Thora - Baby No.666

Review

Ich bin auch wirklich ein Depp. Vor drei Jahren hab ich bei der Rezension zu THORAs „Total World Paranoia“ übertrieben auf die Idealismusschiene gesetzt und Punktabzug wegen den sich zu sehr ähnelnden Songs gegeben, und nun sitze ich hier mit dem neuen Album und vermisse den unglaublichen Ohrwurmfaktor des Vorgängers. Wobei die Sache mit „ich sitze mit dem neuen Album“ eher eine bloße Redewendung war, denn „Baby No.666“ existiert vorerst nicht als CD und ist stattdessen auf der offiziellen Homepage zum kostenlosen Download bereitgestellt. Da die Band schon allerlei große Bühnen gerockt hat, wie auch Wacken anno 2005, vermute ich dabei, dass das Fehlen eines Labels nicht an mangelndem Interesse liegt, sondern THORA auf einen entsprechend ehrgeizigen Partner warten.

Aber lassen wir das alles mal außen vor und betrachten allein die Songs. Wie gesagt ist die einfache Ohrwurmig- und Livetauglichkeit aus dem Vorgänger eine Sache der Vergangenheit, aus den einfachen Keyboardteppichen sind komplexe Konstruktionen geworden, und einen Song wie „The Heroes“, der über Minuten hinweg nur aus einem einzigen (großartigen) Riff besteht, sucht man auch vergeblich. Aber obwohl auch ein Supersong wie „Crucify God“ fehlt, haben wir es hier bei weitem nicht mit einem schlechten Album zu tun. Im Gegenteil: Jede Nummer hat ihre Daseinsberechtigung und überzeugt (nach einiger Eingewöhnungszeit) auf ihre eigene Art und Weise. Angenehmerweise wird teilweise auch mal so richtig experimentiert, wie im dynamischen Höhepunkt „Hammer And Nails“ oder dem groovigen „Dark Horizon“, die allerdings nicht verdecken, dass „Baby No.666“ tendentiell eher in eine epischere Richtung geht. Aber auch hier hat man es sich angewöhnt, nicht nur die üblichen Akkorde runterzuspielen, sondern sich tatsächlich bei jeder Nummer etwas cleveres dabei zu denken, was „Searching For Gold“ oder „Rest In Peace“ ziemlich gut steht.

Dennoch gestehe ich, dass ich mir eher ein zweites „Total World Paranoia“ gewünscht hab, denn episch-experimentive Gothic Metaller gibt es viele, livetaugliche Ohrwurmgaranten aber nur wenige. Trotzdem denke ich, dass es mir niemand übel nimmt, wenn ich den kostenlos-runterladen-Faktor nutze um die Wertung zu einer 7 aufzurunden. Bei einer so liebevoll komponierten und produzierten Platte, ist so eine Fanfreundlichkeit alles andere als selbstverständlich.

19.06.2007
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