Replicant - Infinite Mortality

Review

Es gibt allein in den Vereinigten Staaten wohl eine ganze Handvoll Musiker und Bands, die auf den Namen REPLICANT hören – genug immerhin, dass die Metal Archives hier einen einschlägigen Verweis darauf machen mussten. Uns interessiert zuvorderst das unter diesem Namen firmierende Trio aus New Jersey, das mit dem dritten Album „Infinite Mortality“ aus der Reserve kommt. Der Vorgänger „Malignant Reality“ hat eine beachtliche Furche durch den Todesblei-Underground gezogen mit einem brutalen, ultraschweren Death Metal, der die Hirnwindungen im gleichen Arbeitsgang durchknetet und in alle Himmelsrichtungen verteilt.

Ein heißer Feger zwischen Brutalität und Progressivität?

Mit volatilen Grooves wird ein amtlicher Druck aufgebaut, während die Saitenfraktion traditionelle und moderne Motive zu einem biestigen Ungeheuer zusammenstückelt. Dadurch entsteht ein unvorhersehbarer Sound, der alles andere als eingängig ist, sich aber gleichzeitig dank zünftiger Grooves vor zu abstrakten Songbauten hütet. Wie hart und fies diese Mische ins Gesicht drücken kann, zeigten Songs wie „Excess Womb“. Angesichts der positiven Presse, die „Malignant Reality“ zeitlebens erfuhr, erscheint es logisch, dass „Infinite Mortality“ in die gleiche Kerbe schlagen würde. Sprich: Es gibt brutalen Death mit Brainmelter-Faktor, eine explosive Mische aus DYING FETUS und GORGUTS.

Das neue Album klingt in dieser Hinsicht also sehr vertraut, was im Falle von derart labyrinthartiger Musik jedoch glücklicherweise nichts Schlechtes sein muss, da die Hörerschaft immer noch in einen komplexen Irrgarten geführt wird. Der Opener „Acid Mirror“ legt die Karten auf den Tisch und präsentiert sich mit einem zum Großteil konsistenten Groove unter einigen Tempo-Variationen hier und da. Die Riffs erledigen dagegen die Arbeit, um das Dargebotene mit bizarren Harmonien, Dissonanzen und oszillierenden Linien zu füllen, wenn sie nicht gerade mit tonnenschweren Palm Mutes in die Fresse drücken. Einfach herrlich.

REPLICANT laden in ihr Death-Metal-Labyrinth ein

Der ausklingende Beat des Openers wird vom Folgetrack „Shrine To The Incomprehensible“ sogleich als Steilvorlage genutzt in einem sagenhaft geschmeidigen Übergang. Zwar bleibt er im Rahmen der Gesamtspielzeit von „Infinite Mortality“ der einzige seiner Art auf weiter Flur, bohrt sich aber als einer der denkwürdigeren Momente dieses ohnehin hochkarätigen Releases nachhaltig in die Gehörgänge hinein. Er ist auch sinnbildlich für die große Stärke der Band, dass sie bei allen Dissonanzen, bei aller Unkonventionalität und bei all den technischen Kniffen doch jederzeit heavy as fvck klingen und die Übergänge zwischen Motiven und Riffs immer nachvollziehbar halten.

Highlights findet man daher weniger in Form von eingängigen Songs und mehr in Form von Sequenzen, die sich nachhaltig ins Mark schneiden. „Reciprocal Abandonment“ endet beispielsweise mit einem der heftigsten Grooves des Albums. Das kongenial betitelte „Nekrotunnel“ enthält einige der treibenderen Blastbeats der Platte, die durch die wuselfreudigen aber keinesfalls masturbativen Riffs angemessen nach vorne gebracht werden. Es enthält auch um die Halbzeitmarke herum einen Part, der aufzeigt, wie großartig die Produktion ist. Die räumt nämlich trotz tiefenlastigen, modernen Drucks ordentlich Platz ein für den Bass, was REPLICANT auch in einer kurzen Passage effektiv ausnutzen, in der sich der Bass für ein paar Takte zurückzieht.

Der Gang in den Irrgarten lohnt sich für aufmerksame Hörer definitiv

Bei solchen Alben muss man als Hörer immer voll bei der Sache bleiben. Ein beiläufiges Weghören erlaubt „Infinite Mortality“ kaum, es fordert die intensivere Beschäftigung förmlich ein. Mit 44 Minuten kratzt die Länge gegebenenfalls etwas an der Schmerzgrenze, aber zum Glück verschwenden REPLICANT kaum einen Moment an Mittelmäßigkeit. Dass „Infinite Mortality“ klanglich so nahtlos an „Malignant Reality“ aufschließt und dabei vielleicht nur ein bisschen gediegener klingt, kann man eventuell als Schwäche auffassen, wenn man denn unbedingt möchte. Aber wie bereits erwähnt: Solch verschlungene, geschmackvoll bizarre Klänge verlieren ihren Reiz nicht so schnell. Insofern sei’s ihnen verziehen: „Infinite Mortality“ ist den (Irr-)Gang ins Labyrinth allemal wert.

05.04.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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