Tenhi - Valkama

Review

TENHI veröffentlichen nach fast zwölf Jahren mit “Valkama” endlich ihr neues Studioalbum, und fast könnte man denken, sie hätten sich zwischenzeitlich verloren. Der Schaffensprozess zog sich jedenfalls fast acht Jahre hin, seitdem wurde das ursprüngliche lyrische Konzept verworfen, das vorsah, eine “Erzählung einer märchenhaft gemeinten Reise in ein brennendes, vom Krieg zerrüttetes Dorf und der Überfahrt dunkle Gewässer zu einer Insel der Toten” zu liefern, wie es im Promotext heißt. Als sich jedoch die Geschichte immer mehr mit der Wirklichkeit überschnitt, überdachten die Finnen ihr ursprüngliches Konzept und schrieben den Großteil ihrer Songs und Texte neu.

TENHI brauchen Zeit

“Valkama” beschreibt immer noch die Reise ins Jenseits, nur ist die Fahrt dorthin friedlicher, harmonischer, lichter. Gegenüber dem Vorgänger “Saivo” ist “Valkama” dabei wieder mehr songorientiert. Was sich beide Alben teilen, ist die textliche Reise in die Anderwelt: “Saivo” ist ja der Name eines der Totenreiche der Sami, diesmal ist es die Toteninsel Verisurma aus dem finnischen Volksglauben.

Im Zusammenspiel mit dem sehr stimmungsvollen Coverartwork, wo ein Totenschiff in einen See einsinkt, stellen sich beim langen Opener “Saattue” bald Bilder vor dem geistigen Auge ein: Der Song verbindet Akustikgitarren, dezente Chöre und den sanften und doch sehr nahen Gesang von Tyko Saarikko, später setzen noch Schlagzeug und Klavier ein – eine Kombination zwischen Melancholie und Schönheit, Trauer und Hoffnung. Wenn man als Verstorbener zwischen den Welten mäandert, unter Wasser die Augen geöffnet, alles läuft in Zeitlupe ab, aber da ist keine Verzweiflung, sondern eine innere Ruhe, weil sich alles fügt.

„Valkama“ und die Reise zur Toteninsel

Das klingt ziemlich abgründig, zugegeben, aber der Gedanke daran ist äußerst beruhigend, wie eben das Dutzend Lieder auf “Valkama” Musik für ruhige Stunden ist. Und für einsame Stunden, denn was man beim Hören der Musik empfindet, kann man mit niemand anders teilen: Hör mal, wie schön, wie melancholisch, wie abgründig dieses Stück ist? Das funktioniert so nicht. Man muss in der Musik versinken und sie selbst erfühlen. Bei der Albumlänge von über 70 Minuten vielleicht nicht notwendigerweise am Stück.

Aber wie gesagt, diesmal sind die Stücke runder, weniger schemenhaft, schamanisch und angedeutet. Der Titeltrack erinnert dezent an den Uraltsong “Hallavedet”, nur dass Tyko Saarikko mittlerweile ganz auf die Kraft seiner angenehmen Bariton-Stimme setzt und nicht mehr knödelt wie dereinst. Was dem Rezensenten das erste Mal bei TENHI vorkommt, ist, dass ein Stück Erinnerungen an eine andere Band weckt (wobei, wer noch DECORYAH kennt, darf diese durchaus als ferne Vorfahren TENHIs auffassen): “Rintamaan” und “Sydämes on tiel” klingen fast wie :OF THE WAND AND THE MOON:-Lieder, nur dass der Text auf Finnisch ist und bei ersterem Stück die Bläser etwas erdiger klingen, sich bei letzterem herrisch wirkende Chöre dazugesellen. Jedenfalls transportieren auch diese Stücke die gewünschte Atmosphäre.

Und wenn nach siebzig Minuten mit vergleichsweise einfachen Mitteln erzeugter Melancholie, Dramatik und Tiefgründigkeit am Ende mit “Aina sininen aina” ein vergleichsweise lichtes Stück mit hellem, sanftem Frauengesang den Abschluss bildet, dann dreht sich auch beim Hörer die Stimmung – Versöhnung für die geschundene Seele wäre vermutlich zu viel gesagt, denn “Valkama” hat immer auch schöne, freundliche und beruhigende Momente. Und mit dem Titeltrack auch ein Stück, das wegen seines wiederkehrenden Klavierthemas fast als Single taugt.

Eintauchen in eine Anderwelt aus dem finnischen Volksglauben

Jedenfalls liefern TENHI ein weiteres Mal ein wunderschönen Soundtrack ab, mit dem der Hörer in eine Anderwelt aus dem finnischen Volksglauben eintaucht. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Finnen an ihre eigene Diskografie anknüpfen, lässt dann auch das Dutzend Jahre zusammenschmelzen, das die Fertigstellung von “Valkama” gedauert hat. Und bis zum nächsten Album lässt es sich – natürlich nur im übertragenen Sinn – auf besagter Toteninsel Verisurma erst einmal behaglich einrichten.

06.08.2023

- Dreaming in Red -

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