Spectral Voice - Sparagmos

Review

SPECTRAL VOICE sind in den letzten Jahren nie ganz verschwunden, haben sich aber rar gemacht. Mit „Sparagmos“ erscheint jetzt nach einigen Split-EPs der Nachfolger zu „Eroded Corridors of Unbeing“ aus dem Jahr 2017. Wieder begibt sich die Band aus Denver in die tiefsten Abgründe und dunkelsten Verliese. Dabei erschafft sie einen wunderbaren Alptraum, der sich aus den finstersten Ecken von Death-, Doom- und Black Metal speist.

Der Albumtitel „Sparagmos“ verweist auf ein gleichnamiges Ritual, bei welchem dem tierischen oder menschlichen Opfer bei lebendigem Leibe die Gliedmaßen ausgerissen werden. Derartig quälen uns SPECTRAL VOICE nicht, aber dennoch hat das Album eine zutiefst beunruhigende Wirkung. Die Riffs schleppen sich mit verwehter Leichtigkeit, aber auch tonnenschwer stampfend durch die Songs. Begleitet werden sie von leicht hallenden, krächzenden Vocals, aufgebrochen werden sie gelegentlich durch rasende Drums. Die Produktion schiebt die Becken und einige Gitarrenspuren manchmal zu sehr in den Hintergrund ist aber ansonsten tadellos gelungen und erzeugt einen vollen, leicht wabernden Sound, der aufwühlende Spitzen setzt.

„Sparagmos“ ist ein vertonter Rausch des Todes

„Be Cadaver“ ist der Titel des Openers und ruft erschreckend effizient die eigene Vergänglichkeit und Machtlosigkeit angesichts des Todes in Erinnerung. „Red Feasts Condensed into One“ verdeutlicht das folgende Ritual, nimmt sich in der Mitte Zeit um mit Ambient-Klängen eine entsprechend sakrale Stimmung zu erzeugen. „Sinew Censer“ steigert sich in einen ekstatischen Rausch, bei dem die Grenzen zwischen Ritualopfer und Kultgemeinschaft verschwimmen. Mit „Death’s Knell Rings in Eternity“ endet das Album schließlich in einer bedrückenden Funeral-Doom-Nummer, die klar macht, dass jeder Rausch einmal endet und das bittere Ende uns allen bevorsteht.

Damit ist „Sparagmos“ auch auf den Punkt gebracht. Der Langspieler bietet keine Lösung sondern höchstens einen kurzen Moment der Katharsis. Diesem Anspruch, der an jedes Album aus dem Death-Doom-Kosmos gestellt werden darf, werden SPECTRAL VOICE auf grandiose Weise gerecht. Die Band kann zwar ohne Zweifel mit anderen Genre-Größen wie DISEMBOWELMENT oder EVOKEN verglichen werden, erweitert in ihrem Klangbild den musikalischen Nihilismus aber um eine mystische Ebene.

SPECTRAL VOICE sind inzwischen Meister ihres Genres

Würden SPECTRAL VOICE Filme drehen, würde man diesen vermutlich bescheinigen, besonders realitätsnah und fast schon dokumentarisch zu sein. Denn „Sparagmos“ klingt beinahe erschreckend real und einnehmend. Dies ist auch dem Umstand zu verdanken, dass die Band sich nicht mit gleichförmigen Songs begnügt, die auf hypnotisierende Wiederholungen setzen, sondern dank abwechslungsreichem Songwriting und geschickt platziertem Ritual-Ambiente eine starke Sogwirkung erzeugt.

An ganz wenigen Stellen verliert das Quartett den Faden und bietet mit „Death’s Knell Rings in Eternity“ lediglich einen sehr guten und keinen großartigen Rausschmeißer. Ansonsten würde es hier die volle Punktzahl geben. Nichtsdestotrotz demonstrieren SPECTRAL VOICE, dass ihr äußerst gelungenes Debüt kein glücklicher Einzelfall war und sie dieses Niveau locker halten können. Diese Band hat es geschafft, eigenständige Referenzwerke des Genres zu schaffen, die trotz aller erschlagenden Finsternis süchtig machen.

05.02.2024
Exit mobile version