Wintersun - Time I

Review

Bereits 2006, nur zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres fulminanten selbstbetitelten Debüts, kündigten WINTERSUN an, an einem neuen Werk mit dem Titel “Time” zu arbeiten. Doch zu früh hatten sich Fans der Finnen gefreut, denn ein ums andere Mal wurde das Release-Date des Albums nach hinten verschoben nicht grundlos musste man sich irgendwann fragen, ob “Time” jemals wirklich das Licht der Welt erblicken würde. Geschlagene sechs Jahre später ist es nun jedoch endlich soweit: Mit “Time I” liegt der erste Teil des insgesamt ca. 80 Minuten umfassenden Epos der Finnen vor, das 2013 mit “Time II” komplettiert werden soll. Und nun steht selbstverständlich die große Frage im Raum: Hat sich das Warten gelohnt?

Und die Antwort ist einfach: Scheiße JA! Man verzeihe mir die Wortwahl, doch “Time I” ist – und so viel kann ich bereits vorweg nehmen – ein wahrhaftes Meisterwek geworden, das im symphonischen Melodic Death Metal vergebens seinesgleichen suchen wird. Bereits das stimmungsvolle mit fernöstlicher Note ausgestattete Intro “When Time Fades Away” jagt dem Hörer mit seinen sanften, anmutigen Melodien einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Zugleich gelingt es WINTERSUN bereits mit diesem Stück, eine fühlbare, knisternde Spannung zu erzeugen. Diese entlädt sich schließlich regelrecht explosionsartig im ersten richtigen Song “Sons Of Winter And Stars”, der den Hörer regelrecht überwältigt und zwischen seinen gigantischen und unglaublich eindrucksvollen Soundwänden sofort gefangen nimmt. Etwas ähnlich bombatisches, übermächtiges, kraftvolles und schlichtweg gigantisches haben Bands wie NIGHTWISH, DIMMU BORGIR und Co. wahrlich schon lange nicht mehr veröffentlicht.

Doch spricht man über die Größe und Kraft dieses Werks, die energiegeladenen, stürmischen Riffs, die machtvolle Orchestrierung, die inbrünstigen Screams und aggressiven Blastbeat-Passagen, so erfasst man nur eine Seite der Medaille. Denn auf der anderen ist “Time I” schlichtweg bezaubernd, liebevoll und wunderschön. Vorsichtig und zaghaft bahnen und schlängeln sich z.B. die zerbrechlichen, süßen Melodien ihren Weg durch die dichten, bei den ersten Durchläufen gar nicht in Gänze erfassbaren Klanglandschaften, gewinnen nach und nach an Fluss und Energie und ringen mit den zahllosen anderen Elementen, den hintergründigen Chören, den geschickt eingewobenen Effekten, den von einzelnen Instrumenten vorgetragenen Melodien, um die Aufmerksamkeit des Hörers. Und auch der emotionsgeladene, tief berührende cleane Gesang von Mastermind Jari Mäenpää trägt dazu bei, dass man die Songs auf “Time I” immer wieder hören und fühlen, sich von ihnen ergreifen und einnehmen lassen möchte, um dem Alltag für einen Moment zu entfliehen und in eine ganz andere, fantastische Welt zu reisen.

Doch obwohl ich “Time I” eigentlich ausschließlich loben und WINTERSUN nur zu diesem großartigen Werk beglückwünschen kann, so zücke ich an dieser Stelle nicht die Höchstpunktzahl. Denn auch wenn “Time I” im Prinzip keinen Anlass zur Kritik bietet, so fehlt meiner Meinung nach doch der allerletzte Schritt zum Überalbum und künftigen Klassiker: Die Vollendung. Irgendwie hört man dem Album einfach an, dass es ursprünglich als Teil eines Gesamtwerks entstand und ohne dieses wirkt es nicht gänzlich geschlossen und fertig. Ohnehin kann ich nicht verstehen, warum das Album geteilt wurde, denn nach einer solchen Wartezeit hätte sich mit Sicherheit jeder Fan über ein 80-minütiges Werk gefreut. Dennoch zählt “Time I” selbstverständlich zu den Album-Highlights des Jahres 2012 und gehört in die Sammlung jedes Fans des symphonischen Metals.

17.10.2012
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