Psychotic Waltz - The God-Shaped Void

Review

Das hat gedauert: Obwohl PSYCHOTIC WALTZ bereits 2010 wieder zusammen gefunden haben und zumindest live wieder aktiv wurden, haben sie sich noch mal zehn Jahre Zeit gelassen, ehe nun das lang ersehnte, neue Album „The God-Shaped Void“ herauskommt. Dass vor allem Fronter, Sänger und Querflötist Devon Graves a.k.a. Buddy Lackey keineswegs untätig war, dürfte Fans der Band nicht entgangen sein. Projekte wie DEADSOUL TRIBE und THE SHADOW THEORY haben den Herrn in der Zwischenzeit auf Trab gehalten und als feste Marke auf der musikalischen Landkarte platziert, auch in der Abwesenheit von PSYCHOTIC WALTZ.

Die lang erwartete Rückkehr von PSYCHOTIC WALTZ

Deren Rückkehr – vor allem im Original-Lineup – hat natürlich für weitreichende Verzückung in der Szene gesorgt, weshalb die Wartezeit auf „The God-Shaped Void“ die Erwartungen in die Höhe haben schießen lassen. Wie so oft bei solchen Rückkehrern steht die Frage im Raum, wie sie nun heuer klingen werden. Das ist bei den US-amerikanischen Prog-Metal-Urgesteinen tatsächlich eine interessante Frage, denn ihre vier bislang veröffentlichten Studioalben unterscheiden sich doch recht deutlich voneinander, vom bisweilen brachialen Full-Length-Debüt „A Social Grace“ über das andersweltliche Meisterstück „Into The Everflow“ und dem Fan-Zankapfel „Mosquito“ hin zu „Bleeding“, in dem sie ihren unwirklich-spacigen Sound etwas geradliniger in Szene setzte.

Wie klingt eine solche Band also, die nach 24 Jahren ihr erstes, neues Album veröffentlicht? Nun, das Schöne an „The God-Shaped Void“ ist, dass die Platte so klingt, als hätte sie unmittelbar auf dem Fuße von „Bleeding“ folgen und bandtypisch auf dessen Grundlage aufbauen können, diese aber selbstredend nicht stumpf wiederholen würde. Das Klischee von der Band, die nach so langer Zeit immer noch nach sich selbst klingt und sich trotzdem weiterentwickelt, bewahrheitet sich hier also. Es beherbergt die gute Qualitäten von „Bleeding“, die seltsame Atmosphäre und spacige Psychedelik, steckt diese aber in einen moderneren Sound, der die Songs mit ordentlich Heaviness und Groove nach vorne treibt.

„The God-Shaped Void“ enthält die alte Magie

In Sachen Songwriting wandeln PSYCHOTIC WALTZ trotz diesem neugefundenen Sinn für die Moderne immer noch in diesen seltsamen, unwirklich anmutenden Gefilden. Das Wechselspiel zwischen organischer und verzerrter Instrumentierung beherrschen die US-Amerikaner nach wie vor im Schlaf und fördern mit diesem magische Momente der Marke „The Fallen“ zu Tage. Dessen akustische Gitarren zu Beginn im Zusammenspiel mit Graves‘ klagendem, durch Hall- und Umkehr-Effekte verstärktem Gesang sorgen für wahres Gänsehautfeeling, während die später unter härterer Instrumentierung einsetzende Hook hält, was der immense Spannungsaufbau des Tracks verspricht.

Auch die etwas druckvolleren Tracks haben diese Magie inne, transportiert entweder durch mehrstimmige Gesangsarrangements wie „Back To Black“, durch eine einfache, aber große und effektive Hook wie in „Sisters Of The Dawn“ oder eben durch die stimmungsvolle und melodische Gitarrenarbeit wie in „Demystified“, vor allem in dessen Hook. Synthesizer arbeiten der Sitmmung ebenfalls stets zu und werden filigran unter die Songs gelegt, was ihnen entweder eine gewisse Mystik verleiht wie im Opener „Devils And Angels“ oder sie teilweise wie schwerelos im Raum gleitend klingen lässt, schön in der zweiten Hälfte von „Sisters Of The Dawn“ zu hören.

Mit dem richtigen Gespür in die Moderne

Auch in klangästhetischer Sicht stimmt alles. Hier hat Jens Bogren an den Reglern ganze Arbeit geleistet, um den Sound der US-Amerikaner druckvoll und raumgreifend, zugleich aber klar und frisch klingen zu lassen. Sprich: Trotz zum Teil massiven und drückenden Riffs sind die filigranen, mehrstimmigen Spielereien des Gitarrengespanns Dan Rock/Brian McAlpin jederzeit gut herausgearbeitet. Auch sind Graves‘ Flötensoli gut in den Vordergrund gemischt, um nicht unterzugehen, den Sound zugleich aber auch nicht zu überlagern. Ein Beispiel von beidem ist vor allem in „Pull The String“ zu beobachten, das durch seine schwer schürfenden Riffs lebt, ohne den Spielereien die Luft zu rauben.

Valentinstag 2020 ist dieses Jahr ein besonderer Tag. Und wer noch kein Date hat, sollte jetzt eines mit PSYCHOTIC WALTZ haben. „The God-Shaped Void“ ist genau das Album, das man von einer derartigen Größe erwarten konnte. Es kehrt zwar nicht zu den zerebralen Höhen der ersten beiden Platten zurück, zeigt die Band aber dennoch in technischer wie songschreiberischer Höchstform mit einem Album, das die alte Magie ins Hier und Jetzt transportiert, ohne sie zu verfälschen oder weich zu spülen. Diesen psychedelischen Walzer sollte man sich nicht entgehen lassen. Und bei der Gelegenheit sollten Hörer, die mit der Band nicht vertraut sind, schleunigst diese Bildungslücke schließen…

14.02.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version