Nevermore - Enemies Of Reality

Review

Es gibt eine Frage, die sich Ende 2000 garantiert viele Anhänger von NEVERMORE gestellt haben: „Ist es überhaupt möglich, diesen Hammer namens ‚Dead Heart In A Dead World‘ in seiner Perfektion noch zu toppen?“ Die Antwort ließ fast drei Jahre auf sich warten, hört auf den Namen „Enemies Of Reality“ und fällt folgendermaßen aus: Seattle’s Finest konnten ihren Vorgänger nicht überflügeln. Woran liegt das? Nun, gehen wir mal zurück in die Anfangstage dieser Band. Auf ihren ersten drei Longplayern wurde ihr eigenständiges Power Metal-Rezept von Release zu Release immer komplexer, progressiver und komplizierter, was im gefeierten Konzeptalbum „Dreaming Neon Black“ seinen Höhepunkt fand. Dessen Nachfolger „Dead Heart In A Dead World“ stellte dann den absolut perfekten Mix aus oben genannten Attributen, Eingängigkeit, thrashiger Härte und einer Produktion, die immer noch ihresgleichen sucht, dar. Anno 2003, auf ihrem mittlerweile fünften Full-Length-Album, tendieren NEVERMORE wieder verstärkter in Richtung „The Politics Of Ecstasy“ und „Dreaming Neon Black“, sprich die Songs sind wieder etwas schwerer zugänglich und weisen vertracktere Strukturen auf („I, Voyager“, „Create The Infinite“, „Who Decides“). Zudem ist der Sound – man wechselte aus Zeitgründen von Andy Sneap zu Kelly Gray – nicht ganz so wuchtig perfekt ausgefallen. Aber wer jetzt Angst bekommt, dass „Enemies Of Reality“ nur ein solides oder gar ein schlechtes Werk sei, der kann sich wieder beruhigt in seinen Sessel lehnen. Die vier Amis sind einfach zu begnadet, um songschreiberisch und musikalisch höchstes Niveau zu verlassen. Die stärkste Leistung vollbringt hierbei einmal mehr Ausnahmesänger Warrel Dane, was der Titeltrack oder die Gänsehaut-Halbballade „Tomorrow Turned Into Yesterday“ eindrucksvoll untermauern. Und NEVERMORE wären nicht NEVERMORE, wenn sie nicht erneut für ihre Fans ein paar kleine Überraschungen in den Stücken versteckt hätten. Während „Ambivalent“ rifft Jeff Loomis in bester Death Metal-Manier drauflos, wohingegen mit „Noumenon“ die psychotisch-abgründigsten viereinhalb Minuten der Bandgeschichte vertont wurden. Songs mit Hitcharakter a la „The River Dragon Has Come“ und „The Heart Collector“ oder der Intensität von „Engines Of Hate“ und „The Sound Of Silence“ sucht man auf „Enemies Of Reality“ zwar vergebens, aber die Konkurrenz stecken NEVERMORE in punkto Eigenständigkeit, Innovation und songwriterischer Klasse immer noch ganz locker in die Tasche. Pflichtkauf!

15.07.2003
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