Maladie - ...The Grand Aversion...

Review

MALADIE (frz. Krankheit) haben ihren verschrobenen Avantgarde-Black-Metal eigenmächtig ‘Plague Metal’ genannt und hätten diese Beschreibung für “…The Grand Aversion…” kaum treffender wählen können. Eigentlich meinen die Ludwigshafener damit akustischen Sadismus. Denn “…The Grand Aversion…” entzieht sich nahezu allem, was das konventionell gebildete Metal-Ohr für gewöhnlich unter ‘Musik’ versteht. Strukturen? Schwer zu finden. Zugänglichkeit? Absichtlich ausgeklammert. Melodien? Haha, wisch mir den Staub von den Füßen, du Prolet.

MALADIE – Für Risiken und Nebenwirkungen …

Dissonante Musik hat zweifelsohne Qualitäten, sonst würde vieles im Black Metal allgemein nicht funktionieren. MALADIE sind immerhin  seit elf Jahren und vier Full-Length-Alben am Start und haben sich dem Mainstream noch nie als Easy-Listening-Band angebiedert. Doch selbst im Vergleich zu den Vorgängerwerken ist “…The Grand Aversion…” ultraharter Tobak. Wessen musikalisches Verständnis bei Deutschrock im 4/4-Takt aufhört, würde MALADIE möglicherweise für die schlimmsten Stümper überhaupt halten, weil über weite Teile nichts an herkömmliche Muster oder greifbare Elemente erinnert.

Dabei ist schon klar, dass die sechs Rheinländer geübte Profis verfrickelter Diplom-Sounds sind und eine gewisse Zielgruppe ansprechen. “…The Grand Aversion…” ist jazzig-experimentelle Musik, die nicht selten von elektronischen Klangcollagen oder wilden Saxophon-Eruptionen heimgesucht wird. Speziell das wiederkehrende Saxophon dominiert den Charme von “…The Grand Aversion…” und verleiht ihm ein zuweil spannend urbanes Ambiente.

Dennoch ist es schwer, dem Wahnsinn von MALADIE zu folgen. Zum einen ist das Album mit über 70 Minuten schlicht zu lang, um die beabsichtigten Geistesabgründe wirken zu lassen. Mindestens 25 Minuten weniger hätten das Album ungleich intensiver wirken lassen können. Überdies funktionieren die ständigen Sprünge von musikalischen Motiven, die konsequenten Brüche von Texturen und Rhythmik nur, wenn sie gezielt eingesetzt werden. Ist einfach jeder Moment so ausgestaltet, verlieren sich die gewählten Stilmittel in Beliebigkeit bis Belanglosigkeit, die nicht verstören, sondern abstumpfen.

“…The Grand Aversion…” ist nur was für Hartgesottene

Kaputtis, die ihren Tag mit IMPERIAL TRIUMPHANT beginnen und sich abends mit PORTAL in den Albtraum wiegen, könnten mit dem neuen MALADIE-Output “…The Grand Aversion…” ziemlich glücklich werden. Zweifelsohne gibt es einen Markt für diese durchaus progressive Musik. Nicht ganz unberechtigt hat dieser aber eher Nischencharakter, denn solche Leute laufen auch Gefahr, einen Lars-von-Trier-Film auf einem Kindergeburtstag vorzuführen, um zu sehen, was passiert. It is art – but is it enjoyable?

22.11.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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