Katla - Móðurástin

Review

„Móðurástin“ – die Mutterliebe. Für ihr Debütalbum wollen sich KATLA aus zigtausenden Genres bedient haben. Die Atmosphäre sei es, die bei Einar Thorberg und Guðmundur Óli Pálmason stets im Vordergrund stehen solle.

Doch unfair wie die Musikwelt ist, wird ihnen aufgrund der ehemaligen Mitgliedschaft des letzteren in einer nicht unbekannten isländischen Hype-Kapelle vorerst der „Ex-SÓLSTAFIR“-Stempel anhaften. Dabei hat auch Thorberg auf eine nicht unrühmliche Liste an Bandbeteiligungen zurückzublicken: Solo-Musiker bei CURSE, Fronter von FORTIÐ, Sänger der Kult-Blacker POTENTIAM. Hier traf er 1999 erst mal auf jenen blonden Rastamann, dessen Band in den kommenden Jahren tatsächlich der internationale Durchbruch gelingen sollte: Guðmundur Óli Pálmason.

Ein getriebenes Stück Rockmusik

Ähnlich wie seine drei POTENTIAM-Kollegen, die sich derzeit ihrem Projekt KONTINUUM widmen, scheint auch Thorberg der Sinn inzwischen mehr nach rockigen Tönen zu stehen. „Móðurástin“ ist ein rhythmusgetriebenes Stück Musik, das in seiner akustischen Bernstein-Attitüde durch und durch den Duft der Vulkaninsel atmet. Bass, Gitarre und Drums lassen sich in ansprechend luftiger Manier den nötigen Raum, die Parallelen zu SÓLSTAFIR sind zunächst nicht von der Hand zu weisen – nicht zuletzt aufgrund Gummis charakteristisch simplifiziertem Drummings (der so genannte Lars-Ulrich-Effekt).

Gerade angesichts des vergleichsweise vor Trägheit strotzenden SÓLSTAFIR-Outputs „Berdreyminn“ erliegt man leicht der Versuchung, die Werke krampfhaft auf Überschneidungen abzusuchen. Dabei haben die Psychedelic-Metal-Maestros ihren Stil ja nicht einzig und allein für sich gepachtet. Schwirrende E-Bow-Gitarrenkaskaden wie im Opener „Aska“ sind ja beispielsweise nicht erst seit „Svartir Sandar“ bekannt, sondern gab es so bereits ein Jahrzehnt zuvor bei SIGUR RÓS zu hören.

Große Stimmkunst

Was die beiden Truppen dann aber deutlich voneinander abgrenzt, sind die unterschiedlichen Herangehensweise am Mikro: Denn im Gegensatz zu Kollege Trygvasson hat Thorberg ein zunächst einmal durch und durch feingeschliffenes Singstimmchen vorzuweisen, mit dem er gerne einmal in MANOWAR’sche Intonation (ganz stark: „Hyldýpi“) verfällt, dann aber beispielsweise in Spoken-Word-Parts („Kul“) auch gerne in tieferen Oktaven wühlt.

Auch musikalisch wird  Abwechslungsreichtum großgeschrieben: Der Titeltrack bringt die geschwärzte Schlagseite Thorbergs zum Vorschein, seine als Gastsängerin fungierende Schwester doppelt die überraschend garstigen Screams mit ätherischem Klargesang. Auch „Hreggur“ greift die gemeinsame Black-Metal-Vergangenheit auf und verfällt gegen Ende unerwartet in Raserei, wobei die Überlagerung der sägenden Vocallinien mit erschreckend truem Old-School-Riffing teils überraschend avantgardistisch anmutet.

Die typische Rauheit fehlt – in Teilen

Es verlangt schon Respekt, solche 90er-Reminiszenzen in denselben Sound zu betten, der wenig später in derart andersartigen Tracks mündet: Sei es das jazzig anmutende Cello-/Klavier-Intermezzo „Kul“ oder das schlussendlich mit einem Schuss neuerer ENSLAVED-Theatralik überzeugende Finale „Dulsmál“. Über alledem schwebt jedoch der unüberwindbare Umstand, dass nicht nur Thorbergs Stimme, sondern auch die gesamte Produktion (die bissig fetten Drums sprechen für sich) zumindest in Teilen die typische kalte isländische Rauheit vermissen lässt.

Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass mit „Móðurástin“ ein ungewöhnlich starkes und vielschichtiges Debütalbum vorliegt – das obendrein die perfekte Beschallung für den anstehenden Wintereinbruch darstellt. Und ganz ehrlich: SÓLSTAFIR hin, SÓLSTAFIR her – wenn der Wirbel um Gummi nun dazu führt, dass die großartigen instrumentalen und kompositorischen Fähigkeiten Thorbergs ins Spotlight gerückt werden, dann sollte das den unbrüderlichen Split der Reykjavíker verdammt noch mal wert gewesen sein.

30.10.2017
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