Limp Bizkit - Still Sucks

Review

Wie entgegnet man einer gefühlt einstimmigen Welle an Widerspruch, Ablehnung, ja: Hass? Rückzug ist eine Lösung. Eine andere ist, sich aufzurichten und den Antagonismen breiten Grinsens zu entgegnen. Wie wenig LIMP BIZKIT unter Metallern geschätzt sind, ist ganz bestimmt nicht an den Floridianern vorbeigegangen. Seit dem letzten Album „Gold Cobra“ sind nun auch zehn Jahre Zeit ins Land gezogen. In der Zwischenzeit hat Fronter Fred Durst unter anderem als Regisseur des Psycho-Thrillers „The Fanatic“ für einige unfreiwillige Lacher gesorgt – ein Fluch, der scheinbar einfach nicht von der Band weichen möchte. Doch was macht man aus einer derart eklatanten Schwäche? Am besten man dreht den Spieß um und versucht, sie in eine Stärke umzuwandeln.

LIMP BIZKIT und die Selbstwahrnehmung

Womit wir bei „Still Sucks“ wären. Die Self-Awareness trieft alles andere als subtil aus diesem Titel heraus, aber das passt irgendwie zu einer Band, deren Sujets üblicherweise ohnehin aus plumpen Machismen und Hip-Hop-Bravado bestehen. Im Gegensatz zu anderen Bands aus der Rap-Metal-/Crossover-Sparte wie beispielsweise BODY COUNT oder RAGE AGAINST THE MACHINE nehmen sich LIMP BIZKIT weitaus seltener ernst. Aber diese in einen Topf mit Dursts Kapelle zu stecken wäre ohnehin unsinnig, zumal auch „Still Sucks“ dem seit „Significant Other“ mehr oder weniger bewährten Stil folgt. Es gibt modernen Metal auf die Ohren, dessen von John Otto eingetrümmerte Midtempo-Rhythmik eindeutig auf die ubitquitären Rap-Parts abgestimmt ist.

Drum herum schlängeln sich die mal ruppig knurrenden, mal Slide-lastig aufjaulenden Gitarren von Wes Borland, dessen Spiel im eröffnenden „Out Of Style“ wider besseren Wissens durchaus als Djent-artig [oder besser: Math-Rockig, Nachtr. d. Red.] durchgehen könnte. Dazwischen werden immer wieder ruhigere, melodischere und erstaunlich atmosphärische Parts zwischengeschaltet, wann immer sie Sinn ergeben, und hier und da durch flächige Synths untermalt. Die Riffs sind natürlich von gewohnt repetitiver Natur, aber die Knackigkeit der Songs verhindert jedwede Form von Leerlauf. Es wäre natürlich kein LIMP BIZKIT-Album ohne Turntable-Scratches, bei denen man sich als zeitlebens frisch aus dem „Hot Dog Flavoured Water“ erhobener Teen direkt wieder heimisch fühlt, die für zeitgemäße Ohren jedoch wahrscheinlich ein bisschen aus der Zeit gefallen klingen.

Nichts für Nu-Metal-Allergiker

Wie nicht anders zu erwarten zerkaut Fred Durst mit seiner Darbietung wieder die gesamte Kulisse ohne Rücksicht auf Verluste. Womit dagegen nicht zu rechnen war, ist, wie viel Spaß man mit „Still Sucks“ haben kann, wenn man es denn zulässt. Tatsächlich: Dieses Album hat kein Recht, so gut zu sein, wie es ist, gerade für so eine Platte, die praktisch wie ein einziges, selbstreferentielles Meme anmutet. Einer der Gründe ist sicher die knapp bemessene Spielzeit, die wenig Raum für Filler lässt. Ein weiterer Grund dafür, dass „Still Sucks“ gefällt, ist sicher die pure Energie, die hier drin steckt. Die Herren klingen richtig hungrig und lassen die Vorsicht, die man dem Vorgänger noch unterstellen konnte, glücklicherweise missen.

Zwar kommt „Still Sucks“ längst nicht an die Giftigkeit des Debüts „Three Dollar Bill, Y’all$“ ran, doch es klingt schön impulsiv und direkt, hat eine saftige, voluminöse Produktion auf den Leib geschneidert bekommen und deckt eine ordentliche Palette an Einflüssen ab, sodass die Sache nicht zu eintönig wird. Es gibt natürlich Macken hier und da. Das in eine Akustik-Ballade umgewandelte INXS-Cover „Don’t Change“ beispielsweise weckt böse Erinnerungen an das damals wie heute unnötige THE WHO-Cover „Behind Blue Eyes“ und das auf knapp zwei Minuten kommende „Empty Hole“ ist – ebenfalls ein Akustikstück – praktisch unzureichend ausgearbeitet. Das abschließende Sprachsample von „Snacky Poo“ ist auch unnötig gewesen.

LIMP BIZKIT sind scheiße und stolz darauf

Doch ansonsten gefällt das, was LIMP BIZKIT hier zubereitet haben, mehr als unsereins gern zugibt. „Dirty Rotten Bizkit“ ist ein Earcatcher vom allerfeinsten, der wie vor 20 Jahren aufgenommen und doch kein bisschen gealtert klingt. „Dad Vibes“ ist natürlich der neue Themensong für Dursts herrlich trashige Frisur nebst Lenkstange. „You Bring Out The Worst In Me“ täuscht mit eingeschlafenen Füßen an, überrascht dann aber mit einer aggressiven Hook, die ihre Hörer zufrieden aus dem Sessel hopsen lässt. Intensiv ist auch die Aggression, die in „Pill Popper“ zur Schau gestellt wird, ein Song mit prägnanten Hardcore-Vibes. „Love The Hate“ ist zudem ein interessanter Track, indem Fred Durst massivst über sich selbst herzieht (und auf sein nicht ganz unkompliziertes Verhältnis zu Eminem anspielt), in der Hook dann aber seine Belustigung über den Hass proklamiert.

Das neue Album ist somit zwar nicht perfekt, aber für das kleine Guilty Pleasure zwischendurch mehr als brauchbar. Wem allein der Anblick des Bandnamens schon zu viel ist, dem wird hier selbst die überzeugendste Kostprobe aus der Trackliste nicht umstimmen, denn missionarische Fertigkeiten hat „Still Sucks“ nicht. Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich: Fred Durst und Co. machen schlicht und ergreifend das, was sie seit über 20 Jahren gemacht haben, und rücken davon kaum einen Deut weg. Vielmehr wirkt „Still Sucks“ wie ein „Jetzt erst recht“ und darf, nein: soll mit Augenzwinkern und der ein oder anderen Hopfenkaltschale genossen werden. Und ehe man sich’s versieht, hat man die „Dad Vibes“ schon nahezu komplett verinnerlicht …

03.11.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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