Liv Kristine - Vervain

Review

Bereits Album Nummer Fünf präsentiert uns Liv Kristine, Frontsirene der Gothic Metaller LEAVES EYES und stimmliches Ex-Aushängeschild der stilprägenden, verblichenen THEATRE OF TRAGEDY, mit ihrem gleichnamigen Soloprojekt. Einen nachhaltigen Eindruck, wie sich das musikalische Schaffen von Liv präsentiert, konnte man sich mit den vier Vorgängern ja bereits ausreichend verschaffen – und es wird sicher kein Geheimnis ausgeplaudert, wenn man bereits an dieser Stelle verrät, dass sich an dem bewährten Rezept „leichter Gothic Rock meets Dark Pop“ nichts geändert hat. Wie bereits in der Vergangenheit wird auch auf „Vervain“ die stimmliche Leistung der Hauptprotagonistin in den Vordergrund gestellt – getragen werden die zehn Titel von einer zurückhaltenden Instrumentenabteilung, die für die notwendige atmosphärische Untermalung sorgt, jedoch selten die Führungsrolle beansprucht, oder um es im Fußballer-Sprech zu sagen: Gitarren, Schlagzeug und Keyboard kommt die Rolle des Wasserträgers zu, welcher der Spielgestalterin den Rücken frei hält und diese angemessen in Szene setzt. Angesichts der gesanglichen Qualitäten von Liv Kristine, die auch auf „Vervain“ wieder ohne Beanstandung bleiben, eine verständliche, aber dennoch leicht ausrechenbare taktische Vorgabe.

Innerhalb des selbst gesteckten musikalischen Rahmens ist „Vervain“ eine recht abwechslungsreiche Angelegenheit: Der Opener „My Wilderness“ ist ein rockiger Alternativetitel, der ein bisschen an die GUANO APES erinnert, der Titeltrack „Vervain“ kann mit seinem ohrwurmerzeugenden Refrain und flottem Tempo punkten. Besonders hervorzuheben sind zudem zwei gesangliche Gastbeiträge, beigesteuert von Michelle Darkness (END OF GREEN) und der legendären Doro Pesch (DORO), welche zweifelsfrei zu den Highlights von „Vervain“ gehören:  „Love Decay“ mit dem Herren Dunkelheit  gibt sich eher 1980er-wavig, die Damen-Kooperation „Stronghold Of Angels“ zielt erwartungsgemäß eher in eine schwerere, doomigere Richtung. Beide Titel sind Duette auf Augenhöhe, die dem Gesamtwerk eine erfrischende Facette verleihen – und „Vervain“ mit den vier Anfangsnummern einen ordentlichen Einstand bescheren. Der Haken bei „Vervain“ ist jedoch fast die gesamte zweite Albumhälfte: Die musikalische Untermalung driftet dort zunehmend ins Beliebige ab, hier kommt „Vervain“ passagenweise nicht mehr so richtig von der Stelle: Ist „Lotus“ noch eine stimmungsvolle, pianogestützte Ballade, bleiben die Titel „Elucidation“, „Two And A Heart“ und „Creeper“ beinahe beliebig austauschbarer Gothic Pop – ein Verlauf, der in dem Rausschmeißer „Oblivion“ gipfelt, der es leider vollständig versäumt den Anker im Gehörgang des Hörers auszuwerfen und der etwas glücklos einfach ausläuft, lässt man die möglichen Bonus-Tracks einmal außen vor.

Frau Kristine geht mit „Vervain“ insgesamt auf Nummer Sicher: Das Ergebnis ist ein eingängiges, gefälliges Album geworden, das voller schöner und unterhaltsamer (Gesangs-)Melodien steckt – dem jedoch in Gänze die Ausgeglichenheit zwischen stimmlichem und instrumentalem Wirken fehlt, welche qualitativ nicht auf einer Stufe agieren. Wer aber entweder ein Faible für die Stimme von Liv Kristine und ihre Arbeit am Mikrofon hat, oder sich an unkompliziertem Gothic Pop erfreut, der wird mit „Vervain“ kurzweilig unterhalten.

27.10.2014

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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