Possessed - Revelations Of Oblivion

Review

Eigentlich verbergen sich hinter „Revelations Of Oblivion“ gleich zwei Sensationen: Zum einen natürlich ist es das erste Full-Length-Album von POSSESSED seit über 30 Jahren. Auch wenn die Band bereits lange Zeit vorher reaktiviert worden ist und sich um Bandgründer Jeff Becerra fast ein kleines All-Star-Lineup geschart hat, kam es erst 2017 zu einem Plattenvertrag bei Nuclear Blast und nun, 2019, endlich zur Veröffentlichung des besagten Albums. Die zweite Sensation hat mit dessen Qualität zu tun. Sicher haben die Herren auch den Vorteil, dass sie als Urväter des Death Metal einen anderen, deutlich ursprünglicheren Blick für die Dinge haben. Sprich: Ihr im positiven Sinne antiquierter Todesblei lässt einen faulig-frischen Wind im Genre wehen.

POSSESSED stecken die ganz alte Schule in ein neues Gewand

Dass POSSESSED sich natürlich qualitativ nicht lumpen lassen würden, ist Ehrensache; immerhin ist klar, dass alle Augen un Ohren auf eine Band gerichtet sein würden, die wahre Pioniersarbeit für ein mittlerweile ungemein breit gefächertes Genre geleistet hat, wenn diese nach so langer Zeit wieder in den Ring steigt. Und es wundert daher nicht. dass die Herren ihren Sound der alten Schule unter anderem aus ihren alten Einflüssen speist wie den früheren VENOM und MOTÖRHEAD. Es wird noch eine amtliche Portion Old-School Thrash hinzu addiert und dann geht sie ab, die Luzi. Naja, nicht ganz, vorher wird der Hörer noch durch den „Chant Of Oblivion“ begrüßt, einem symphonischen Intro, das zwar passt, das man aber auch nicht vermissen würde. Aber irgendeine moderne Trope musste die Band ja mitnehmen.

Zum Glück holzen sich POSSESSED beginnend mit dem folgenden „No More Room In Hell“ über den Rest des Albums herrlich durchs Geäst. Die Gitarren sägen sich markant aber nicht zu penetrant in die Gehörgänge hinein und zeugen von einer Produktion, die das klassische Songwriting in einem zeitgemäß klaren Gewand präsentiert und zu keiner Zeit übersteuert. Dass man dennoch deren infernatlische Wucht zu spüren bekommt, liegt an den hervorragenden Riffs, die sich teuflisch und präzise durch die Songs winden, dabei immer wieder an der Schwelle zum chaotischen entlang gleiten, ohne diese zu überschreiten. Es bleibt einprägsam und greifbar, vor allem aber eingenständig und im weiteren Verlauf enorm abwechslungsreich.

Die Abwechslung macht’s

Auch Jeff Becerras rauer Gesang trägt zur Eigenständigkeit bei, der seine Lemmy-Schlagseite kaum verleugnen kann, aber selbstredend natürlich mehr Aggression passend zum Klangbild mitbringt. Er arbeitet sich dabei mehr schimpfend denn singend durch die Songs. Doch wenn er wie in „Dominion“ immer wieder kleinere Gesangsmelodien anklingen lässt, zeigt sich, wie gut hier alles aufeinander abgestimmt ist. Dieses in sich stimmige Gesamtbild offenbart sich auch in komplexeren Stücken wie „Demon“, das die Intensität der Thrash-Kante unter anderem durch das Tempo durchweg variiert. Unterdessen gerät „Shadowcult“ fast ein bisschen hymnisch und nimmt dabei noch eine Nase neuerer OVERKILL mit.

Dem Titel gemäß kommt „Omen“ förmlich ominös daher mit den wohl melodischsten Gesangslinien Becerras in der Hook, die passend zum unheilvollen Ton des Songs eine düstere Stimmung verbreiten. Regelrecht atmosphärisch dank sakral anmutender Synthesizer wird es in der Hook von „Ritual“, dem ansonsten vielleicht heaviesten Track der Platte. Fast ein bisschen in klassischem, skandinavischen Melodic Death Metal wildert „The Word“, während „Graven“ den Härtegrad dank heftigen Geknüppels noch einmal ordentlich anzieht. Mit dem Outro „Temple Of Samael“ klingt die Platte dann hiernach ruhig, aber nicht minder sinister aus und beschließt ein fulminantes Comeback.

Auf „Revelations Of Oblivion“ steppt der Teufel

POSSESSED platzieren sich selbst mit „Revelations Of Oblivion“ ziemlich weit vorne, klingen dabei trotz ihrer Ursprünglichkeit frisch und unverbraucht. Ihr Death Thrash klingt angesichts der Entwicklung, die vor allem der Todesblei seit den Achtzigern durchlaufen hat, eigenständig und hat nichts von seiner Relevanz verloren. Möglicherweise haben die US-Amerikaner hier vielleicht auch einfach nur den goldrichtigen Zeitpunkt getroffen, um ihr Comeback auf Silber zu bannen, und profitieren davon nun im vollen Maße. So oder so knallt „Revelations Of Oblivion“ aber genau richtig – subtil genug, um die Textur und das unglaublich präzise Handwerk hierhinter erkennen zu lassen, und doch zupackend und infernalisch, dass der Teufel wie der Bär steppt und sich dabei ein zweites Loch in den Arsch freut.

Dass das Coverartwork übrigens entfernt an GHOST denken lässt, kommt nicht von ungefähr. Hier war Zbigniew Bielak am Werk, der schon für die Schweden gezeichnet hat. Das aber nur so am Rande…

09.05.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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