Van Canto - Break The Silence

Review

Obwohl ich rein sachlich betrachtet wenig an „Tribe Of Force“ auszusetzen hätte, konnte mich das dritte VAN CANTO-Album irgendwie nicht so richtig packen. Sollte der A-Cappella-Metal des Sextetts nach den zwei starken Vorgängern bereits seinen Reiz verloren haben? Diesbezüglich kann Entwarnung gegeben werden. Was auch immer „Tribe Of Force“ gefehlt haben mag, „Break The Silence“ hat es definitiv wieder. So lehne ich mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass das vierte VAN CANTO-Album nicht nur die drei Vorgänger deutlich in den Schatten stellt, sondern auch ohne Stromgitarren zu den besten Heavy-Metal-Alben des Jahres gehört.

Streng dogmatisch haben VAN CANTO ihren A-Cappella-Ansatz noch nie verfolgt. So sorgt das Schlagzeug schon immer für ein solides Rhythmus-Fundament und wo es Sinn macht, werden auch gelegentlich Gast-Instrumentalisten hinzugezogen. Da verwundert es wenig, dass auch der bandeigene Sound stetiger Veränderung unterworfen ist. So stellt der aufmerksame Hörer fest, dass die „Rakka-Takkas“ auf „Break The Silence“ etwas zurückgefahren wurden und man unter dem Strich auch weniger „Ran-Diggi-Dans“ und „Dah-Res“ vernehmen kann. Statt dessen rücken chorale Elemente und sich öffnende „Wuuooaahs“ stärker in den Fokus, was die Stücke vielschichtiger und abwechslungsreicher erscheinen lässt. Man könnte sagen, dass VAN CANTO mit ihren Stimmen das volle Spektrum der Gitarrensounds nun wesentlich besser zu erfassen und imitieren vermögen.

Stilistisch griff die Band schon immer recht tief in die Heldenpathos-Kiste. So beginnt „Break The Silence“ mit einer echten Schlachten-Hymne („If I Die In Battle“), die sofort ins Ohr geht, für Gänsehaut sorgt und künftig einen perfekten Live-Opener darstellen dürfte. Und mit dem abschließenden „Master Of The Wind“ covert man bereits zum zweiten Mal die ungeschlagenen, wenn auch inzwischen längst zur Selbstparodie verkommenen Pathos-Großmeister MANOWAR. Da das mit A-Cappella-Mitteln praktisch nicht zu ersetzende Klavier beibehalten wird, fühlt man sich an die Interpretation der APOKALYPTISCHEN REITER erinnert und erreicht tatsächlich auch deren Qualität. Allerdings zeichnet bei VAN CANTO Frontlady Inga Scharf für den Gesang verantwortlich, die dadurch eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass MANOWAR-Songs nicht nur aus dem Mund von Männern in Ledertangas gut klingen können.

Überhaupt merkt man Ingas Gesang große Fortschritte an. Mit gestärktem Selbstbewusstsein inszeniert sie sich endlich als gleichwertigen, wenn nicht sogar überlegenen Widerpart ihres Lead-Kollegen Sly. Am besten sind Van Canto jedoch immer, wenn die beiden sich im freundschaftlichen Wettstreit aneinander hochschaukeln und mit ihren Stimmen gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. So werden „The Seller Of Souls“ und „The Higher Flight“ zu absoluten Highlights, obwohl sie im Grunde nur den altbewährten Strickmustern der früheren VAN-CANTO-Alben folgen. Noch weitaus besser gefällt mir hingegen das atmosphärisch extrem dichte „Black Wings Of Hate“, bei dem sich Inga von einer gänzlich ungewohnten Seite zeigen und mit einer dreckig-kraftvollen Rock-Röhre überzeugen kann.

Neben MANOWAR gibt es mit BLIND GUARDIAN natürlich noch einen zweiten entscheidenden Eckpfeiler im VAN-CANTO-Sound. Durch die Aufnahmen in den Krefelder „Twilight Hall Studios“, eine Cover-Version des „Bard’s Song“ und Gastgesang von Hansi Kürsch pflegte man in der Vergangenheit bereits regen Kontakt mit den erklärten Idolen von Bandleader Stefan Schmidt. Für die von einer unkonventionellen Melodiestruktur geprägte Ballade „Spelled In Waters“ konnte man diesmal Rhythmus-Gitarrist Marcus Siepen gewinnen, der das Stück an der Akustik-Klampfe begleitet. Darüber hinaus dürften VAN CANTO eine der ersten Bands sein, die die Cover-Version eines Liedes der aktuell schwer angesagten Power-Metal-Überflieger SABATON veröffentlichen. Und obwohl mir die Original-Fassung von „Primo Victoria“ noch eine Spur besser gefällt, hat die von treibenden Kriegstrommeln geprägte VAN-CANTO-Variante ihren ganz eigenen Reiz. Kein Wunder also, dass es sich SABATON-Frontsympath Joakim Brodén nicht nehmen lässt, dem Stück als Gastsänger seinen offiziellen Segen zu geben.

Mit dem Alice-Cooper-Hit „Bed Of Nails“ hat man noch eine dritte Cover-Version im Gepäck, die zwar sauber umgesetzt ist, stilistisch aber leicht aus der Reihe tanzt. Komplettes Neuland betritt die Band hingegen mit „Neuer Wind“, das erstmals mit einem deutschen Text aufwartet. Da man allerdings auch hier jede Menge MANOWAR-Pathos und eine starke Ohrwurm-Melodie wiederfindet, ist das Experiment gelungen und das Stück rundet ein herausragendes Album ab, das trotz der hohen stilistischen Bandbreite jederzeit den ganz eigenen VAN-CANTO-Stil erkennen lässt. Auch wenn es bestimmt wieder zahlreiche Nörgler geben wird, die nicht einsehen wollen, dass gut gemachter Metal auch gänzlich ohne Stromgitarren funktionieren kann, haben sich VAN CANTO mit „Break The Silence“ selbst übertroffen und dürften ihre herausragende Stellung in der deutschen Metal-Szene festigen können.

12.09.2011
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