Kanonenfieber - Menschenmühle

Review

Das sehr auf Anonymität bedachte Einmann-Projekt KANONENFIEBER hat sich für sein Debütalbum „Menschenmühle“ einiges vorgenommen.  Beim Blick auf die nackten Begriffe hätte ich mir darunter nicht viel vorstellen können, vor allem ehrlicherweise nichts Gutes. Doch das ambitionierte Projekt, das sich konzeptuell mit den Schrecken und Grausamkeiten des Ersten Weltkriegs beschäftigt, wird diesen Ansprüchen allemal gerecht. Nicht umsonst ist die Band in Black/Death-Metal-Kreisen längst ein Begriff – ohne große PR-Kampagne wohlgemerkt.

KANONENFIEBER erzählen die Schrecken des Krieges

Nicht zwingend ein Qualitätsindikator, aber zumindest ein Hinweis darauf, dass in KANONENFIEBER einiges stecken muss: „Menschenmühle“ glorifiziert nicht, sondern setzt sich mit den Schrecken des Krieges auseinander und thematisiert das Gräuel der Opfer gleichermaßen wie deren Sinnlosigkeit. Dass das brutal sein kann, ist logisch, doch die Zwischentöne sind es, die „Menschenmühle“ so beklemmend machen. Immer wieder blitzen im Black/Death-Dauerfeuer Melodien auf, die an die Nieren gehen und die Verzweiflung ausdrücken, die sich mit Sicherheit auf dem Schlachtfeld breitgemacht hat. Natürlich ballern die Songs auf „Menschenmühle“ auch. Mal unheilvoll im Midtempo, mal temporeich angriffslustig.

Über allem schwebt aber ein bedrückender Schleier aus Trostlosigkeit und Verzweiflung, daran ändern auch die bissigen Vocals nicht. Eingestreute, gesprochene Samples dienen dabei zu jederzeit als sinnvolle Unterstützung der gebotenen Atmosphäre. Von überflüssigem Beiwerk kann bei „Menschenmühle“ ohnehin nicht die Rede sein. Stattdessen fängt das KANONENFIEBER-Debüt ziemlich beeindrucken das lyrische Konzept in musikalischer Hinsicht ein. Majestätisch ist hier nichts, unangenehm dafür umso mehr. Allerdings nicht auf eine sperrige Weise, denn dem roten Faden kann man problemlos folgen. Dementsprechend ohne wirklich greifbare stilistische Referenzen kommt die Stimmung BOLT THROWER nahe, deutlich näher, auch aufgrund der klaren Black-Metal-Einflüsse wären noch 1914. Schlussendlich bauen KANONENFIEBER aber noch mehr Elemente in ihren Sound – denn Referenzen an Doom Metal und gar Post-Rock lassen sich wahrnehmen, ohne dass sie sich aufdrängen würden.

„Menschenmühle“ ist ein beeindruckendes Debüt – vom Konzept bis zur musikalischen Umsetzung

Und so bleibt von „Menschenmühle“ vor allem der Eindruck eines sehr ausgeklügelten Albums. Nicht zuletzt weil bei der Entstehung des Albums authentische Dokumente wie Briefe und Berichte aus der Zeit des Krieges als Inspirationsquelle dienten, ist KANONENFIEBER ein atmosphärisch konsistentes Werk gelungen, das sich musikalisch nicht limitiert. Im Gegenteil, auch wenn sich alle eingesetzten Elemente dem Ziel unterordnen, bleibt „Menschenmühle“ ein erstaunlich abwechslungsreiches Album – zumindest auf den zweiten Blick. Sind die letzten Klänge des mit Akustik-Gitarre und Klargesang konzipierten Schlussaktes „Verscharrt und Ungerühmt“ verklungen, heißt es erst einmal durchatmen. Ein in sich geschlossenes, spannendes wie anspruchsvolles Werk, das allemal gehört werden sollte.

14.03.2021

Chefredakteur

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