Pain Of Salvation - Panther

Review

Man kann sicher sein, dass sich Daniel Gildenlöw irgendetwas dabei gedacht haben muss, als er „Panther“ geschrieben hat. Das Exterieur des neuen PAIN OF SALVATION-Albums erweckt ja den Eindruck, als wäre es eine Art Noir-Fabel, die als draufgängerisch düstere Visual Novel dargeboten wird, komplett mit Merch in allen Farben und Formen. Und würden wir von manch anderer Band reden, wäre auch eine käsige Story mit jeder Menge billigem Eighties-Machismo, platter Action und eindimensionalen Charakteren mit jeweils genau einem, überzogen karikierten Persönlichkeitsmerkmal dabei heraus gekommen.

„Panther“ – ein Album von Außenseitern für Außenseiter?

Doch wer Daniel Gildenlöw kennt, riecht bereits mehrere Meilen gegen den Wind, dass dem „Panther“ ein tieferer, psychologischer und irgendwie auch wieder autobiografischer Sinn zugrunde liegt. Der Refrain des Titeltracks bringt des Pudels Kern zum Vorschein:

How does it feel to be you?
She once asked me
I said I feel like a panther
Trapped in a dog’s world

Es geht um die Rolle eines Außenseiters innerhalb einer Welt, die im Sinne des Narrativs von Hunden – der „Norm“ – und Panthern bevölkert ist. Dieser Umstand wird aus der Sicht eines Panthers geschildert, um Beispielsweise darzustellen, wie sich die Welt der Hunde viel zu langsam für die Panther bewegt, oder wie vermeintlich alltägliche Empfindungen deren Reize überfluten. Und das ist mit einer der größten Stärken des Albums: Wer dieses Gefühl kennt, in irgendeiner Form abseits der Norm zu existieren, wird sich zweifelsohne hierin wieder erkennen.

Der Waschzettel beschreibt die Band als durch den Weggang von Ragnar Zolberg aufgerüttelt, aber nicht ins Wanken gebracht. Dieser Einschnitt hat aber defintiv etwas mit dem Sound von PAIN OF SALVATION gemacht. War „In The Passing Light Of Day“ seiner gewichtigen Materie gemäß angemessen heavy und durchschlagskräftig, so kommt der „Panther“ verglichen damit geradezu samtpfotig und elegant daher geschlichen. Dennoch passt sich die Stimmung dem vom Coverartwork suggerierten Ton an. Das elfte Album der Band ist ein düsterer Trip mit großem Fokus auf Atmosphäre, die teils durch elektronisches Geflirre, teils auch durch subtil polyrhythmische Spielereien sehr dicht, geradezu hypnotisch gerät.

PAIN OF SALVATION setzen mehr auf Atmosphäre

Am besten gelingt das Gildenlöw und Co. auf „Unfuture“, das durch seine arschcoole, Bend-, Slide- und Delay-betonte Blues-Schlagseite und einem pedantisch aufgeräumten Sound so richtig schön geschmeidig über die Hirnwindungen gleitet. Dicht ran kommt in dieser Hinsicht noch „Species“, das – wiederum Blues-betont – mehr in eine Alternative-Kerbe schlägt. Gleichzeitig präsentiert sich Gildenlöw hier – zumindest was dieses Album angeht – von seiner souligsten Seite, was den Track zu einem hymnischen Highlight sowie – dank seiner vergleichsweise bodenständigen Natur – zu einem sicheren Earcatcher für Normies UND Panther macht.

Abseits davon gestaltet sich „Panther“ als vielseitig, experimentell und erstaunlich elektronisch. Der Opener „Accelerator“ jongliert beispielsweise mehrere Synthie-Layer herum und unterlegt diese mit einem nervösen, polyrhythmischen Beat, der ein bisschen so klingt, als würden MESHUGGAH versuchen, radiofreundlichen Alternative Rock zu spielen (und daran „scheitern“). Die elektronischen Sounds treten in „Restless Boy“ besonders prominent in Erscheinung und bestimmen einen Großteil des Klangbildes, zumindest solange bis der Song beinahe sporadisch in einen hektisch zuckelnden Rock-Beat – ja – ausartet.

Der subtile Ansatz zahlt sich aus – auch wenn auf Empfängerseite mehr Zeit aufgewandt werden muss

Die vielleicht größte und gewöhnungsbedürftigste Überraschung dürfte der Titeltrack sein, den man als Callback an „Scarsick“ ansehen kann. Das meint im wesentlichen eine deutlich emotionalere, experimentellere Variante des FAITH NO MORE-Crossovers, speziell zu „The Real Thing“-Zeiten. Sogar Mike Pattons bezeichnende Artikulation emuliert Gildenlöws Rap gekonnt, zumindest bis zur souligen Hook. Und das seltsamste daran: Nach einiger Eingewönungszeit funktioniert der Track ziemlich gut. Eine entsprechende Schonfrist muss man auch dem 13-minütigen Rausschmeißer „Icon“ einräumen, der die Platte mit einer Mixtur aus leicht in Noise-getränktem Rock und einladenden Art-Pop-Landschaften beschließt.

Klar: Neben dem dicken Ausrufezeichen „In The Passing Light Of Day“ sieht der „Panther“ auf dem ersten (und vielleicht noch dem zweiten) Hör ein bisschen klein und schmächtig aus. Man muss als Hörer wirklich auf ihn zukommen können, bekommt im Gegenzug aber ein hoch emotionales, stimmungsvolles und PAIN OF SALVATION-typisch feinsinnig arrangiertes Werk, das sich seinen eigenen, vor allem aber: eigensinnigen Weg durch die Betonwüste der modernen Gesellschaft und ihrer Normen bahnt. Wer einen Haustiger sein eigen nennt, kennt das: Erst vorsichtig schnuppern lassen, dann so langsam nimmt das Tier seinen Platz im Herzen ein. Denn am Ende sind auch „Panther“ nur Katzen. Große Katzen halt…

27.08.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version