlei Hinsicht eine interessante Angelegenheit. Nicht nur eben selbstbetitelt, ist sie auch die erste Vollzeitplatte mit Eli Santana am Mikro, der Zoltán Téglás beerbt hat. In gleich zweierlei Hinsicht kann man den Kaliforniern nun also eine Neudefinition zuschreiben. Die Frage ist: Was können die neuen Songs und was kann Eli Santana? Immerhin ist Téglás‘ Stimme ein gutes Vierteljahrhundert die Stimme der Band aus Orange County gewesen, sodass der Neue kein leichtes Erbe antritt.

Eli Santana besteht die Feuerprobe und übertrifft sogar die Erwartungen

Doch er konnte bereits im Vorfeld vorstellig werden mit „Anti-Complicity Anthem“ und „The River“, die es beide auch auf diese Platte hier geschafft haben. Lange Rede, kurzer Sinn: Er macht es richtig, richtig gut. Er singt in einer vergleichbaren Tonlage wie sein Vorgänger, insgesamt aber etwas rotznäsiger. Und sowohl Instrumentierung als auch Gangshouts organisieren sich drum herum als wäre es nie anders gewesen. So eröffnet der „Anti-Complicity Anthem“ gleich mal als energetischer Dosenöffner und gibt die Marschrichtung des Albums an. Es wird wieder punkiger, die Kalifornier haben sich von den etwas Alternative-lastigeren Klängen des direkten Vorgängers „A War Against You“ ein Stück weit entfernt und klingen so, als hätten sie gleichzeitig Zorn im Bauch und den Spaß ihres Lebens.

Und Eli Santana bringt dieses Gefühl richtig gut herüber, mit immer kleinen Feinjustierungen des Gleichgewichts zwischen Brechstange und Spaß in der Buxe. So klingt „The Butcher In Me“ zum Beispiel vergleichsweise ausgelassen, während er im ungleich aggressiveren „This Day“ hörbar Gift und Galle spuckt. Seine melodischeren Gesangslinien haben in Sachen Soul und Stimmumfang zwar im direkten Vergleich mit Téglás vielleicht ein kleines bisschen das Nachsehen, aber das gleicht er durch pure Attitüde und seine wunderbare Anpassungsfähigkeit aus. Und wichtiger: Es liefert Hooks ohne Ende. Mit ihm klingen IGNITE nach wie vor ganz wie sie selbst und spaxen ihre Refrains auch dank des erneut erfreulich freizügigen Einsatzes von Gangshouts souverän in den Gehörgängen fest. Darunter tummeln sich charakteristscherweise hymnische Sahnerefrains wie der von „The River“ oder der des Rausschmeißers „After The Flood“.

IGNITE erlauben sich keine selbstbetitelten Peinlichkeiten

Lediglich im etwas gemächlicheren „Enemy“ sowie im ebenso tranigen „Let The Beggers Beg“ sticht die alternative Schlagseite noch einmal deutlich gewichtiger hervor. Doch selbst hier kommt der neue/alte Rotz zum Tragen und rettet souverän, was bei manch anderer Band vermutlich nur lahmer Post-Grunge-Ausschuss zum Wegschmeißen geworden wäre. Schön ist auch, dass die scharfkantige, druckvolle Produktion Energie und Klarheit schön ausbalanciert. Denn egal wie forsch die Kalifornier vorpreschen, die Melodien spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle und werden vom Gitarrenduo Hill/Kilkenny wunderbar in Szene gesetzt. Erwähntes „Let The Beggars Beg“ enthält sogar einige der pointierteren Licks, die aus Richtung der Saitenfraktion abgefeuert werden.

Es ist also irgendwie anders und doch wieder voll und ganz IGNITE – und damit vielleicht der beste Zeitpunkt für die Kalifornier, ein Album nach sich selbst zu benennen. Die Feuerprobe hat Eli Santana also nicht nur bestanden, sondern sich schon richtig zu eigen gemacht. Der Sound macht es seinen Hörern schwer, still sitzen zu bleiben, gerade wenn derart unablässig Hit auf Hit abgefeuert, gleichzeitig dieses wunderbare Gleichgewicht zwischen Punkigkeit, Härte und Melodie auf den Punkt getroffen wird. Das ist einer dieser Momente, in dem ein neuer Sänger bei einer langjährig etablierten Band einen Bilderbucheinstand hinlegt. Es fühlt sich wahrhaftig so an, als wäre es nie anders gewesen. Und es zeigt eindeutig und eindrucksvoll, dass Punk eben doch was mit Können zu tun hat.

01.04.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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