Xythlia - Immortality Through Quantum Suicide

Review

Man rufe sich nur mal kurz den Sound der aus Minnesota stammenden Post-Black-Band ASHBRINGER in den Sinn. Der geschätzte Kollege Wolfsbrunn bezeichnete deren letztes Album „Absolution“ seinerzeit dergestalt, dass es „tagträumerisch durch psychedelische Klangwelten [wandle], Shoegaze-Elemente unterstützen diese Sichtweise“. Aus dem ASHBRINGER-Dunstkreis erhebt sich nun XYTHLIA, das Soloprojekt von Multifunktionstalent Nick Stanger. Und dessen Debüt „Immortality Through Quantum Suicide“ klingt wie die explosive Entladung der gesamten, angestauten Energie, die bei kuschelbedürftigem Atmo-/Post-Black-Geschmuse üblicherweise auf der Strecke bleibt.

XYTHLIA, ein ASHBRINGER-Ableger mit reichlich Schaum vorm Mund

Und Junge: Dieses Album wird euch ficken! Die Platte ist nur etwas über 20 Minuten lang, aber bei der Intensität, die Stanger hier an den Tag legt, ist das mehr als ausreichend. Das Album klingt wie ein Tech-Death-Wutausbruch der krassesten Sorte, auf der einen Seite eindrucksvoll gespielt, auf der anderen Seite aber auch irrsinnig chaotisch und absolut krank. Ein bisschen die ONE DAY IN FUKUSHIMA-Schiene fahrend geht es hier nicht um Songs, sondern um die reine, akustische Gewalt, destilliert in 12 Portionen, die sich in Sachen Gestörtheit zu überbieten versuchen. Songwriting bleibt da auf der Strecke, aber wen interessiert das, wenn es so hart auf die Fresse gibt?

Das ist kein Old-School-Keuleschwingen mehr, bei dem es ja vergleichsweise zivilisert zugeht. Das ziviliserteste an „Immortality Through Quantum Suicide“ sind vereinzlete Midtempo-Grooves, die beispielsweise bei „Schrödinger’s Foreskin“ (Mütze oder Glatze?) sowie dem Rausschmeißer „Fester In The Nether“ auftaucht und entsprechend ins Genick fährt. Aber drum herum steht XYTHLIA für wildestes Gefuchtel ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist ein Massaker im Moshpit voller tollwütiger Testosteronbomber mit Rasiermesserhänden, das ist wie selbst postmortem noch solange auf den Gegner einschlagen, bis man mit den Fäusten durch den Schädel gedrungen ist und auf Asphalt klopft.

„Immortality Through Quantum Suicide“ ist geile, kranke Scheiße

Wer sich vor aufgeschürften Händen ziert, ist hier an der falschen Adresse angelangt. Dieses Schlachtfest ruft ein bisschen das Gezuckel von PSYOPUS in den Sinn, aber nur um einige Umdrehungen krasser, so als würde man sie mit BEHOLD: THE ARCTOPUS ausstopfen. Und diese Instensität lässt einfach zu keinem Zeitpunkt locker, nicht mal dann, wenn die oben erwähnten Grooves einsetzen und der Sound mal kurz so etwas wie Struktur zu gewinnen scheint. Aber das macht „Immortality Through Quantum Suicide“ wieder so großartig: Es verkörpert Aggression und (selbst-)zerstörerische Emotionalität – tatsächlich handelt es sich nämlich um ein Konzeptalbum, das sich mit Stangers Angstzuständen während der Quarantäne auseinandersetzt.

Und mit dieser wahnsinnigen Konsequenz bleibt die Platte stets glaubhaft darin, dies eindrucksvoll zu transportieren. Da bleibt als Hörer eigentlich nicht viel zu tun, als sich Platz zum Mittoben zu schaffen, aufzudrehen und sich vom Sturm mitreißen zu lassen. Und sich dabei von diesen abartigen Riffs und dem puren, unverdünnten Zorn, dieser krankhaften Wut zerreißen zu lassen. Stanger brüllt dabei, was die Stimmbänder hergeben. Kein klassischer Growler/Grunzer und mehr der Hardcore-Sparte zugetan, passen seine voluminösen, vollmundigen Entäußerungen aber wunderbar in diesen Orkan der totalen Zerstörung rein.

Nix für das romantische Post-Black-Rendezvous, aber für Todesblei-Masochisten, die ihre Splatter-Orgie mit etwas Gefummel bevorzugen. Also ab ins Gemetzel mit euch!

09.08.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version