Kreator - Hate über alles

Review

Mit „Gods Of Violence“ erreichten KREATOR 2017 den Höhepunkt auf ihrem Weg hin zu mehr Epik und traditionellen Metal-Momenten. Auf „Hate über alles“ entfernt sich die Ruhrpott-Institution ein Stück weit davon – und bringt ihre 38jährige Karriere in einer Dreiviertelstunde auf den Punkt.

„Hate über alles“ vermeidet alte Fehler

Der als erste Single erschienene Titelsong mag bei einigen die Erwartung erweckt haben, KREATOR kehren auf ihrem fünfzehnten Album kompromisslos zum knackigen Thrash Metal zurück. Doch dieser Schein trügt. Vielmehr ist der Opener von „Hate über alles“ eine kurze Erinnerung daran, wofür KREATOR den meisten bekannt sind, bevor sich die Band in ihr experimentellstes Album seit „Endorama“ stürzt.

Wem es in Erinnerung an den stark Gothic-Metal-beeinflussten Sound besagter Platte kalt den Rücken runterläuft, wird sich schnell wieder beruhigen. Mitnichten wiederholen KREATOR den Fehler, all ihre Trademarks für ein Album über Bord zu werfen, das besser als Nebenprojekt von Frontmann Mille Petrozza hätte laufen sollen. Stattdessen verbinden sie ihre Thrash-Riffs gekonnt mit Anleihen aus verschiedenen Stilrichtungen.

KREATOR blicken kurz zurück….

In dem ebenfalls als Single erschienenen „Midnight Sun“ mit Gastsängerin SOFIA PORTANET scheint tatsächlich noch einmal die Gothic-Kante durch. Aber eben nur im melodischen und verdammt eingängigen Refrain. Die Strophen ballern mit knackigen Thrash-Riffs durch, die so auch auf „Phantom Antichrist“ oder „Hordes Of Chaos“ ihren Platz gehabt hätten. Das steht exemplarisch dafür, wie KREATOR dieser Tage Sound-Experimente auf natürlich Weise mit ihren Trademarks verbinden.

Im autobiografischen „Become Immortal“ betont Petrozza JUDAS PRIEST als einen seiner wichtigsten Einflüsse so stark wie nie zuvor. Insbesondere die marschierenden Strophen erinnern stark an die britische Metal-Legende. Die „Ohoho“-Chöre im Mittelteil hingegen gehen fast schon als Querverweis zu IRON MAIDEN durch. Petrozzas Stimme und Sami Yli-Sirniös wie immer charismatisches Gitarrenspiel sorgen aber dafür, dass „Become Immortal“ trotzdem klar als KREATOR-Song erkennbar bleibt.

…und ansonsten nur nach vorn

Wofür das Quartett 2022 steht, zeigt sich aber in vielleicht keinem Song auf „Hate über alles“ so deutlich wie in „Conquer And Destroy“. Der Song beginnt mit einer Gitarrenmelodie, die ohne Umschweife für Gänsehaut sorgt, manch einem sogar Tränen in die Augen treiben dürfte.

Nach der vorpeitschenden Thrash-Strophe greift Petrozza ebenjene Melodie in der Gesangslinie des Refrains auf, um noch einmal richtig in die Gefühlswelt zu schlagen. Als wäre das alles nicht genug, dreht Gastsänger DRANGSAL gegen Ende des Songs das Epik-Level auf Stufe elf. Wenn der Refrain zum Abschluss noch einmal einen Halbton höher erschallt, wirkt das nicht wie ein Songwriting-Klischee, sondern der logische Höhepunkt eines perfekten Spannungsbogens.

KREATOR sorgen für Abwechslung

Während ein Großteil des Materials auf „Hate über alles“ in die hohen Temporegionen vorstößt, sorgen KREATOR im doomigen Abschlussong „Dying Planet“ und dem MANOWAR-artig stampfenden „Crush The Tyrants“ für Abwechslung. Für ein solches Killerriff wie in letztgenanntem Song würde die aktuelle Gurkentruppe rund um Joey DeMaio und Eric Adams mehr als nur eine Gliedmaße abgeben.

KREATOR verbinden mühelos Altes mit Neuem, schauen zurück und gleichzeitig nach vorn. Auf „Hate über alles“ verheiratet die Band erfolgreich ihre experimentelle Phase der 90er mit dem ungehobelten Thrash der Anfangstage und dem von klassischem Heavy Metal beeinflussten Sound der jüngeren Vergangenheit.

Ein Anwärter auf das Album des Jahres

Dazu gesellen sich Ausflüge in diverse Genres, die sich im KREATOR-Kontext zuvor nicht bemerkbar gemacht haben, aber nie aufgesetzt oder unpassend wirken. Kaum eine andere Band klingt nach fast 40 Jahren noch so frisch, hungrig und inspiriert wie Petrozza und seine Mannen. Bei möglichen Antworten auf die Frage nach der besten KREATOR-Platte überhaupt spielt „Hate über alles“ zukünftig ganz vorne mit – beim Album des Jahres 2022 sowieso.

02.06.2022

"Irgendeiner wartet immer."

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