Legend Of The Seagullmen - Legend Of The Seagullmen

Review

Mit LEGEND OF THE SEAGULLMEN betritt eine weitere Supergroup mit Brent Hinds die Bühne. Man möchte ja meinen, dass er nach den jüngeren Outputs von GIRAFFE TONGUE ORCHESTRA sowie seinem Hauptspielplatz MASTODON musikalisch erst einmal ausgelastet gewesen sein dürfte, aber wie ein Stehaufmännchen geht es für ihn einfach weiter mit den Möwenmännern, die mit ihrem selbstbetitelten Debüt in See stechen. Immerhin: Seine Hauptbaustelle hat sich zuletzt nur bedingt mit Ruhm bekleckert, wenn man bedenkt, dass sich MASTODON (möglicherweise nicht ganz zu unrecht) den Vorwurf gefallen lassen mussten, ihre Version von „Load„/“Reload“ aufgenommen zu haben. Andererseits handelt es sich hier um eine Gruppe mit TOOL-Schlagzeuger Danny Carey und dem GIRAFFE TONGUE ORCHESTRA-Kollegen Pete Griffin an Bord (um nur ein paar der illustren Gestalten zu nennen), was die Erwartungen natürlich zusätzlich verzerrt, aber auch neugierig macht.

Ein frische Brise harten Rocks!

Und dann entpuppt sich LEGENDS OF THE SEAGULLMEN als ein unglaublich spaßiges Psych-Rock-Outfit, das mit hartem Kern daherkommt. Das selbstbetitelte Album der Band hat eine leichte Affinität zum Hardcore wie auch dem Sludge inne, die sich in ungefähr ähnlicher Form äußert wie seiner Zeit „In The Arms Of God“ von CORROSION OF CONFORMITY, aber mit weniger Blues. Ebenso schwirrt einem gerne mal „Leviathan“ von MASTODON in und um den Sinn, denn die Songs der Möwenmänner haben wie besagtes Album eine nautische Thematik inne. Aber auch hier gibt es wieder einen Unterschied in der Umsetzung. Klang „Leviathan“ eher so wie die raue See und die darin beheimateten Seeungeheuer höchstselbst, so stellen LEGEND OF THE SEAGULLMEN die raubeinigen Haudegen dar, die der See furchtlos trotzen und diese allein mit ihren seefahrerischen Fertigkeiten niederringen.

Konkret heißt das: Das Album rockt zumeist offensiv drauf los, macht dabei jede Menge Spaß und bringt eine abenteuerliche Spritzigkeit mit, die einen richtig mitreißt. Und gerade bei den einschlägigeren MASTODON-Licks kommt besagtes, wohliges „Leviathan“-Feeling so richtig herüber. Dazu schwingt eine gewisse Cineastik mit, die jedoch nicht durch ein Konservenorchester erzwungen wird. Durch den sehr rauen, direkten und stimmigen Sound versetzen die Möwenmänner ihre Hörer stattdessen kompetent in medias res. Ihr wisst schon, mittendrin statt nur dabei, erste Reihe zum Mitkämpfen. Diese grobe Produktion muss man natürlich erst einmal schätzen lernen, bis dahin ist sicher der ein oder andere Hördurchgang vonnöten. Bei 37 Minuten Spielzeit ist das jedoch nun wirklich kein Beinbruch.

Legend Of The Seagullmen 2018

LEGEND OF THE SEAGULLMEN bezwingen die raue See der Klischees

Und um den Genuss der Platte letztendlich noch weiter zu erleichtern fährt die Band ein mächtiges Repertoire an verschiedenen Stimmungen auf, mit denen sie ihren acht Songs Identität verleihen. Es beginnt mit dem programmatischen „We Are The Seagullmen“. Ein rotziger Rocker im triolischen Galopp eröffnet die Platte. Und sofort hat man das Gefühl, mit kernigen Kerlen der Marke „Haudrauf“ auf rauer Seefahrt zu sein – und das alles ohne dass die üblichen Pirate-Metal-Sicherheitswörter bemüht werden müssen. Von hier an startet eine wilde Fahrt durch verschiedene Aspekte des mal mehr, mal weniger psychedelischen Hard Rocks, der im Titeltrack sogar auch ein Stück Punk Rock mitnimmt. Hier und da schauen mal THE MIDNIGHT GHOST TRAIN verschmitzt vorbei, wobei LEGEND OF THE SEAGULLMEN generell etwas melodischer und abwechslungsreicher zu Werke gehen. Subtile Synthesizer krabbeln über die rauen Rock-Wogen ins Unterbewusstsein und lösen immer wieder das Gefühl aus, etwas Kinoreifem zu lauschen. Wenn diese dann aber doch groß und bombastisch aufspielen, dann ist Gänsehaut angesagt. Dann erreicht die Stimmung ihren Siedepunkt, so zu beobachten beim orchestralen Intro von „Curse Of The Red Tide“ sowie dem Schluss des Rausschmeißers „Ballad Of The Deep Sea Diver“. Und David Dreyers Gesang peitscht überdies die Songs immer wieder durch seine markigen Vocals an, kommt dabei mit leichtem Hall versehen daher, was seiner Stimme umso mehr Gewicht verleiht. Die Hintergrundgesänge verleihen den Tracks indes umso mehr Größe und Atmosphäre, gerade wenn sie wie in „The Fogger“ wie Gespenster durch den Song hindurch spuken.

Anders ausgedrückt: Hier ist eine ernsthafte Alternative der nautischen Rock-Musik, die in letzter Zeit ja mehr durch Piraten-Klamauk aufgefallen ist. Denn statt Klischee und Schabernack gibt es hier einfach nur verdammt gutes Songwriting, bei dem es selbst mit fortgeschrittenen Hördurchgängen noch interessante, musikalische Facetten zu entdecken gibt. Und trotzdem scheinen LEGEND OF THE SEAGULLMEN immer mit einem zwinkernden Auge dabei zu sein, siehe hierzu obiges Bandfoto. Es ist eben die Musik per se, welche diese Band zu einer ernst zu nehmenden Bank macht. Hier ist das Debüt einer Supergroup, die Eier zeigt, die sich nicht von den Blaupausen ihrer eigenen Stammbands ins Korsett treiben lässt und einfach nur wie sau rockt. Mit diesem Album kann man wahrlich in See stechen. Jungs schnallt euch an und nehmt wetterfeste Kleidung mit. Wird ’ne holprige, wilde Fahrt, aber das ist das Leben eines Seefahrers. Na denn: Mahlzeit!

01.02.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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