Shape Of Despair - Angels Of Distress

Review

Im Jahre 2000 gelang der finnischen Formation Shape of Despair mit ihrem eindrucksvollen Debüt „Shades of…“ die Aufnahme in den Pantheon der Funeral-Doom-Götter, deren schwer zugängliche Altäre in Zeiten der Anbetung massentauglicher Gottheiten heute nurmehr von einer kleinen, aber engagierten Schar Gläubiger besucht werden. Auf dem hier besprochenen Nachfolger „Angels of Distress“ (2001) zeichnen Shape of Despair das Bild einer gefrorenen Einöde und bedienen sich hierzu bewährter, aber im Zusammenspiel unglaublich wirkungsvoller Mittel: abgrundtiefe Growls (nicht wiederzuerkennen: Amorphis-Sänger Pasi Koskinen (!), der wie Jan-Chris De Koeyer (zu „False“-Zeiten) in Zeitlupe klingt), eine gläsern-zerbrechlich wirkende Frauenstimme, ultralangsamer Schlagzeugrhythmus, meterdicke Gitarrenwälle, sphärisch-entrückte Keyboards und wehmütige Violinenklänge. Die dem Funeral Doom bisweilen vorgeworfene Eintönigkeit sucht man auf diesem Album jedoch vergebens, was vor allem auf die melancholischen Melodiebögen der Violine und die sich ständig verändernde Songdichte zurückzuführen ist. Intensiv instrumentierte, bedrückend wirkende Passagen wechseln sich kontinuierlich mit erhabene Stille und Weite suggerierenden Keyboardflächen ab, wodurch die Spannung über die gesamte Spiellänge hindurch aufrechterhalten wird. Der Opener „Fallen“ und der Titelsong lassen vor dem geistigen Auge eine sich bis zum Horizont erstreckende Eislandschaft vorüberziehen, untermalt von der kühlen Anmut der weiblichen Gesangsstimme, die ohne Textunterlegung wie ein zusätzliches Instrument wirkt, ehe tonnenschwere Riffs und gedoppelte, mit Effekten versehene Growls die Unwirtlichkeit, aber auch die majestätische Würde der Szenerie hör-, ja beinahe greifbar machen. Das anschließende (fast 15 Min. lange) „Quiet these paintings are“ ist der traurigste Song und das definitive Highlight der Platte. Nach einem Keyboard-Piano-Intro, das in dieser Form auch auf dem Summoning-Album „Dol Guldur“ hätte stehen können, folgt ein von einer klagenden Violine begleiteter Trauermarsch, der gegen Ende hin immer wieder von sphärischen Synths und einer subtilen Leadgitarren-Melodie durchsetzt ist. Der vierte (und mit über 17 Min. längste) Song „… To live for my death…“ ist ein sehnsuchtsvolles Stück mit einem kurzen Duett des Sängers (der hier für einen Augenblick seine klare Stimme zeigt, ehe er wieder in Growl-Gefilde abtaucht) und der Sängerin (die nur an dieser Stelle zu einem Text singt). Nach mehrmaligem Genuss gelingt es insbesondere diesem schleppenden Song, den Hörer in einem tranceartigen Zustand zurückzulassen. Den Abschluss des Albums bildet das Instrumental „Night’s dew“ mit einem ständigen Wechselspiel aus langsamen Keyboard-Passagen und (für Doom-Verhältnisse) schnellen, fast groovenden Gitarren. „Angels of Distress“ ist ein überragendes Meisterwerk des Funeral Doom, das mit jedem Durchlauf weitere Nuancen seiner Atmosphäre freigibt und Liebhabern dieser Musik immer mehr ans Herz wächst. Mit dieser Scheibe hat sich Shape of Despair seinen Platz neben den finnischen Doom-Göttern Skepticism, Thergothon und Unholy bzw. inmitten der heute noch existierenden Bands dieser Musikrichtung (z.B. Evoken) endgültig gesichert. Für Funeral-Doom-Fans ein Muss!

13.09.2002
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