System Of A Down - Mezmerize

Review

Das ist er, Teil 1 des Nachfolgers des wie eine Bombe eingeschlagenen Albums „Toxicity“. Lange, lange haben sich SYSTEM OF A DOWN Zeit genommen – vier Jahre. Und was ist dabei herausgekommen? Nun, man stelle sich vor, man hat einen Porsche Turbo und einen rostigen Skoda vor der Haustür stehen und bekommt den Auftrag ein Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings zu gewinnen. Normalweise fällt die Entscheidung sehr einfach, doch System Of A Down steigen zielstrebig in den Skoda ein. Warum? Ich weiß es nicht.

Die Armenier haben einen Sänger in der Band, den sehr viele andere Bands auf der Welt gerne hätten, voll Neid um seine variable, seine emotionale, seine druckvolle…seine geniale Stimme. Sich diesem Luxus wohl nicht richtig bewusst, dringt Gitarrist Daron Malakian bei „Mezmerize“ viel zu stark in dessen Hoheitsgebiet ein. Er überlässt Sänger Serj Tankian im Ganzen entweder die auf diesem Album sehr schnell geratenen Schnellsprechpassagen oder die Stellen, in denen seine Stimme zu dünn wird. Zumindest aber lässt er ihn durch die Duett-Passagen nicht mehr aus den Augen. Wer will es ihm verdenken? Er hat alle Songs geschrieben, er hat bei allen Texten mitgeschrieben und er hat das Album zusammen mit Rick Rubin produziert. Doch zu kritisieren ist es allemal.

Während auf dem ersten Album die Gitarren das Klangbild bzgl. der Härte dominierten, machten auf „Toxicity“ die Drums deutlich stärker von sich reden. „Mezmerize“ prägen mehr als sonst üblich Melodiestrukturen. Einzig „Cigaro“, das ein wenig an „Prison Song“ erinnert, bildet den Eckpfeiler auf dem einen Extrem (leider das einzige Mal, wo Serj stimmlich aus der Haut fährt), welchem auf der anderen Seite die gelungene Ballade „Lost In Hollywood“ gegenübersteht, die noch besser wäre, wenn Serj den Gesang komplett übernommen hätte. Dazwischen liegen auffällig viele Songs, zu denen man nicht mehr bangen/moshen kann. Stattdessen wäre zu „Revenga“ eher der Polkatanz und zu „Radio/Video“ der Sirtaki angebracht – Volkstanzmusik gepaart mit Gitarren, aber melodisch sehr gelungen. Jedoch münden in die meist flinken Strophen zu oft mehrstimmige, langgezogene Refrains, die nicht selten zu überzogen und in der Menge zu aufdringlich wirken. Deutlich wird der Kontrast im starken „Sad Statue“, was auf der einen Seite treibende Riffs und ein sehr dynamisches Schlagzeug zulässt, auf der anderen Seite den (oft typisch seichten) Chorus länger zieht als den Käse beim Essen einer amerikanischen Pizza – trotzdem lecker. Etwas ganz anderes hat sich Daron in „Old School Hollywood“ zugetraut, fließen zum schnellen Riff unerwartet elektronische Elemente mit ein – so von System Of A Down noch nie gehört, doch sehr überzeugend. À propos „nie gehört“: Bassist Shavo Odadjian findet auf diesem Album nicht statt.

Der weitere Schritt zur Massentauglichkeit (Hilfe, das Gespenst geht wieder um) war durchaus vorauszusehen. Daron hat bewiesen, dass er für Neues aufgeschlossen ist, trotzdem wurde der Wiedererkennungswert der Band beibehalten. Ein zweites „Toxicity“ hätte wohl auch nicht funktioniert. Die poppigen Elemente, z.B. im Refrain zu „B.Y.O.B.“, tragen dazu bei, den kritischen Text mit einer gewissen Ironie zu unterstreichen, hier ein kräftiger Tritt in den Arsch gewisser Kriegstreiber auf dieser Welt. Ohnehin nimmt die Band, wie gewohnt, kein Blatt vor den Mund, sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Doch ist dieser Aspekt der bissigste auf „Mezmerize“, während der musikalische Teil gut, sehr schnell eingängig, aber selten zwingend auftritt. Es ist kein durchschlagendes „Suite-Pee“, kein „War?“, kein „Deer Dance“ und auch kein „Chop Suey“ wiederzufinden. Hier hätte man sich nach vier Jahren Entwicklungszeit etwas mehr erhofft. Zudem sollte sich jeder beim Kauf fragen: Wenn im Vorfeld so viele Songs entstanden sind, warum reicht es dann zu einem Pseudo-Doppelalbum, aber nur zu lächerlichen 36 Minuten – inkl. Intro – auf „Mezmerize“? My cock is much bigger than yours. Knappe 8 Punkte.

15.05.2005
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