Mercenary - 11 Dreams

Review

„Sehr verehrte Tierfreunde, heute wenden wir uns erneut der skandinavischen Elchpopulation zu. Während wir zuletzt die schwedischen Elks bei der Aufzucht ihrer Jungen beobachten durften, betrachten wir in dieser Sendung Nahrungserwerb und Revierverhalten der dänischen Tiere… oh, ich höre gerade, dass in Dänemark in freier Wildbahn gar keine Elche leben.“

Und während sich Heinz Sielmann die Birne von der Schultern wiegt, um den Kids den Unterschied zwischen Gehörn und Geweih beizubringen, erinnere ich mich an MEINE letzten Elks, die fähig waren, mich vollends zu überzeugen. Das waren auch Schweden … namens Chastisement.
Mal sehen, was die dänischen Zooelchbullen von Mercenary mit ihrem neuesten Output abgeliefert haben. Der erste Durchgang : Oha! Mächtig, mächtig! Die Produktion ist erste Sahne und eines echten Geweihträgers mehr als würdig. Druckvoll bei nicht nachlassender Transparenz. Dabei hat sich der ursprüngliche melodische Death/Thrash des Sextetts gegenüber den Vorgängerlangrillen und dem Großteil der internationalen Konkurrenz in andere Sphären bewegt. Wo die meisten Schwedenelche mit nachdrücklicher Vehemenz durchs Unterholz pflügen, haben wir es im vorliegenden Falle eher mit besonders kräftigen Antilopen zu tun, die flink durchs Dickicht hüpfen und einen wahren Freudentanz aufführen.
Facettenreich, hochmelodisch und an den meisten Stellen mit zunächst glänzenden Hooks symphonischen Charakters („Sharpen The Edges“) versehen, dringen die Songs ans Ohr; verbinden sie doch die scheinbar besten Momente von Herzschmerzhärtnern wie Soilwork („Firesoul“), In Flames und Nevermore („11 Dreams“) mit denen von typischen Todesbleiartisten und darüber hinaus mit klassischen Heavy und Power Metal Anleihen.

Vor allem der variable Gesang von Sandager, der nicht nur die genreüblichen Kreisch-Grunzparts mühelos meistert, sondern auch angenehm oft seine cleane Stimme einsetzt, ist ein dicker Pluspunkt für Mercenary. Abwechlungsreichtum ist ebenso Trumpf wie ausgefeiltes Zusammenspiel der Mucker.
Problem ist nur, dass ich mir die Scheibe oft angehört habe. Leute, das ist ein Fehler!
Während andere Silberlinge von Mal zu Mal besser werden und bei jedem Durchlauf an Überzeugungskraft gewinnen, nutzen sich die „11 Dreams“ langsam aber sicher ab. Nach der anfänglichen Begeisterung wird dann offenbar, dass eben NICHT die besten Momente der besagten Bands/Genres zusammengeschmiedet wurden. Ja, man kann sich ein Album auch langweilig hören … unglaublich, aber wahr. Nicht, dass es dadurch wirklich schlecht würde, aber die zündende Wirkung wie beim ersten Hören wird einfach nicht mehr erreicht. Da dringt der Geschmack von Aufgewärmten leider zu penetrant durch. Alle Widerhaken sind abgebrochen und die Songs flutschen jetzt einfach durch den Gehörgang… die symphonischen Passagen wirken seicht, die Riffs ausgelutscht und das Songwriting schlabberig wie ein Pullover ohne liebevolle Pflege mit Rei gegen Leierbündchen.

Da kann das wohl unvermeidliche Coverartwork von Niklas Sundin (scheint ja der einzige Künstler in Skandinavien zu sein, harr) auch nichts mehr reißen.

Mercenarys progressivere Labelkollegen Into Eternity aus Kanada schaffen es einfach, die Tracks dauerhaft interessant zu gestalten. Es mag auch daran liegen, dass die Nordamerikaner ein wenig aggressiver sind; die Dänen haben zu sehr auf Weichspüleranteile (siehe auch das Pop-Cover „Music Non Stop“) gesetzt. Tja, in Kanada leben ja auch noch freie Elche!!!

18.10.2004
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