Dead Alone
Die Songs von "Ad Infinitum": Ein Track-by-Track-Gespräch mit Sänger und Bassist Florian und Gitarrist Fred

Special

Dead Alone

Am 28. September erscheint nach drei in Eigenregie entstandenen Alben mit „Ad Infinitum“ die erste Veröffentlichung der Münchener Death-Doomer DEAD ALONE über ein Label (Supreme Chaos Records). Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit Gitarrist Fred und Sänger/Bassist Florian in dessen Wohnzimmer gemeinsam das Album angehört und ein ausgelassenes, aber auch informatives Gespräch über die einzelnen Songs auf „Ad Infinitum“ geführt.

„Sold“

Okay, also der erste Track, „Sold“ geht ja mit einem Spieluhren-Intro los – habe ich mir zumindest gedacht. Dann gibt es einen einfachen Gitarrenlead, der diese Melodie aufnimmt und weiterführt, bevor es dann „richtig“ losgeht. Insgesamt würde ich sagen, der Song ist für das Album ziemlich programmatisch, da er alle Bestandteile, die das Album letztlich ausmachen, schon mal andeutet bzw. in sich trägt. Den Mittelteil fand ich dann sehr eingängig, gegen Ende kommt dann ein sehr rhythmischer, fast thrashiger Teil.

Florian: Ja, das ist eigentlich der ideale Opener gewesen. Rückblickend, als wir die Songs aufeinander abgestimmt und festgelegt haben, wo jedes Stück stehen soll, war relativ schnell klar, dass dies der Eröffnungstrack werden muss, eben weil er schon alle Elemente, die auf dem Album verstreut sind, ganz kompakt zusammenfasst und somit einen gelungenen Einstieg bietet.
Das Spieluhren-Intro ist eigentlich erst später während der Produktion entstanden.

Fred: Fast eigentlich erst danach.

Florian: Ja … da haben wir halt noch so eine Jamsession am Keyboard eingelegt und uns gedacht, das sei cool, das wäre was.

Also kommt die Detailarbeit bei euch auch durchaus erst im Studio dazu?

Fred: Puh … die Detailarbeiten … ja, das kommt drauf an, was du als „Detailarbeiten“ siehst. Ich sag mal, in den allermeisten Fällen ist es schon so, dass wir bereits Ideen dazu haben und quasi jeder für sich das ausarbeitet, was er selber macht, sei es ein Gitarrensolo oder eben solche Intros. Wobei dieses Intro jetzt tatsächlich eher spontan entstanden ist, aber man macht sich ja trotzdem Gedanken – passt das Intro zum Song, will ich für den Song ein Intro, …? Das machen wir schon, wir gehen nicht einfach unvorbereitet rein und denken dann „Wie spiele ich jetzt eigentlich das Solo ein“, oder „Wie machen wir den Lead jetzt“ … .

Florian: Wobei man schon dazu sagen muss, dass wir bei dieser Produktion wesentlich besser vorbereitet waren als bei allen anderen Platten. Allein die Vorproduktion war schon viel ausführlicher und wir haben wesentlich mehr Feinheiten ausgearbeitet. So war’s im Studio dann ziemlich entspannt. Und dann hatten wir halt auch die Zeit zu gucken, ob man vielleicht noch etwas umarrangiert oder so.

Fred: Genau, sagen wir’s mal so: Wir machen – finde ich jetzt persönlich – nicht zu viel und nicht zu wenig Vorarbeit. Ich habe immer Angst, dass man sich, wenn man vorweg zu viel macht, selber ein bisschen limitiert, wenn man sagt, etwas müsse jetzt genau so und so sein … das würde ja keinen Sinn machen. Wenn man nicht weiß, wie die fertige Aufnahme klingen wird, kann man schlecht sagen, das muss man jetzt genau so spielen oder einsingen oder was auch immer … sowas entsteht dann halt einfach währenddessen.

„The Way Of The Damned“

Joa, dann wird der Song ja gegen Ende leiser und langsamer und hat – wie ich mir halb scherzhaft aufgeschrieben habe – diesen „quietschigen“ Übergang, diese Rückkopplung, der dann ja praktisch schon einen Kontrast zum zweiten Song, „The Way Of The Damned“ darstellt, der ja einen relativ schnellen Einstieg hat, bevor er wieder eher schleppend wird und wieder mit sehr melodischen Leads daherkommt. Ich habe mir hier aufgeschrieben, dass der Song teilweise relativ schwedisch anmutet, so Richtung Stockholm gedacht …

Florian: Okay …

Ja, zumindest von den Riffs her … und vielleicht ist das auch der klassischste Death-Metal-Song auf dem Album … halt rabiat, pissig, wütend, …

Florian: Ja, „Way Of The Damned“ ist … joa … definitiv einer der bösesten, düstersten Songs auf der Platte. Allein schon der Text ist ziemlich düster und depressiv. Das war recht interessant, als wir die Songs im Proberaum geübt haben, merkten wir, dass du durch den Übergang von „Sold“ zu diesem einen wirklich harten Kontrast drin hast, der gleich am Anfang schon mal ziemlich viel Dynamik in die Platte reinbringt. Meine Meinung ist, dass viel Dynamik wichtig ist – im Grunde sollte eine Platte wie auch ein Liveset sehr dynamisch rüberkommen und nicht gleichförmig am Anfang nur die Knüppler und am Ende die groovigen Songs bringen, sondern das alles fließend ineinander übergehen lassen.

Fred: Genau. [Alle warten, ob da noch was kommt. Dann:] Öhm, ich kann da nicht wirklich was hinzufügen. Aber interessant, dass du den Song als schwedisch auffasst.

Die Riffs haben mich eben teilweise … also, Stockholm-Schwedisch, nicht Göteborg … [Hier versagt meine Grammatik so sehr, dass sie sich auch schriftlich nicht in Reihe bringen lässt. – Anmk. d. Red.]

Fred: Ja, schon klar, haha …

Also ja, die Riffs fand ich teilweise schwedisch. Allerdings nicht nur hier … irgendwo hab ich mir das nochmal aufgeschrieben …

Florian: Ja, wahrscheinlich by „A Dying Sun“. Der geht dann auch eher nach Göteborg, haha …

Fred: Haha, ja.

Ähm ja, kommen wir später zu, haha.

„Prayer Of Innocence“

Öhm … gut, dann gibt es ja im nächsten Übergang, zu „Prayer Of Innocence“ wieder einen Kontrast, der ja mit einem Akustikeinstieg anfängt und dann dieses thrashige Riffing … dieses di-düh-di-drm-drm-drm … [allgemeines Gelächter für rund 30 Sekunden – Anmk. d. Red.]

Florian: Das möchte ich bitte als Werbung auf dem Album haben … „Stephan Möller (metal.de): Di-düh-di-drm-drm-drm.“

Ähm … ja … dieses Riffing also eingängig as fuck, das war halt so ein echter Hinhörer. Man hat praktisch mit „Way Of The Damned“ einen echten Prügler darauf, dann diese sehr eingängigen, groovenden Thrash-Riffs, wieder also ein starker Kontrast. Darauf folgt dann wieder ein schleppender Part und ein kurzes, aber sehr untypisches Solo, das ich eher in den Hard Rock getan hätte …

Fred: Hähähä, ja, das bin ich.

Oh, und ich habe auch Black-Metal-Einflüsse gehört … musikalisch wie lyrisch …

Florian: Nee, überhaupt nicht. Also, Black Metal würde ich die Texte jetzt überhaupt nicht nennen …

Nein?

Florian: Nein, echt nicht.

Also, ich habe mir hier jetzt als Stichwort „Priest“ aufgeschrieben … ähm, da kann ich jetzt natürlich gar nichts mehr mit anfangen. Aber wahrscheinlich gab’s da irgendeine Textzeile …

Florian: Also, „Prayer Of Innocence“ war der erste Song, den wir nach der letzten Platte, „Vitium“, geschrieben hatten. Das war gerade die Zeit, wo das ganze Drama um die katholische Kirche und dem Kindesmissbrauch so hochgekocht ist, gerade hier in Bayern …

Ach, das meinte ich dann mit „Priest“ …

Florian: Ja, das hat nicht wirklich was mit Black Metal zu tun, sondern das ist einfach meine persönliche Reflektion der Tatsachen, die da vorgefallen sind. Mich hat die ganze Situation stinksauer gemacht, weil ich nicht verstehe, wie man sowas durchgehen lassen kann. Und gerade zu dem Zeitpunkt habe ich mir halt Gedanken gemacht, warum man das nicht in einem Song verarbeiten und die Leute damit auch weiter darauf hinweisen sollte, dass das, was da abgeht, einfach unterste Schublade ist. Gerade auch das Handeln, das da an den Tag gelegt worden ist, und wie man allgemein damit umgeht … darum kommt der Text vielleicht relativ angepisst rüber, aber ob er jetzt im Black Metal verwurzelt ist …

Also, ich meinte das gar nicht nur auf’s Lyrische bezogen, sondern ich finde auch, dass die Riffs und die Melodieführung teilweise sehr an Black Metal erinnern.

Florian: Ja, das ist Martins Song. Der hat für diese ganzen skandinavischen Black-Metal-Bands schon ein bisschen was übrig, das spiegelt sich da vielleicht wieder. Aber ich habe da auch schon gewusst, um was es in dem Text gehen soll, vielleicht hat er sich da auch ein bisschen inspirieren lassen.

Wenn man die Black-Metal-Einflüsse von Martin so heraushören kann, bist du, Fred, dann eigentlich auch vom Hard Rock beeinflusst, da du das Hard-Rock-Solo ja auf deine Kappe nimmst?

Fred: Jein. Also, ich sage mal so, was die Soli angeht und die Leadmelodien … also, generell bin ich schon sehr vom Rock beeinflusst, allerdings fällt’s wohl bei diesem kurzen Hard-Rock-Solo am ehesten auf …

Florian: Man denke nur an seine ehemalige Gitarre.

Fred: Ja, das war eine Epiphone Zack Wilde Signature …

Florian: Black Metal …

Fred: Ja, total, haha. Nee, also für mich ist wichtig, dass ich schaue, dass so ein Solo trotzdem zu dem entsprechenden Riff passt, auch wenn’s erstmal nicht so aussieht. Der Song profitiert eben nicht so davon, wenn eigentlich ein melodischer Part kommt und ich spiele da ein technisches oder total thrashiges Gedudel und Gediedel, das könnte ich natürlich auch machen, halte ich aber persönlich für Schwachsinn.

Also, das passt da schon rein, das wollte ich auch gar nicht sagen, aber ich fand es eben auffällig, weil es eher genrefremd klingt.

Fred: Nee, um Gottes Willen, habe ich nicht so aufgefasst. Also, von meiner Seite aus ist das durchaus so gewollt. Ich mag es nicht, wenn man sich auf eine Sache festfährt, das kann man sicherlich machen, aber ich persönlich mag es nicht. Weil ich finde, dass man sich aus jeder Musikrichtung stilistisch ein bisschen bedienen und das einfließen lassen kann, gerade im Metal. Nur meine Meinung.

Florian: Und hier passt es ja meiner Meinung nach auch gut, weil der ganze Song ja eher groovig, bodenständig rüberkommt. Da passt so ein Solo perfekt drauf.

Hmh. Und war der Akustikeinstieg auch so geplant oder ist das wieder was, was dann im Studio entstanden ist?

Fred und Florian gleichzeitig: Der war geplant.

Fred: Der war planmäßig.

Florian: Der war glaube ich sowieso das erste, was Martin für den Song angebracht hat. Der kam zu uns und meinte. „Hey, ich hab da was, hört euch das mal an.“ Das war eben dieser Akustikteil, und eigentlich ist der Song auch nur anhand dieses Akustikeinstiegs weiter entwickelt worden. [Guckt Fred an.] Das war wahrscheinlich sogar das erste Riff, das wir für diese Platte gehabt haben, oder?

Fred: Ja, könnte hinkommen. Aber das ist auch schon wieder eine Weile her … sollte aber wirklich eine der ersten Sachen gewesen sein, die wir da in petto hatten.

Joa. Dann hatte ich mir noch aufgeschrieben, dass das Ende eine sehr epische Variante des Hauptthemas ist …

Florian: Ja, das war eben so der nette Ausklang, das bringt noch ein bisschen Dynamik zum vorherigen Ablauf des Songs, bringt ein bisschen „Fläche“ rein.

Fred: Das ist halt irgendwo unsere Handschrift, dass das vorhandene Material nochmal ein bisschen ausgeschmückt und in anderer Form verwendet wird.

 

„Downwards“

Gut, da hätten wir dann schon wieder einen Kontrast, denn „Downwards“ beginnt ja mit einem leicht disharmonischen Gitarrenspiel.

Florian: Ja, genau.

Der Song ist auch insgesamt sehr düster-melodisch, aber auch emotional, obwohl wir wieder einen relativ eingängigen Midtempo-Groover haben.

Florian: Düster, emotional, ja, das ist er, und auch bitterböse. Und wir haben grandiose Gastvocals von Mick von DESTINITY spendiert bekommen. Beim ersten Verse, beim ersten Chorus, … also, querbeet ist er dabei. Ich weiß es gar nicht mehr, haha. Man muss dazusagen, irgendwann haben wir gemerkt, ach, Mensch, so unterschiedlich sind unsere Stimmen ja doch nicht, Scheiße, haha.

Fred: Liegt vielleicht aber auch daran, dass er sich schon auch an Flos Art und Weise zu singen angepasst hat.

Florian: Geile Band übrigens. Nette Jungs. Richtig gut drauf.

Fred: Und vertragen trotzdem einiges, haha.

Okay, jetzt müsst ihr auch die dazugehörigen Geschichten raushauen …

Fred [zögerlich]: Ähm … nein, haha.

Florian: Einfach das Tourvideo aus dem letzten Jahr anschauen, das sagt alles …
Also, sie haben hier ja letztes Jahr mal auf dem Dark Side Of Munich mitgespielt und kurz vorher hatte ich sie schon in Stuttgart kennengelernt. Und naja, vor der Show habe ich ihn einfach mal angesprochen, wie’s denn mit Vocals aussähe und er meinte gleich: „Ja, klar, sofort, mache ich gern.“ So hat sich dann relativ schnell ergeben, dass er’s machen wird, und der Song war dann eigentlich auch gleich klar, weil das der ist, der am besten zu dem passt, was DESTINITY machen. Also, bei einem Song wie „Prayer“ hätt’s nicht funktioniert.

Dann hatte ich mir noch aufgeschrieben, dass man den Song vielleicht als … oh Gott, das klingt jetzt super negativ, ist aber nicht so gemeint, als den unauffälligsten Song auf der Platte bezeichnen könnte. Dadurch, dass eben sehr viel darin als „typischer“ Midtempo-Groove gespielt ist.

Fred: Dadurch vielleicht ja. Ich finde, dass der Song am Anfang eigentlich noch relativ schnell ist, dann aber erst in dieses Midtempo mehr oder weniger abdriftet. Aber dass er am unauffälligsten ist, macht ihn vielleicht schon wieder am auffälligsten.

Ja, könnte man vielleicht so sagen.

Fred: Ich persönlich finde ihn aber weniger auffällig, spielerisch eher mit am interessantesten. Dadurch, dass der Song am Anfang für unsere Verhältnisse recht schnell gespielt ist, haben wir uns spielerisch schon gut reinhängen müssen, dass der auch passt. Speziell an den Seiten, also Martin und ich, haben wir viel daran gearbeitet.

Florian: Für mich ist es eigentlich der Song, der am längsten braucht, bis er endlich zündet. So ist es mir persönlich ergangen, schon während der ganzen Songwriting-Phase und auch im Studio, das hat ewig gedauert, bis ich den Song dringehabt habe. Da habe ich mit den Vocals ewig lang herumprobiert, was kann man da machen, wie kann man das und das machen, der hat da am meisten Zeit gefressen, weil ich mir damit ziemlich unsicher war. Vielleicht geht’s dir da ja ähnlich, dass er einfach noch ein bisschen braucht.

Gut, habe ihn ja jetzt auch nur einmal gehört …

Florian: Gib ihm 200 Durchläufe, vielleicht … haha.

Also, wie gesagt, ich habe das auch absolut nicht negativ gemeint. Vom Klangbild passt der sich einfach ins Album ein, sag ich mal so, er steht dazwischen und fällt mir persönlich nicht groß auf.

Fred: Ja, okay. Mag sein, dass es jetzt vielleicht bei diesen Songs so wirkt, aber vom Songmaterial … wenn wir den zum Beispiel zur Zeit der „Vitium“ geschrieben hätten, da wäre es dann fraglich, wie er wiederum da gewirkt hätte. Das ist immer so … vielleicht macht das schon einen Unterschied, ob man das Album als Ganzes hört oder die Songs einzeln, das wird mit Sicherheit auch einiges ausmachen.

Florian: Bei der nächsten Platte machen wir eine Dubstep-Version … die sticht dann raus.

[Allgemeines Gelächter.]

Fred: Das ist jetzt ziemlich witzig, da Martin und ich schon mal am Intro des Songs herumgespielt haben, kurz nachdem die „Vitium“ heraus war und letztlich war’s mit der letzte Song, der fertig wurde.

Florian: Ja, der Vorletzte.

Fred: Der Vorletzte, genau.

Und der letzte war … ?

Florian: „Silhouette Empire“.

Ah, gut. Top Übergang, kommen wir zu „Silhouette Empire“.

„Silhouette Empire“

Ja, wenn „Downwards“ für mich der unauffälligste Song war, wäre „Silhouette Empire“ eigentlich der auffälligste auf dem Album. Mit einem sehr ruhigen Beginn, wieder einem untypischen Solo, insgesamt ein sehr epischer Song, der dann im Mittelteil – vielleicht hasst ihr mich, wenn ich das sage, aber ich hab’s mir so aufgeschrieben, weil’s für mich danach klang – ja, der wird dann im Mittelteil ziemlich AMON-AMARTH-alike.

Fred: Ja, definitiv. Wenn auch ungewollt …

Florian [der sich bei Freds Versuch zu reden halb totgelacht hat]: Total geil, dass du das sagst, da muss ich dir zu 100 Prozent rechtgeben.

Fred: Ja, doch schon, gerade im längeren Solo, womit es dann auf’s Ende zugeht, da muss ich definitiv jedes Mal an AMON AMARTH denken, haha. Das ist ein ungewollter Effekt, aber es ist so. Der ganze Song ist eben auch, wie du schon sagst, sehr untypisch. Da habe ich recht viel mit Jazzakkorden gespielt – also mit zweien eigentlich nur, das war’s dann schon, haha – und Flo meinte dann, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, wenn wir da noch etwas Emotionales mitreinbringen, so à la GHOST BRIGADE, woran wir uns durchaus auch orientiert haben.

Florian: Also, den hier würde ich fast als skandinavischsten Song von allen bezeichnen.

Fred: Ja, durchaus.

Florian: Also gerade auch von der Atmosphäre her.

Ja, denke ich auch, atmosphärisch ist er auf jeden Fall.

Florian: Dieser Song war auch … ja … also, das war schon so ’ne Geburt.

Fred: Das war wirklich eine schwere Geburt. Ich glaube aber, mit dem jetzigen Line-up ist es das experimentellste, was wir bisher abgezogen haben.

Florian: Und das ging Gott sei Dank nicht einmal in die Hose.

Nee. Also, mir hat dieser Song so beim ersten Mal definitiv schon sehr gut gefallen, ich könnte mir vorstellen, dass er sich mit zwei, drei Durchläufen auch noch ein bisschen mehr entfaltet. Sehr eigenständige Sache, die sich vom relativ ruhigen, melancholischen Beginn an immer weiter zuspitzt und dann sehr episch endet … an sich könnte man diesen Song also schon fast progressiv nennen.

Florian: Ja, das ist unser Frauensong.

Fred: Der Muschiknacker. [Wieder Gelächter.] Ob du das jetzt so übernimmst, ist deine Sache, haha.

Florian: „Downwards“ ist für die Männer, „Empire“ für die Frauen, haha. Oh, und der Chorus …

Fred: … der Chorus …

Florian: … der Chorus, wie ich ihn hasse.

Wieso?

Florian: Ach, da gibt’s noch so eine Anekdote aus dem Studio. „Silhouette Empire“ haben wir genau an dem Tag fertiggemacht, als wir die Promofotos für die neue Platte geschossen haben. Beziehungsweise, fertiggemacht haben wir ihn an dem Tag gar nicht …

Fred: Der Song hat dich fertiggemacht, haha.

Florian: Also, der Chorus, ich habe keine Ahnung, wie oft ich den eingesungen habe und der Basti, unser Produzent, nur dasaß und sagte: „Nochmal.“ – „Das geht intensiver.“ – „Nochmal.“ – „Das war gut, aber geht noch besser. Nochmal.“ Und so weiter und so fort. Das Ende vom Lied war dann, dass ich das Mikrophon vom Ständer abgebaut und nur in den Händen festgeklammert habe. Ich habe dann am Boden gelegen und habe diesen Song halt gebrüllt, mit Tränen in den Augen – und dann sind die Mädels gekommen, um mich zum Photoshooting abzuholen und haben sich bepisst vor Lachen, wie ich da am Boden gelegen und geschrien und mir die Seele aus dem Leib gekotzt habe, haha. Ich war danach so fertig, ich hab nicht einmal mehr eine Zigarette geraucht. Ja, also, der Song hat mich richtig gefickt. Schlimmer als alles anderen.

Aber: Sehr emotionaler Song, also das Ergebnis …

Fred: Flo, das musst du dann ab jetzt immer so machen, haha. Nee, emotional ist das definitiv.

Florian: Der Song hat übrigens auch das beste Solo auf der Platte.

Fred: Unserer Meinung nach. Also, zumindest hat er das ausschweifendste, sagen wir’s mal so, haha. Ob es das beste ist, muss jeder, der die Platte hört, für sich selbst entscheiden. Aber eben sehr ausschweifend.

Aber auch das passt ja zum Song, der auch insgesamt sehr ausschweifend und dabei schön rund ist.

„A Dying Sun“

Joa, dann würde ich zu „A Dying Sun“ kommen wollen.

Florian: Ja …

Ja? Haha …

Florian: Haha, wir waren vorhin in Stockholm, jetzt sind wir in Göteborg.

Ja, könnte man wohl so sagen … joa, sehr melodisch, auch wenn er eher Death-Metal-klassisch beginnt, würde ich sagen. In der ersten Halbzeit trotzdem insgesamt sehr melodisch, später stampft er dann eher … also, im Grunde ein „Nackenbrecher“, habe ich mir aufgeschrieben.

Florian: Hmh.

Aber ja, erzählt mal, Göteborg? Haha.

Florian: Also, ich würde ihn als den ersten vom Göteborg Death Metal beeinflussten Song bezeichnen, den wir bisher generell geschrieben haben. Also, er enthält schon sehr, sehr viele Anspielungen an die alten IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY und so weiter. Wenn ich ihn mir anhöre, muss ich auf jeden Fall oft an Schweden denken.

Gut, wenn ich mir hier so dein CD-Regal angucke, ist das ja auch durchaus vertreten …

Florian: Ja, ich habe bei dem Song aber gar nichts mit dem Schreiben zu tun gehabt. Das war ein Alleingang von Martin, den Song hat er zu 80 bis 90 Prozent fertiggemacht. War auch ziemlich lustig, als wir uns angehört haben, was dabei herausgekommen ist. Er sagte, er hätte einen neuen Song – und gut, klingt geil, nehmen wir, haha. Das Lead im Chorus hat uns ziemlich überzeugt.

Fred: Ja, das auf jeden Fall. Ziemlich geiler Lead, den er da gebastelt hat. Hat er schön gemacht.

Ja, ich würde auch sagen, er ist definitiv aus Göteborg beeinflusst worden. Also, ich habe mir nur „schwedisch“ aufgeschrieben, aber ja … wenn „The Way Of The Damned“ Stockholm war, ist „A Dying Sun“ der Göteborg-Song, würde ich auch so sagen. Sonst habe ich mir dazu gar nicht viel aufgeschrieben. Also, ist ein schöner, runder Song, sticht halt durch seine vielen Melodien ein bisschen raus. Was ich an dem Song besonders geil fand, war eben dieser stampfende Nackenbrecher-Part.

Florian: Am Schluss, dieser dr-dr-dr …

Genau.

Florian: Ja, das bringt einen schönen Kontrast in den Rest des Songs, damit bricht er nochmal so ein bisschen aus. Gerade auch zu den Lyrics sehr passend, wo es um Alkoholsucht geht. Zum Schluss wird es damit eben nochmal richtig stampfend-boshaft. Das passte schon.

Joa … dann würde ich mal zu „Pilgrim“ übergehen.

 

„Pilgrim“

Am deutlichsten aufgefallen ist mir hier eigentlich, dass die gesprochenen Vocals etwas sehr düsteres darein bringen. Das ist schon der Hammer, hat mich ein bisschen geflasht. Wie kam’s dazu?

Florian [nachdem er, als ich die gesprochenen Passagen lobte, jubelnd die Arme in die Höhe gerissen hat]: Ich bin da tierisch stolz drauf, cool das du das sagst. Bei diesen Spoken-Words-Passagen hatte ich immer massive Bedenken, es ist halt als Nicht-Engländer tierisch schwer, gerade sowas herüberzubringen, ohne dass es unsauber klingt, und da wird dann immer gejammert, dass man den deutschen Akzent raushört …

Ich finde, man hört nicht unbedingt deinen deutschen Akzent raus, sondern deinen bayerischen, haha.

Florian: Oh, haha. Nee, da gab’s bei der „Vitium“ einiges an Kritik und das war dann jetzt das, worauf der Basti viel Wert gelegt hat, dass das eben einigermaßen sauber klingt. Wir haben dann einige Male herumprobiert, gedoppelt, umhergeschoben, dass es so klingt, wie es jetzt klingt. Aber das war’s wert, es klingt jetzt tierisch düster und dynamisch, finde ich.

Ja, ein sehr dynamischer Song, würde ich auch sagen.

Fred: Danke, danke.

Joa, kein Ding.

Florian: Dieser Song kommt jetzt aus Fredis Feder, deshalb …

Achso, okay. Genauso, wie dieser Song auch wieder ein Stück weit stampft, aber auch sehr rauh klingt.

Fred: Ja, sollte auch sein.

Joa … also, schon ein dynamischer Song, aber auffälliger finde ich, dass man diesen Song vielleicht als den rauesten auf der Platte beschreiben könnte.

Florian: Ja, das ist schon ein Kontrast zum Vorgängersong, „A Dying Sun“. Wie gesagt, das ist das, worauf wir viel Wert gelegt haben, dass die Songs nicht stumpf aneinandergereiht sind, sondern dass da starke Kontraste hervortreten. Da war die Entscheidung, „A Dying Sun“ und „Pilgrim“ hintereinanderzusetzen, relativ schnell gefallen, weil die Songs eben so gegensätzlich sind: „A Dying Sun“ mit seinen Melodien und „Pilgrim“ ist dann das genaue Gegenteil.

Fred: Wenn du’s mit ’nem Haus vergleichen willst, die beiden Songs sind einmal wie ein Rohbau und ein fertiges Haus, hehe. Wobei das jetzt nicht heißen soll, dass der Song unausgereift ist, sondern dass er eben einfach puristisch klingen soll.

Ich verstehe den Vergleich schon, er klingt halt schön spontan und nach „Ach komm, wir machen mal einen Song“, während „A Dying Sun“ irgendwo durchdachter, ausgearbeiteter klingt. Bitte nicht falsch verstehen, haha.

Fred: Nee, das sollte schon genauso sein.

Florian: Er hat halt auch nicht den klassischen Songaufbau. Das trägt dazu bei.

Und worum geht’s hier eigentlich textlich? So grob?

Florian: „Pilgrim“ … ja … Glaubenskonflikte, um es mal ganz allgemein zu sagen.

Fred: Zur Zeit eben wieder ganz aktuell. Der eine glaubt an seine Meinungsfreiheit, der andere an seine Religion, was dabei herauskommt, sieht man ja. [Zur Zeit des Interviews gingen gerade die Proteste vor den westlichen Botschaften frisch durch die Medien. – Anmk. d. Red.]

Florian: Ja, dadurch ist der Song leider Gottes wieder aktueller denn je geworden.

Gut, dann lass uns mal mit „Fall Into Oblivion“ weitermachen.

„Fall Into Oblivion“

Da gucke ich dich, Fred, jetzt mal ganz speziell an.

Fred: Hehe.

Nachdem ich ja schon gehört habe, dass du rockig beeinflusst bist: „Fall Into Oblivion“ ist ein verdammt rockiger Song, finde ich.

Fred: Findest du?

Finde ich. Zumindest wird er es im Laufe des Songs. Also, groovend …

Fred: Grooven sollte er auf jeden Fall, das stimmt …

Na ja, ich fand auf jeden Fall das Riffing teilweise sehr rockig, vom Feeling her. Irgendwas habe ich mir hier aufgeschrieben, „ab Minute 2:00“.

Florian: Was war denn da nochmal? [Macht den Song an und skippt zu Minute 2:00.]

Fred: Nee, vom Feeling her ist der Song schon sehr rockig, das stimmt. War aber gar nicht beabsichtigt. [Mittlerweile hat Florian die Stelle gefunden.] Ah, gut, der Groovepart, ja. Nee, ja, vom Feeling her sehr rockig, stimmt, aber ich finde, dadurch, dass der Verse auch ein bisschen „stampfig“ oder gar „hakelig“ wirkt, braucht der Song das fast. Damit er überhaupt so wirken kann, wie er wirken soll. Man hätte es natürlich so machen können, dass der Song noch ein bisschen weiter „hakelt“, aber ich glaube nicht, dass das songdienlich gewesen wäre. Aber vielleicht ist das auch nur mein persönlicher Geschmack.

Mag sein. Ich hab mir hier nämlich auch noch aufgeschrieben, dass der Song live ohne Ende hinhauen sollte, gerade dadurch …

Florian: Oh, das tut er. Wir haben ihn letztes Jahr, als wir ihn gerade fertig hatten, das erste Mal gespielt, in Rosenheim war das. Der Song war von Anfang an ziemlich … also, der funktioniert live.

Jo, das habe ich mir gedacht.

Fred: Macht auch Spaß, ihn zu spielen.

Florian: Doch, der ist schon … wie so ein Wellengang. Schnell – langsam – schnell – langsam. Macht Spaß.

Geplant oder so entstanden?

Fred: Beides so ein bisschen …

Florian: Wir lügen jetzt einfach: Das war absolut geplant, haha.

Fred: Na ja, also, damals hatten wir gerade NERVECELL aus Dubai in Linz gesehen und die Jungs haben mir vom Sound her total zugesagt. Für meinen Geschmack übrigens auch sehr Hard-Rock-angehauchte Soli … hör’s dir mal an. Na ja, auf jeden Fall hatte ich mir da auch das Album gekauft und war von der Art und Weise, wie sie ihre Songs schreiben, sehr beeindruckt. Vielleicht hört man das hier besonders raus, das hat mir schon ein bisschen die Stoßrichtung für die Riffs gegeben.

Florian: „Fall Into Oblivion“ war auch so ein Song, der sehr lange gebraucht hat.

Fred: Ja, sehr lange …

Florian: Die Detailarbeit war halt sehr anstrengend.

Fred: Dafür, dass er so geradlinig und gesetzt wirkt, wenn auch mit der Zeit rockig, hat er wirklich lange gebraucht.

Florian: Gerade im Verse haben wir viel und lange probiert und variiert, wie wir das jetzt spielen, ein ewiges hin und her.

Fred: Obwohl’s total billig ist, haben wir wirklich lange dran rumgefeilt, haha.

Florian: Nee, ich glaube, wir haben wirklich drei oder vier Versionen vom Verse gehabt und immer wieder ausgetauscht und hin- und hergeschoben, bis der Song mal so gestanden hat, wie er jetzt steht.

Okay … hätte ich nicht gedacht. Ich hätte gedacht, das wäre jetzt wirklich ein eher spontaner Song gewesen.

Florian: Die Idee war spontan, die Ausarbeitung … ähm, nicht mehr, haha.

Na gut, okay, haha.

„Darkened Skies“

Joa, „Darkened Skies“, der Abschluss. Von dir, Flo, weiß ich ja schon, dass es dein Liebling ist.

Florian: Jo.

Das kann ich auch durchaus nachvollziehen – also, ich kann noch nicht sagen, ob es auch mein persönlicher Liebling wird, aber ich verstehe, warum. Man hat am Anfang im Intro, auch wenn das kitschig klingt, ein bisschen „pure Schönheit“, wie ich fand, dann schlägt der Groovehammer wieder zu, es gibt eine depressive, oder vielleicht eher deprimierte, Grundstimmung und ein wiederum sehr episch-düsteres und emotionales Ende. Ich würde sagen, wenn „Sold“ am Anfang irgendwo programmatisch war, um klarzumachen, wo es langgeht, dann ist „Darkened Skies“ der Song, der alles noch mal aufnimmt, vereinigt und … ja …

Florian: … zum Abschluss bringt?

Ja, genau, „zum Abschluss bringt“ trifft’s.

Florian: Also, bei mir war „Darkened Skies“ von Anfang an der ultimative Schlusssong. Darüber, welchen Song wir ans Ende stellen, haben wir auch diskutiert, ich sagte direkt: „Darkened Skies“. Der ist irgendwie so hoffnungslos. Ich steh‘ total darauf, wenn der letzte Song auf einem Album nochmal alles so richtig ins Negative drückt, das hast du hier.

Was wären denn die Alternativen für das Ende gewesen?

Florian: Wollen wir das verraten? Haha.

Fred: Ich glaube nicht, dass eine Alternative einen Sinn gemacht hätte. „Silhouette Empire“ war auch noch eine Idee, aber um den am Ende zu bringen, hätten wir das ganze Ding noch einmal umschmeißen müssen.

Florian: „Darkened Skies“ hätte auch am Anfang oder in der Mitte der Platte nie so gut funktioniert, wie jetzt am Schluss.

Fred: Noch dazu ist es der allerlängste Song auf der Platte … wahrscheinlich hätte er genau deshalb auch nirgendwo sonst funktioniert.

Florian: Ja. Sagen wir mal, „Darkened Skies“ ist … also, auch vom Text her, wie die Platte aufgebaut ist, da geht es in den einzelnen Songs auf relativ persönlicher bzw. individueller Ebene zu, und „Darkened Skies“ spiegelt das alles wieder – nur dass hier dann das Ende der Welt beleuchtet wird.

Nun, ich denke, „Silhouette Empire“ hätte vielleicht auch funktioniert, wäre aber einfach ein anderes Ende gewesen.

Fred: Ja, definitiv, ein ganz anderes Ende.

Also, der Song gibt dem Album so wie es jetzt ist schon ein rundes Ende.

Fred: Ja, du sagst ja selber, das Stück vereinigt nochmal alles, was das Album ausmacht, den traurig-depressiven, den groovigen, den melodischen Teil … wenn du das mittendrin oder am Anfang bringen würdest, glaube ich nicht, dass irgendjemand etwas mit dem Song anfangen könnte.

Ein klassischer Rausschmeißer also …

Florian: Der perfekte Song zum Einschlafen.

Fred: Oder zum Beischlaf, haha …

Florian: Du, das Diktiergerät läuft noch, Fredi, haha.

Ich glaube, ich lasse es auch besser noch ein bisschen laufen. [Plötzliche Stille … schade.] Joa … wollt ihr noch was dazu sagen?

Florian: Nö, eigentlich nicht, oder?

Fred: Nö.

Gut, dann danke ich Euch!

20.09.2012
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