Thulcandra - A Dying Wish

Review

Wenn OBSCURA-Mastermind Steffen Kummerer mal wieder eine Pause von frickeligem Progressive Death Metal braucht, dann widmet sich der Münchener mit THULCANDRA seiner Passion für angeschwärzten Schwedentod in den Fußstapfen von DISSECTION und Co. Gut, vielleicht ist der Mann auch einfach ein unverbesserlicher Workaholic, schließlich erscheint die neue Platte seiner Hauptband nur ein paar Wochen nach dem vierten THULCANDRA-Album „A Dying Wish“.

THULCANDRA wandeln erneut auf eisigen Pfaden

Dass Steffen Kummerer „The Somberlain“ und „Storm Of The Light’s Bane” offensichtlich bis ins kleinste Detail studiert hat und vermutlich im Schlaf runterspielen kann, dürfte niemanden mehr wundern. Schließlich waren die ersten beiden THULCANDRA-Alben durch und durch vom musikalischen Erbe Jon Nödtveidts geprägt und wenngleich das Drittwerk „Ascension Lost“ stilistisch ein klitzekleines bisschen offener war, so konnte man auch dort stets den allgegenwärtigen Geist von DISSECTION wahrnehmen. Entsprechend ist auch die Marschrichtung von „A Dying Wish“ wenig überraschend, THULCANDRA wandeln weiterhin auf den eingefrorenen Spuren der schwedischen Legende, mit einigen Schlenkern zu anderen Szeneprotagonisten versteht sich.

Schon die Vorabsingle „Funeral Pyre“ jagt einem mit der Mischung aus einer schaurig schönen Grundmelodie und eiskalter Raserei wohlige Schauer über den Rücken. „Scarred Grandeur“ wiederum tritt zunächst das Gaspedal durch und setzt nach einem kurzen Akustikgitarren-Intermezzo zum charakteristischen Marschrhythmus an. Beide Nummern machen keinen Hehl aus ihrer Inspirationsquelle und hätten so problemlos auf „Storm of the Light’s Bane“ stehen können.

Auch „In Vain“ und „Nocturnal Heresy“ repräsentieren einerseits die eher melodische, andererseits die brutal bretternde Seite, ohne dabei aber jeweils nur in einem der beiden Extreme zu verharren. THULCANDRA bewegen sich ein weiteres Mal gekonnt zwischen den Eckpfeilern des typischen Schwedensounds.

Beim leicht vertrackten „The Slivering Silver“ und „Shining Abyss“, dem wohl aggressivsten Track des Albums, entfernen THULCANDRA sich ein kleines Stück weit vom bisherigen Pfad und verbeugen sich vor Melo-Death-Legenden wie EDGE OF SANITY und AT THE GATES. An Letztere erinnern hier nicht zuletzt Steffen Kummerers Vocals, die mitunter sehr nah bei Tomas Lindbergs heiserem Gekeife liegen. Zum Ende hin kehren THULCANDRA aber wieder zum stilistischen Kern des Albums zurück und der melancholische, stellenweise sogar leicht doomige Titeltrack setzt einen würdigen Schlusspunkt.

Alte Liebe rostet nicht

Was soll man über ein THULCANDRA-Album noch groß sagen? Man bekommt was man erwartet, Überraschungen sucht man größtenteils vergeblich. Nun geht es den Bayern auch gar nicht um Eigenständigkeit oder Originalität, sondern um die möglichst authentische Reproduktion eines ganz bestimmten Sounds, was ihnen auf „A Dying Wish“ erneut vorzüglich gelingt.

Zwar ist grade in den letzten Jahren eine Vielzahl von Bands mit einer ganz ähnlichen Ausrichtung auf der Bildfläche erschienen und THULCANDRA sind daher nicht mehr die alleinigen Platzhirsche unter den DISSECTION-Erbverwaltern; die charakteristische Verschmelzung aus klirrender Kälte, roher Brutalität und eindringlichen Melodien kriegt aber nach wie vor kaum jemand so stilecht hin wie Kummerer und seine Mannschaft. Mit den Kollegen von THE SPIRIT geht es übrigens demnächst auf Tour, wer sich also nichts Schöneres als einen langen Abend voller Schweden-Huldigung vorstellen kann, bekommt hier das volle Programm.

 

22.10.2021
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