

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Während die Ankündigung einer NEVERMORE-Reunion durch Jeff Loomis und Van Williams Anfang des Jahres bei einigen für geiferndes Sabbern, bei anderen für Stirnrunzeln sorgte – wie soll das ohne den zu früh verstorbenen Sänger und Poeten Warrel Dane überhaupt funktionieren? – sind sich sicher alle darüber einig, dass die Band aus Seattle seit nunmehr 14 Jahren schmerzlich vermisst wird. “Die beste Band, die jemals an Alkohol und Drogen kaputtgegangen ist”, werden die Mitglieder später urteilen und auch, wenn ihr spezieller, schwer zugänglicher Stil nicht von allen geliebt wurde, wurden NEVERMORE stets von der gesamten Szene respektiert. Die relativ kurze und turbulente Karriere nahm 1992 aus der Asche der Band SANCTUARY ihren Anfang.
Auf NEVERMORE lastete schon beim Debüt ein schweres Erbe …
Selbige haben zwei Jahre zuvor den allseits gefeierten US-Power-Metal-Klassiker “Into The Mirror Black” veröffentlicht, erodieren in der Folgezeit aufgrund unterschiedlicher kreativer Vorstellungen, Label-Erwartungen und ähm… Alkohol und Drogen nahezu vollständig. Aus der letzten SANCTUARY-Besetzung der Neunziger schließen sich Warrel Dane, Bassist Jim Sheppard und Live-Gitarrist Jeff Loomis zusammen und starten NEVERMORE. Letzterer gilt als blutjunges Wundertalent, der zu Zeiten von “Rust In Peace” den Job bei MEGADETH vielmehr aufgrund seines damaligen Alters, denn wegen seiner Fähigkeiten an der Gitarre nicht bekam, jedoch schon einige Erfahrungen im aufblühenden Death-Metal-Underground sammeln konnte. Seine hypnotischen, schrägen Riffs und virtuosen Soli bilden gemeinsam mit der schier wahnsinnigen Stimme und den verzweifelten Texten von Dane über Jahre die Trademarks der Band.
So begibt sich das Quartett hoch ambitioniert unter der Ägide von Produzent Neil Kernon in die Robert-Lang-Studios, um nach zwei Demos sein erstes Album aufzunehmen – schließlich musste der Qualität und dem Erfolg von “Into The Mirror Black” standgehalten werden. Einerseits hört man “Nevermore” die SANCTUARY-Vergangenheit in Songs wie dem schleppenden Opener “What Tomorrow Knows”, dem Groover “Garden Of Gray” oder dem thrashigen “C. B. F.” (steht für ‘Chrome Black Future’) noch deutlich an. Speziell im zuerst genannten Song, jedoch auch in “Sea Of Possibilities” und den beiden Schlusstracks “Timothy Leary” und “Godmoney” etablieren sich bereits die später so charakteristischen, psychotischen und harmoniefreien Gitarrenfiguren des Jeff Loomis.
Dadurch ist “Nevermore” ein interessantes Album, welches eine Art ‘Übergangsstatus’ innehat, da alle typischen Elemente von Klassikern wie “Dead Heart In A Dead World” oder “This Godless Endeavor” bereits in Ansätzen zu finden sind, aber noch nicht mit dem späteren Selbstvertrauen vorgetragen werden. Warrel Dane hingegen befindet sich in seiner stimmlich besten Phase und vereint Wut, Verzweiflung, Ohnmacht, Rausch und Reue zu einer außerweltlichen Performance mit konstantem Gänsehaut-Faktor. Einen schlechten Text hat der Sänger, der nur 56 Jahre alt wurde, sowieso nie geschrieben.
“Nevermore” – Beeindruckender Verweis auf spätere Großtaten
Ihre besten Alben hat die Band natürlich später veröffentlicht, dennoch ist ihr Debüt kaum einen Deut schlechter als die Klassiker der Chaostruppe. Besser als das nicht ganz so überragende Abschiedswerk “The Obsidian Conspiracy” ist “Nevermore” allemal. Zudem ist die Platte deutlich zugänglicher als die meisten Spätwerke, was sie vielleicht für diejenigen interessanter macht, denen “This Godless Endeavor” und Co. zu abgedreht sind – wobei sich die Frage aufdrängt, wer das eigentlich sein soll. Denn entweder ist man im Sog der Band oder hat etwas verpasst.
Nevermore hab ich leider viel zu spät für mich entdeckt. Irgendwie hat’s mich damals nicht erreicht …naja lieber spät als nie. Starkes Debüt, man merkt hier schon deutlich daß das nicht das Ende der Fahnenstange sein soll.