Protest The Hero - Volition

Review

Die zehn Punkte für PROTEST THE HEROS letztes Werk „Scurillous“ sind auch aus heutiger Sicht noch vollkommen gerechtfertigt, weil die Kanadier mit besagtem Album einen Meilenstein des modernen progressiven Metal fabriziert haben. Eine Vorlage, an der sich auch schon größere Bands die Zähne ausgebissen haben, wenn es darum ging, mit dem Nachfolger zumindest nicht vollkommen baden zu gehen. Die Bedenken (sofern es sie gab) sind aber weitestgehend unberechtigt. „Volition“, das die Band durch Crowdfunding mit überragendem Erfolg finanziert hat, ist ein würdiger Nachfolger des übergroßen Vorgängers. Auch unter Berücksichtigung des ausbleibenden Überraschungseffekts und obwohl die Band im wesentlichen exakt am etablierten Stil festhält, ist auch „Volition“ eine Demonstration grandiosen Songwritings, dessen technischer Anspruch mit einer gewissen Flegelhaftigkeit konkurriert, vor allem dann, wenn Rody Walker seine Melodien scheinbar willkürlich über das komplexe instrumentale Fundament legt.

LAMB OF GOD-Drummer Chris Adler, der für die Aufnahmen mal eben aushalf, ist einer von vielleicht zehn Schlagzeugern auf der Welt, die überhaupt als Option in Frage kommen. Wie viele andere kann man mal eben ins Studio einladen und davon ausgehen, dass sie die Songs einer Band wie PROTEST THE HERO sozusagen im vorbei gehen einspielen? Eben. Sein Drumming auf „Volition“ ist von den Anlagen her typisch, klingt aber anders als bei seiner Stammband, was sicherlich vor Allem auf den unterschiedlichen produktionstechnischen Ansatz zurückzuführen ist. Der instrumentale Unterbau ist auch weiterhin der einer Progressive Metal-Band, wobei wir hier von technisch versierten Künstlern wie WATCHTOWER oder diversen Death Metal-Bands sprechen. Dass „Volition“ kein Death Metal-Album ist, liegt auf der Hand, der vor Allem das melodische Element der Musik extrem vom Gesang getragen wird. Rody verwendet diesmal wieder öfter einige Screams und Growls als zuvor, was er sich für meinen Geschmack durchaus hätte sparen können, ansonsten regiert hier aber wieder der ADHS-Hookline-Overkill, der den Zugang zum komplexen Material nach dem ersten Hören sozusagen unmöglich macht.

Die typische PROTEST THE HERO-Songwriting-Formel zieht sich wie ein roter Faden durch die neue Abfahrt: Parts, die bei anderen Bands als Refrains drei- oder viermal pro Song auftauchen, tauchen hier zum Ende hin oder vielleicht mal in der Mitte auf, wer sie nochmal hören will, muss sich den Song nochmal anhören. Zwar gibt es bei einigen Nummern Ansätze von konventionellem Songwriting. „Mist“ zu Beispiel ist zu Beginn einer sehr eingängige Nummer, an deren nachvollziehbarer Struktur man sich zunächst orientieren kann, gibt aber zum Ende hin ebenso Gas wie alle anderen der elf Songs. Die Anzahl der instrumentalen Prog-Abfahrten innerhalb der Songs wurde etwas erhöht, was es vielleicht ein wenig einfacher macht, zu dem vorher allgegenwärtigen melodischen Gesang von Rody ein wenig zu distanzieren.

Wie viel Sinn es macht, bei einem solchen Album mal eben vorab in „ein paar Songs reinzuhören“ sei dahingestellt, aber nur, wenn man die Aggression von „A Life Embosed“, die melodische Eleganz bei „Mist“, die epische Ausrichtung der Schlussnummer „Skies“ oder die wilde, auf den ersten Hör vollkommen undurchdringliche Übergschnapptheit von „Without Prejudice“ gehört hat, weiß man, wie vielseitig „Volition“ wirklich ist. Ohne die ganz großen Gänsehautmomente von „Scurillous“ ist das Album vielleicht einen klitzkleinen Deut schwächer als besagte Messlatte. Eine vollkommen eigenständige, faszinierende und in ihrer eigenen kleinen Welt bisher nicht zu toppende Band sind PROTEST THE HERO aber immer noch.

01.11.2013
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