Koldbrann - Moribund

Review

Man kann über die heutige norwegische Black-Metal-Szenen denken was man mag, aber zu geschmacklichen Verfehlungen wie die deutscher Bands lässt sich dort kaum jemand hinreißen. Wer in Norwegen Black Metal spielt, der weiß was er tut. KOLDBRANN hört man auf ihrem zweiten Album an, dass sie nicht nur für sich in Anspruch nehmen, Ahnung von ihrem Handwerk zu haben, sondern auch Ambitionen nach oben haben.

„Moribund“ ist das seit langer Zeit norwegischste Album, das mir untergekommen ist. Nicht nur, dass sich die noch recht junge Truppe traut, größtenteils auf ihre Muttersprache zurück zu greifen – nein, auch ihre weiteren Zutaten sind urnordisch. Die Gitarren zerren und reißen, der Bass wummert mit fantastischen Linien CARPATHIAN-FOREST-like röhrend im Untergrund, und das Schlagzeug pumpt und poltert in unnachahmlicher Manier (und das meine ich, wie ich es schreibe: der Drummer ist ein gottverdammter Virtuose!). Dazu ein Sänger, der Satyr in vor Verachtung sprotzender Überheblichkeit extrem nahe kommt. Überhaupt haben KOLDBRANN von SATYRICON einiges gelernt. Zwar haben sie sich ihre Riffs nicht abgeschaut, aber sie haben verstanden, dass Black Metal auch METAL ist und neben viel Mystik und Gänsehautriffs durchaus auch eine rockige Komponente in sich tragen darf.

Trotz aller Rockattitüde kommt das Gefühl auf „Moribund“ bei weitem nicht zu kurz und führt zumindest bei mir und bei entsprechender Lautstärke entweder zu aggressiven Ausfällen oder zu heftigster Rührung. Wenn ich nicht gerade fasziniert von der unglaublich druckvollen, dichten Produktion (Mastering von Tom Kvalsvoll, das sagt alles…) bin, staune ich über die Wandlung, die „I Suveren Forakt“ von bösartigem Thrash-Black bis zu einem der schönsten Riffs in der Tradition von „For All Tid“ oder „Stormblast“ nimmt, und das in nicht einmal sieben Minuten. Oder ich fürchte mich vor „Smell Of Vitriol“, das durchaus hält, was der alchimistische Titel verspricht. Alleine der Albumeinstieg, ohne Intro und Schnörkeleien, putzt euch die Ohren blank.

Der einzige Grund, warum „Moribund“ nicht noch mehr Punkte abräumt ist: ab der 45-Minuten-Marke hat man den Eindruck, KOLDBRANN würden sich noch eine Viertelstunde lang selbst zitieren, weil’s so schön ist.. Das muss nicht zwingend sein, denke ich. Wäre das Album kompakter und knackiger, käme man um einen Kauf wohl kaum herum, so ist es nicht ganz das komplette Meisterwerk.
Allerdings… mit dem dritten Album, wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt, werden KOLDBRANN keinen Zweifel daran lassen, dass wir es hier noch vor 1349 mit der besten norwegischen Black-Metal-Band neuerer Bauart und älteren Stils zu tun haben.

28.10.2006
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