Myrkur - Folkesange

Review

Irgendwie weiß man bei MYRKUR alias Amalie Bruun nie so ganz, woran man ist. Während sie auf ihrer ersten EP und dem Debüt-Album noch harschen Black Metal mit Folk kombinierte, kamen auf „Mareridt“ plötzlich Dark Pop-Elemente à la CHELSEA WOLFE hinzu, die passenderweise auch direkt als Gastmusikerin an Bord war. Wer nun allerdings dachte, dass es künftig in diese Richtung weiter geht, der hat Frau Bruun, die kürzlich zum ersten Mal Mutter geworden ist, gehörig unterschätzt. „Folkesange“ ist, wie der Name bereits nahelegt, ein reines Folk-Album skandinavischer Prägung geworden. Ein kühner oder einfach nur logischer Schachzug für Album Nummer drei? Antworten auf diese Frage findet Ihr übrigens auch in unserem Interview mit Amalie!

MYRKUR – Geht unter die Haut

„Ella“ konnte als erster Vorbote bereits viele begeistern, geht doch der Gesang noch stärker unter die Haut, als bislang bereits von MYRKUR gewohnt. Somit funktioniert der Song als Opener ganz hervorragend und offenbart auch bereits die vorzügliche Produktion, die einfach alles aus dem Songmaterial herauskitzelt. Kein Wunder, denn dafür zeichnet mit Christopher Juul von HEILUNG jemand verantwortlich, der nun wirklich weiß, wie authentischer Folk zu klingen hat.

Während in „Fager Som En Ros“ der Gesang sehr simpel daherkommt und das Stück dadurch ein wenig wie ein Interlude wirkt, ist mit „Leaves Of Yggdrasil“ bereits das nächste Highlight in Sicht – und was für eins. Trotz des englischen Gesangs wirkt die Nummer keineswegs wie ein Fremdkörper und gehört zum eingängigsten, was das Album zu bieten hat. Ja, zugegeben, „Leaves Of Yggdrasil“ klingt schon sehr nach ENYA mit ein wenig mehr Folk, ist mit seiner ätherischen Schönheit aber kaum noch aus dem Kopf zu bekommen.

Mit „Ramund“ und „Tor i Helheim“ bewegt sich „Folkesange“ dann deutlich stärker in Richtung des traditionellen skandinavischen Folks. Gewisse Parallelen zu Einar Selviks WARDRUNA sind durchaus auszumachen, was allerdings keineswegs störend wirkt. Das gilt im Übrigen auch für die wunderschöne schottische Ballade „House Carpenter“, die sich MYRKUR doch so zu eigen macht, dass auch sie wiederum perfekt in das große Ganze passt.

Die zweite Single „Gudernes Vilje“ kann dann ein letztes Ausrufezeichen setzen und glänzt, neben dem nach wie vor hochklassigen Gesang, vor allem durch seine Instrumentierung. Gerade der deutlich reduziertere Einsatz der sonst praktisch omnipräsenten Nyckelharpa läutet eine verträumte Reise ein, die im minimalistischen „Vinter“ einen stimmigen Abschluss findet.

Authentisch, kontrast- und abwechslungsreich – „Folkesange“

Eines ist „Folkesange“ in jedem Fall: Authentisch! Denn ja, genau hier zeigt sie sich: Jene Authentizität, die Kritiker Amalie Bruun gerade zu Beginn ihrer Karriere abgesprochen haben. Vom Cover Artwork bis zur musikalischen Umsetzung zeigt sich einfach, dass sich hier nicht nur Kindheitserinnerungen der Künstlerin widerspiegeln, sondern dies genau das Album ist, das sie zu diesem Zeitpunkt machen musste.

Natürlich gibt es auch Songs, die ein wenig belanglos sind, sich vielleicht ein wenig zu sehr im Lala-Gesang ergehen („Svea“, „Gammelkäring“). Diese bilden aber in aller Regel sehr gute Kontrapunkte zu den reichlich vorhandenen Volltreffern. Im Ergebnis ist „Folkesange“ ein enorm kontrastreiches und erstaunlich abwechslungsreiches Album geworden, auf dem Frau Bruun ihr hohes Qualitätslevel mindestens halten, wenn nicht gar noch ausbauen kann. Egal, ob es in diese Richtung weiter geht oder demnächst wieder ganz neue Töne angeschlagen werden – um die Zukunft von MYRKUR muss man sich wohl definitiv keine Sorgen machen.

26.03.2020

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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