Zeraphine - Still

Review

Den Sympathiebonus haben ZERAPHINE definitiv schon inne. In Zeiten, in denen sich Bands wie Dir en grey wie geschnitten Brot verkaufen und Kollege Sergej etliche Hassmails aufgrund wenig euphorischen Kritiken bekommt, verdient eine Truppe, die lieber ein eigenes Independent Label gründet anstatt von Majors zu einer kajal-geschminkten Showband umerzogen zu werden, definitiv großen Respekt. Und wenn sie dann noch passend zur ganzen Platte, die sowohl englische als auch deutsche Texte enthält, auch einen Albumtitel finden, den man sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch lesen kann, spricht das schon irgendwie für Konzept und Kreativität.
Und letztere spiegelt sich auch deutlich in den ersten Songs der Platte wider. Die ersten drei Tracks legen einen wahnsinnigen Start ins Album hin und gehören zusammen mit „Toxic Skies“ zu den absoluten Albumhighlights. Besonders bei „Niemand kann es sehen“ geht das Bandkonzept ‚Gothic Rock + Alternative‘ dank herrlicher nach vorne rockender Mollriffs wunderbar auf und gibt der Band ihre einzigartige Note, die auch durch die großartige mollgeschwängerte Stimme von Sven Friedrich nur noch bereichert wird. Die anderen Songs fallen zwar etwas ab, rocken aber dennoch auf überdurchschnittlichem Niveau und machen aus der Platte eine relativ gelungene Einheit.
Relativ, weil es die Band bei den Balladen vielleicht doch zu gut meint. Stecken in den nach vorne preschenden Songs jede Menge Ideen und Klangexperimente, vermitteln die ruhigen Sachen, die gegen Ende der Scheibe überhand nehmen, eher ein ‚alles schonmal gehört‘ Gefühl, das leider viel zu vielen Balladen anhaftet. Schade dass man die erfrischende Unkitschigkeit des Anfangs nicht über die komplette Spielzeit hatte retten können.
Dennoch durchbricht „Still“ erfolgreich Genregrenzen und macht ne Menge Spaß. Jene aufgezählten Kritikpunkte sind sowieso nur relativ gesehen, da Fans des Genres an die ganze Sache eh völlig anders rangehen werden. Das überraschende ist, dass gerade die ersten Songs auch Menschen anspricht, die sonst mit Alternative und Gothic eher wenig zu tun haben. 8 Punkte also, für einen gelungenen Versuch Schubladendenker eins auszuwischen.

02.07.2006
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