Melechesh - Emissaries

Review

„Emissaries“, das dritte Album der ursprünglichen Israeliten MELECHESH, kommt einem Kreuzzug gleich. So einer Art Kreuzzug jedenfalls, den sie seit Neuestem von Holland aus gegen die Dominanz westlich geprägten Black Metals führen. Ihr Ziel: eine Alternative zu bitterbösen, skandinavischen, satanischen und diversen anderen Spielarten des Black Metal zu bieten.

Wer nach über dreizehn Jahren noch immer nicht weiß, wie diese Alternative klingt: orientalisch, beschwingt-düster, höchst eigenständig und dabei wohltuend traditionell und antimodern im Soundgewand. Obwohl ihr neuer holländischer Drummer Xul die allseits bekannten Blastbeats und Doublebassteppiche aus dem FF beherrscht, setzen gerade die völlig untypischen Patterns, an die orientalischen Gitarrenparts angepasst, die echten Akzente. Wo sich der durchschnittliche Metaldrummer die Synapsen verknoten würde, läuft Xul zur Höchstform auf und entlockt seinem Kit Rhythmen, wie man sie in softerer Form nur aus der Weltmusik kennt – vertrackt, beinahe gelöst, aber immer treibend und außerordentlich tight.

Dazu zaubern die beiden Gitarristen exotische Harmonien, die mit Black Metal eigentlich nicht mehr viel zu tun haben, sondern als rockende Mischung aus Heavy, Thrash und derbem Gedresche durchgehen. Der Akzent liegt dabei immer auf dem Detail, auf der subtilen Dunkelheit in den Melodien, die bei mir immer eine unterschwellige Faszination auslöst, Vorstellungen von nach Zimt, Muskat und Tabak duftenden, verrauchten Hinterhofklausen im mittelalterlichen Jerusalem. Das unterstützen MELECHESH gekonnt und geschickt mit ihren mythologischen Texten, die sich eng an sumerischen, babylonischen – schlicht: mesopotamischen – Inhalten orientieren. Das treiben sie in dem beinahe rituellen „The Scribes Of Kur“ auf die Spitze, das rein instrumentell und unplugged angelegt ist und trotzdem beängstigender und bösartiger wirkt als jedes Keyboard-Zwischenstück. Da erhalten Tiamat und Apsu, die man als gemeiner Metaller ja nur als Bands kennt, auf einmal eine ganz andere Bedeutung…

Apropos Apsu – so vollkommen unähnlich sind MELECHESH, die sich bis vor wenigen Jahren den Drummer mit ABSU teilten, ihrer amerikanischen Bruderband nicht. Was ABSU für die keltische Mythologie sind, sind MELECHESH für die mesopotamische, musikalisch auf durchaus ähnlichem Niveau. Nicht vollkommen leicht verdaulich, aber gut zugänglich, eigenständig, wiedererkennbar, vielfältig, wohlüberlegt. Von stampfenden Midtempo-Riffs über bewegende, lange Gitarrenparts bis zu flirrenden Highspeed-Attacken bietet „Emissaries“ alles, was interessant ist und entwickelt selbst bei einer Spielzeit von fast einer Stunde keine Längen. Dafür sind die Songs zu geschickt arrangiert. Auch der druckvolle, natürliche, zeitlose und aufdringliche Sound hat seinen Anteil daran, dass dieses Album so schnell nicht langweilig wird.

Kurzum: ich bin erobert.

15.11.2006
Exit mobile version