Maladie - ...of harm and salvation...

Review

Es ist interessant, wie die Cover der MALADIE-Veröffentlichungen eine Geschichte zu erzählen scheinen. Der Mensch, der zu „Plague Within„-Zeiten noch zur Fötusstellung gekrümmt in den Schlingen gefesselt gewesen ist, kämpfte mit „…still…“ und „…symtpoms…“ dagegen an, nur um sich mit dem jüngsten Album „…of harm and salvation…“ endlich langsam davon zu lösen. Die im Albumtitel genannte „Salvation“ scheint endlich einzutreten. Was für eine schöne Analogie, denn nach der letzten EP und dem für meinen Geschmack etwas sehr schwülstigen Full-Length-Vorgänger haben die süddeutschen Black-Metal-Querköpfe ihren Sound eine bitter nötige Entschlackungskur verpasst. Es scheint, als hätten die Herrschaften um Björn Köppler ihre Lektion aus dem zwar nicht verunglückten aber doch etwas enttäuschenden Versuch, eine Ein-Track-EP auf die Beine zu stellen, gelernt, denn „…of harm and salvation…“ zeigt MALADIE aufs Wesentliche fokussiert und aufgeräumt – und so gar nicht mehr hochtrabend und unnötig verkopft.

Fortschritt durch Reduktion

Und am offensichtlichsten zeigt sich das beim Sound. Der hat eine kräftige Brise Old-School-Rawness abbekommen. Und die hat ihm richtig gut getan. Der Sound kommt reduziert und stimmungsvoll daher, es weht ein eisiger Wind aus dem Norden mit und der Klang wirkt nicht mehr so auf engstem Raum gezwängt, dass man das Gefühl hat, irgendeiner Klangsuppe zu lauschen, wie das gelegentlich bei „…still…“ noch der Fall gewesen ist. Doch nicht nur hier haben sich MALADIE deutlich zum Besseren gewandelt. Auch bewegt sich die Band in puncto Songwriting mehr in Richtung des reinen Black Metal, ein Schritt, der sich als finstere Goldgrube erweisen sollte.

Das Riffing ist unbarmherzig, rasend, impulsiv und es weiß, wann es geordnet und klar, wann chaotisch und verdreht zu klingen hat. „…of harm and salvation…“ kommt dadurch wesentlich rauer, kälter und tatsächlich auch finsterer und emotionaler daher als seine Vorgänger. Die Songs bringen etwas Ursprüngliches mit sich und wirken nicht mehr so gekünstelt. Die großen zum Teil übertrieben theatralischen Gesten wurden gewinnbringend zurückgefahren für einen Sound, der deutlich schneller auf den Punkt kommt und dessen Songwriting einschlägiger und fokussierter ist. Doch wo MALADIE draufsteht steckt auch nach wie vor der Trademark-Sound der Ludwigshafener drin. Denn „…of harm and salvation…“ hat die Vielschichtigkeit, für die sich die Band einen Namen gemacht hat, nicht abgelegt, sondern ihr vielmehr eine konkretere Form gegeben und sie zu gleichen Teilen zugänglicher und hässlicher gemacht – wobei gerade letzteres positiv gemeint ist. Dabei bewahren sich die Herrschaften natürlich das musikalische Gesicht, das sie sich erarbeitet haben. Der Gesang bewegt sich zwischen aggressivem Fauchen und hymnischen Gesängen und trifft dabei jederzeit ins Schwarze.

Wieder einmal sind MALADIE mehrsprachig unterwegs und liefern ihre philosophisch-morbiden Texte in deutscher, englischer und französischer Sprache ab, gelegentlich sogar in Latein. Tatsächlich vermittelt das in seinen konsequentesten Momenten den Eindruck, als wäre das lyrische Ich gestört hin zum Punkt, dass es sich nicht mehr in einer Sprache konsistent äußern kann, was der unbequemen Stimmung sehr zuträglich ist. Manchmal kommt das aber doch noch etwas steif daher, zum Beispiel wenn in „Abominaris“ die gleiche Zeile fachmännisch in allen verwendeten Sprachen wiederholt wird. Doch das ist wirklich eine der wenigen Stellen, in denen das den Hörern von den Ludwigsburgern so penetrant aufs Brot geschmiert wird. Apropos penetrant aufs Brot schmieren: Auch das Saxofon ist wieder mit von der Partie, beschränkt sich aber überwiegend auf die melodische Unterstreichung des Riffings, sei es durch Doppelungen oder Kontrapunktierungen. Als solches hat es endlich seinen Platz im Sound gefunden und erweckt nicht mehr den „Suddenly Saxofone!“-Eindruck, den man ja sonst generell gerne mal bekommt, wenn sich irgendwo im Metal ein Saxofon eingeschlichen hat.

MALADIE – die Krankheit wütet mehr denn je

Und mit diesem erneuerten Sound brechen MALADIE endlich aus dem selbst auferlegten Korsett des zwanghaften Andersseins heraus. „…of harm and salvation…“ klingt intuitiver, instinktiver und rauer, auch härter und atmosphärischer. Denn es bringt die avantgardistischen Neigungen der Band mit der Rohheit des Black Metal ergänzend zusammen und erzeugt so einen beeindruckenden Sog. Das Album packt seine Hörer noch souveräner als seine Vorgänger und zieht sie in einen finsteren Strudel hinein. Die Ludwigshafener haben ihre Nische endlich einschlägig definiert und dürften mit „…of harm and salvation…“ ihr reifstes Werk vorgelegt haben.

15.02.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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