Erang
Tome Zero: Choose Your Own Adventure

Special

Dieses Choose-Your-Own-Adventure-Special ist von „Tome Zero“ und den in die Geschichte integrierten Artworks und Interviewstücken von ERANG inspiriert, versteht sich aber als eigenständige Rahmengeschichte. Es erhebt keinen Anspruch auf inhaltliche Korrektheit innerhalb von ERANGs „Land of the Five Seasons“ und spielt nicht zwingend darin.

Du stehst vor einem dunklen, mit Efeu umrankten Höhleneingang mitten in einem dichten Wald. Du bist auf der Suche nach ERANG und Informationen über sein neues Album „Tome Zero“ hierhergekommen – verschiedene, mysteriöse Hinweise haben dich von deiner Haustür bis hierher geführt. Aus den tiefen der Höhle kannst du eine leise, melancholische Melodie erahnen.

„Land of the Five Seasons“ von ERANG

Du folgst der Melodie, schiebst den Efeu zur Seite und betrittst die Höhle. →

← Du kehrst um und gehst zurück in den Wald.

Sobald sich deine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, schaust du dich erstaunt um. Vor nicht allzu langer Zeit scheint jemand hier gewesen zu sein! In der Mitte der Höhle glimmt das Holz noch leicht in der Feuerstelle, daneben steht ein Topf, in dem noch ein letzter Rest Frumenty ist. Im Feuer siehst du ein halbverbranntes Blatt Pergament, das zurückgelassen wurde. Als du deine Hand nach dem Blatt ausstreckst, hörst du von tief in der Höhle ein grollendes Geräusch.

„Crystal Mountains Mystery“ von ERANG

Du guckst dich um, doch als du nichts entdeckst, schaust dir das Pergament genauer an. →

← Du ziehst deine Hand blitzschnell wieder zurück und machst dich mit klopfendem Herzen auf den Weg, das Geräusch zu untersuchen.

Du hältst das Pergament näher an die schwach glimmende Feuerstelle, um die von den Flammen noch unberührten Worte darauf lesen zu können. Im Halbdunkel liest du folgende Worte:

Mit „Tome Zero“ kehrst du zum Anfang zurück, der in gewisser Weise auch das Ende ist. Welche Geschichte wolltest du erzählen und in welcher Beziehung steht sie zu deinem eigenen Leben?

Alle meine Alben haben einen Bezug zu meinem eigenen Leben, und dieses ist keine Ausnahme. „Tome Zero“ erzählt eine Geschichte, aber es ist eine düstere . Nach dem großartigen Gemeinschaftsprojekt „The Kingdom Is Ours“ mit MORTIIS, FIEF, JIM KIRKWOOD und anderen (ein Album, das kraftvoll und strahlend war) musste ich mich wieder in meine Höhle zurückziehen, weit weg von allen anderen. Im Herzen bin ich ein Einzelgänger.

Ich habe „Tome Zero“ in einem eher depressiven Zustand geschrieben, bedrückt vom Leben und vom Zustand der Welt: der Gefahr eines Krieges zwischen Atommächten, dem politischen Wahnsinn in unseren Ländern, ökologischen und technologischen Gefahren, unserer Abhängigkeit von Handys und sozialen Medien… Deshalb ist der Sound traurig und zerrissen, wie ein gedämpfter Schrei.

Was waren die wichtigsten externen Einflüsse für „Tome Zero“ und wie haben sie dich inspiriert? Du hast zuvor ULVER, ONEOHTRIX POINT NEVER und LORN erwähnt.

Das ist nie ein bewusster Prozess, sondern eher ein sehr spontaner und organischer. Meistens erkenne ich diese Einflüsse erst im Nachhinein. Bei LORN ist es wirklich die organische Art und Weise, wie er seine Synthesizer-Sounds gestaltet – sehr staubig, immer kurz vor dem Zerbrechen, wie eine heulende Maschine. Was ULVER betrifft, so hat der Track „Not Saved“ bereits mehrere meiner Stücke auf verschiedenen Alben inspiriert.

Aber bei ULVER oder ONEOHTRIX POINT NEVER ist es meiner Meinung nach vor allem ihr Freiheitsgefühl, das mich beeinflusst – der Wille, zu experimentieren und Neues zu entdecken, während sie sich selbst treu bleiben. Das ist es, was ULVER von Beginn an gemacht hat.

Verwirrt von dem, was du gerade gelesen hast, hältst du inne. Ist das hier die Höhle, in die ERANG sich zurückziehen musste?

„Ist da jemand?“, fragst du laut in die Stille der weiten, leeren Höhle. →

← Im schwachen Licht der Glut wendest du das Pergament und untersuchst die andere Seite.

Auf einmal stellen sich deine Nackenhaare auf und ein kalter Schauer läuft dir über den Rücken. „Hallo?“, rufst du ins dunkle Nichts. Keine Antwort. Auf einmal flüstert dir eine Stimme direkt ins Ohr:

Welche Orte und Figuren begegnen uns auf „Tome Zero“?

„Tome Zero“ unterscheidet sich von meinen anderen Alben, da es nicht direkt mit den Orten und Figuren aus dem „Land of the Five Seasons“ verbunden ist. Allerdings ist der Titel „Spoken Bones“ eine direkte Fortsetzung meines früheren Stücks „Silent Bones“ aus dem Album „Within the Land of My Imagination I Am the Only God“. Das Gleiche gilt für „Specter of the Iron Path“, das mit „Funeral for Erang“ in Verbindung steht.

Als ich 2014 die Gitarre für „Funeral for Erang“ aufnahm, habe ich eine komplette Session mit verschiedenen Melodien eingespielt. Die Melodie von „Specter of the Iron Path“ stammt aus derselben Session und könnte als „Funeral for Erang, Teil II“ betrachtet werden. Ich war sogar versucht, den Titel so zu nennen, aber „Specter of the Iron Path“ hat für mich eine andere, stärkere Bedeutung.

Charaktere wie der „Drunken Tyrant“ tauchen in verschiedenen Formen in deinen Werken auf. Spiegeln sie wechselnde Aspekte deiner Persönlichkeit wider oder sind sie eher archetypische Symbole, deren Interpretation du bewusst offen lässt?

Ich möchte der Fantasie der Zuhörer Raum geben. Ich sehe das „Land of the Five Seasons“ als einen offenen Ort, den sich jeder selbst gestalten und dessen Geschichte er sogar erweitern kann, wenn er sich dazu inspiriert fühlt. Ich würde liebend gerne Geschichten oder Fanfiction lesen, die dort spielen.

Du bist dir ganz sicher, dass außer dir niemand im Vorraum der Höhle war. Woher also kam die Stimme?! Zutiefst verstört von deinem Erlebnis lässt du das Pergament zurück in die Flammen fallen, nimmst stattdessen deine Beine in die Hand und fliehst. →

Von der Rückseite des Pergaments blicken gelb glühende Augen direkt in deine. Nachdem das Geräusch deines schlagenden Herzens etwas nachegelassen hat und du dir das Pergament noch einmal in Ruhe anschaust, siehst du, dass es nur eine Zeichnung ist. Wer auch immer zuletzt in dieser Höhle war, hat offensichtlich eine furchterregende Spinne gezeichnet. Woher die Vorlage für diese Zeichnung wohl stammt?

„Arakno Kastle“ von ERANG

Noch während du über diese Frage philosophierst, verdunkelt sich die Höhle und ein Schatten fällt über dich. Langsam und so geräuschlos wie möglich drehst du dich um, um zu sehen, woher der Schatten kommt. Das letzte, das du siehst, bevor du nichts mehr weißt, ist ein Paar gelb glühender Augen. 💀

Schritt für Schritt wagst du dich weiter in die Höhle vor, die sich von einer großen, offenen Halle langsam in einen schmalen Gang verjüngt. Langsam schwindet der letzte Rest Tageslicht, der durch den Efeu im Vorraum der Höhle für schummriges Licht sorgt und du hältst mit der linken Hand den Kontakt zur Höhlenwand, um dich nicht zu verlaufen. Nachdem du eine Weile geradeaus gestolpert bist, stößt deine rechte Schulter gegen etwas. Blind tastest du um dich und stellst fest, dass du an einer Gabelung stehst. Aus welcher Richtung kam bloß das Geräusch?

„Forever Trapped Within The Arakno Kastle Katacombs“ von ERANG

Du hältst mit deiner linken Hand weiter Kontakt zur Höhlenwand und bleibst auf deinem Weg. →

← Vorsichtig tastest du dich zur rechten Seite der Höhle hinüber und folgst dem Tunnel in die absolute Dunkelheit.

Kaum bist du ein paar Meter weit gelaufen, ist da wieder das Geräusch! Ein dunkles, bedrohliches Grollen. Im Hintergrund hörst du das leise Plätschern von Wasser. Du wirst langsamer und konzentrierst dich, um das Geräusch besser hören zu können. Es klingt, als würde es näher kommen? Auf einmal reißt ein scharfer Schmerz durch dein Bewusstsein, als ein schwerer, harter Gegenstand mit voller Wucht gegen deine Stirn schlägt.

„Ghouls Grotto“ von ERANG

Als du wieder zu dir kommst und deine Augen einen Spalt öffnest, siehst du gerade noch, wie ein unheimliches, schleimiges Wesen mit einem Stein über deinem Kopf ausholt, bevor dieser mit schwindelerregender Geschwindigkeit auf dich zurast und mit einem satten Schmatzen sein Ziel findet. 💀

Mit jedem Schritt, den du gehst, wird der Tunnel schmaler und schmaler bis du dich am Ende seitlich weiterschiebst. Gerade als du denkst, dass du dich unmöglich noch einen Zentimeter weiter schieben kannst, ist der Tunnel urplötzlich vorbei und du siehst dicht vor deinem Gesicht ein mysteriöses, blaues Licht. Sobald deine Augen sich an das Licht gewöhnt haben, siehst du, dass in der Mitte des kleinen Raumes eine verhüllte, regungslose Gestalt steht. Als du sie fragst, wer sie ist, rezitiert sie mit schnarrender Stimme und starrem Blick:

Deine Musik entsteht aus Erinnerungen, Orten und Fragmenten deines eigenen Lebens, die eine tiefe Bedeutung haben. Wenn Zuhörer dir sagen, dass deine Arbeit auch für sie eine Bedeutung hat, siehst du das dann als eine gemeinsame Erinnerung – oder hast du das Gefühl, dass deine private Welt durch andere neu interpretiert wird?

Der ganze Sinn besteht darin, dass sie von anderen Menschen neu interpretiert wird. Ich möchte, dass sie sich die Musik zu eigen machen und ihre eigenen privaten Erinnerungen wiederaufleben lassen. Mein Leben hat keine Wichtigkeit. Aber darin liegt die Kraft der Kunst und der Musik: Indem man anderen etwas sehr Persönliches und Unbedeutendes präsentiert, kann man etwas erreichen, das darüber hinausgeht und universeller wird. Dann sehen die Menschen darin, was sie sehen wollen, und es gehört nicht mehr dir. Das ist meiner Meinung nach das Schöne daran.

Viele Künstler befürchten, dass ihre Werke missverstanden oder instrumentalisiert werden könnten. Hast du Angst, dass das „Land of the Five Seasons” nicht mehr dein persönliches Reich sein könnte, sondern zu einer „offenen Spielwiese” für alle wird?

Wie ich bereits sagte, absolut nicht: Tatsächlich ist es genau das Gegenteil. Ich schaffe Kunst, um mit anderen zu kommunizieren, und wenn sie darauf reagieren, indem sie etwas innerhalb des „Land of the Five Seasons” schaffen, ist das für mich perfekt. Einige Leute haben es bereits in ihren eigenen Alben verwendet, und das freut mich immer sehr.

Am Ende ihres Monologs angekommen, teilt die Gestalt ihren Umhang und streckt ihren Arm aus. In ihrer Hand hält sie einen kleinen, glänzenden Stein, den sie dir auf der offenen Handfläche hinhält. Kurz überlegst du, ob es sicher für dich ist, dieses unbekannte Objekt zu berühren, aber dann siegt die Neugier. Deine Fingerspitzen haben den Stein kaum berührt, als eine mächtige Vision über dich hereinbricht. →

Die Bäume im Wald mit ihren strahlenden, grünen Blättern geben dir ein gutes Gefühl und du bleibst kurz stehen, um durchzuatmen. Dabei fällt dein Blick auf den Baum zu deiner Rechten, in dessen Rinde etwas geritzt zu sein scheint. Du trittst näher an den Baum heran und liest:

Wenn du irgendwo im Land der fünf Jahreszeiten leben könntest, wo würdest du dich niederlassen und warum?

Wahrscheinlich im Emerald Forest, irgendwo in der Nähe der Greenberry Lodge. Dort herrscht ewiger Frühling, umgeben von einem üppigen Wald und dem Duft von Moos… Ich denke, das wäre ein schöner Ort zum Leben.

Viele deiner Alben spielen im „Land of the Five Seasons”. Hat sich diese Welt im Laufe der Zeit mit dir verändert – und gibt es Orte oder Regionen, die sich heute anders anfühlen als zu der Zeit, als du sie erschaffen hast?

Das „Land of the Five Seasons” ist wie meine gesamte Kunst: spontan und organisch. Es wächst in alle Richtungen, und ich weiß nie, was als Nächstes passieren wird. Noch bevor ich die Zuhörer unterhalte, muss ich mich selbst unterhalten und begeistert bleiben, daher ist dort alles möglich. Es gibt auch eine zeitliche Dimension im „Land of the Five Seasons“, in der sich verschiedene Realitäten über verschiedene Zeitachsen entfalten.

In meinem Album „ANTIFUTURE“ gibt es zum Beispiel den „Drunken Maniac“, der derselbe Charakter ist wie der „Drunken Tyrant“ aus meinem mittelalterlichen Fantasy-Album, aber in der Realität von 1982 angesiedelt ist. Und dann trifft man in „Endless Realms and Eternal Gods“ auf den „Drunken Marshall“, wieder denselben Charakter, aber im Jahr 1882. Wenn man sich die Tracklisten dieser Alben ansieht, versteht man, was ich meine.

Du erkennst, dass diese Worte einen tiefen Bezug zu dir selbst und zu dem Ort um dich herum haben. In stiller Ehrfurcht gehst du tiefer in den Wald. →

← Um dich an diese Worte und den Moment der Reflektion zu erinnern, brichst du einen kleinen Zweig des Baumes ab.

Mit offenem Geist schlenderst du über breite Wege und schmale Pfade und lauscht den Geräuschen des Waldes. Doch während du gedankenversunken geradeaus gehst, fällt etwas auf deine Schulter. Eine Eichel vielleicht? Zumindest denkst du das, bis du ein hämisches Kichern über dir hörst. Du richtest den Blick nach oben und siehst den Störenfried aus einem Ast sitzen, der dich aus deiner Reflektion gerissen hat. Was für ein gottloses Verhalten! Als du den Weg vor dir noch einmal studierst, siehst du, dass er keine Eichel auf dich geworfen hat, sondern ein zusammengeknülltes, beschriebenes Blatt.

„Sitting In A Dream_Tome III“ von ERANG

Du weißt nicht, ob du wütend werden oder lachen sollst, aber kletterst kurz entschlossen hinauf zu dem Schelm. →

← Du hebst das Blatt auf, verstaust es erst einmal in deiner Tasche und entfernst dich so schnell wie möglich von dem Störenfried.

Oben auf dem Ast angekommen, genießt du erst einmal die Aussicht, bevor du irgendetwas sagst. Von deinem Aussichtspunkt aus kannst du bis an das Ende des Waldes schauen, vor dem sich eine beeindruckende Bergkette auftürmt. Doch was ist das? Einer der Berge scheint sich zu bewegen. Du kneifst deine Augen zusammen und lehnst dich vor, um besser erkennen zu können, was passiert. Das gibt es doch nicht! Da läuft ein echter Riese zwischen den Bergen hindurch.

„Our Valley“ von ERANG

Du drehst dich zur Seite, um deinen eichelwerfenden Astnachbarn auf den Riesen aufmerksam zu machen, doch noch bevor du auch nur seine Nasenspitze sehen kannst, verlierst du den Halt.

Wie in Zeitlupe rutscht du vom Ast. Du versuchst, dich an dem Baum, an deinem Nachbarn, an irgendetwas festzuhalten, doch es ist zu spät. Wild mit den Armen rudernd fällst du dem weichen Waldboden entgegen – und landest mit dem Kopf direkt auf einer harten Baumwurzel. 💀

Als du dem Waldweg für ein paar Windungen gefolgt bist und das kleine Männchen aus den Augen verloren hast, hältst du kurz inne, um das Blatt aus deiner Tasche zu fischen. Vorsichtig faltest du es auseinander und liest, was jemand mit undeutlicher Handschrift darauf geschrieben hat.

Die Jahreszeit der Magie ist die geheimnisvollste der fünf Jahreszeiten. Wenn du eine verborgene Wahrheit darüber preisgeben würdest – etwas, das die meisten Zuhörer:innen nicht wissen –, was wäre das?

Die Jahreszeit der Magie erstreckt sich endlos über die kargen Steppen von Kolm, einem leblosen Land, in dem es keine anderen Jahreszeiten gibt. Obwohl es trostlos und gefährlich ist, birgt es die farbigen Salze: seltene, unberechenbare Substanzen, die für alle Zauberei in den fünf Jahreszeiten unverzichtbar sind.

Es gibt dreizehn Salze, jedes hat seine eigene Farbe und verfügt über besondere Kräfte, aber sie zu meistern ist gefährlich, da viele durch ihren unbedachten Gebrauch ihren Verstand oder ihre Seele verlieren. Diejenigen, die es wagen, die Körner auf ihre Zunge zu legen und wissen, wie man sie kanalisiert, können sowohl wundersame als auch schreckliche Kräfte freisetzen.

Viele deiner Landschaften sind von realen Orten aus deiner Vergangenheit inspiriert. Bist du jemals an einen Ort zurückgekehrt, der sich so sehr verändert hatte, dass er aus deiner Mythologie verschwunden zu sein schien?

Nein, das ist noch nie passiert, und selbst wenn, wäre es unwichtig: Was zählt, ist, wie diese Orte in meiner Vorstellung erscheinen. Dort werden sie niemals verschwinden.

Überrascht siehst du von dem Blatt auf. Vielleicht war das Männchen auf dem Baum doch feinfühliger als gedacht, wenn es diese Worte an dich weitergegeben hat. Du drehst dich um und läufst den Weg zurück, den du gekommen bist. Schon aus der Ferne hörst du eine Melodie, die immer deutlicher und klarer wird, je näher du dem Baum kommst.

Auf dessen Ast siehst du noch immer das Wesen sitzen, das auf einem eigentümlichen Instrument die melancholische Melodie spielt. Du siehst hinauf, lässt dich von der Musik davontragen und hörst in stiller Ergriffenheit zu. →

In derselben Sekunde, in der du das Holz brechen hörst und den Zweig in deiner Hand hältst, spürst du, dass du einen Fehler gemacht hast – aber es ist zu spät. Der Baum fängt an, leicht zu vibrieren und du hörst ein Rascheln und Knacken, das dir einen Schauer über den Rücken jagt. Das dichte Laub teilt sich und zwei kalte, harte Augen blicken dir direkt in die Seele.

„Strange Eyes From The Trees“ von ERANG

Du bist von dem Anblick so erschrocken, dass du deinen Zweig fest umklammerst und geradewegs in eins der weit geöffneten Augen stößt. →

← „Es tut mir leid!“, entschuldigst du dich. „Sag mir, was ich tun kann, um diesen Fehler wieder gutzumachen.“

Als du deine Hand zurückziehen willst, um so schnell wie möglich wegzurennen, rühren deine Finger sich keinen Millimeter. Du schaust auf deine zur Faust geballten Finger, die noch immer um den Zweig geschlungen sind, der aus dem Auge der Baumkreatur ragt. Du reißt und schüttelst, aber keine Chance. Je mehr du versuchst, zu entkommen, desto steifer wird dein Arm. Du schaust an dir herunter und siehst, dass deine Hautfarbe sich langsam grünlich färbt. Auch deine Füße sind von Wurzeln umschlungen und bewegen sich nicht.

„A Season of Bloom“ von ERANG

Je länger du schaust, desto unerkenntlicher ist es, wo du endest und der Baum beginnt. Aber beginnen und enden wir überhaupt irgendwo? Sind wir nicht alle Teil der Welt und somit Teil von einander?

Du streckst deine Äste aus, deren Blätter sachte im Wind rascheln. Wenn du dich ein kleines bisschen weiter streckst, bist du sicher, kannst du fast den Himmel berühren. →

Langsam blinzeln die fremden Augen dir entgegen. „Erst, wenn du den Sinn dieser Botschaft verstehst, wird deine Gewalttat verziehen sein“, sagt eine tiefe, knarrende Stimme und fährt dann fort:

Deine Maske ist zu einem wichtigen Symbol geworden. Was würde passieren, wenn du dich entscheiden würdest, ohne sie aufzutreten – würde das die „Zerstörung“ des “Land of the Five Seasons“ bedeuten oder vielleicht sein letztes Kapitel?

Zerstörung? Nein, niemals. Das ist die Philosophie, der ich in allen Bereichen meines Lebens zu folgen versuche: Was auch immer mir passiert, ich versuche, es in eine kreative, positive Kraft zu verwandeln. Allerdings gibt es für mich derzeit keinen Grund, die Maske abzulegen. Wie gesagt, mein Leben als Individuum hat keine Bedeutung. Was zählt, ist die Verbindung zwischen meiner Kunst und den Menschen: die Geschichte, die erzählt wird, nicht wer ich bin.

Wenn du dir das Ende deiner Mythologie vorstellst, wird es dann ein letztes Album geben, das die Geschichte abschließt – oder ist das „Land of the Five Seasons” bewusst so konzipiert, dass es niemals wirklich endet?

Es wird niemals enden.

Wenn du den Zuhörern nur eine geheime Botschaft aus all deinen Alben mitgeben könntest – eine Art verstecktes Vermächtnis –, wie würde diese lauten?

Ich würde sagen, was die Stimme im Intro von „We Are The Past: Im Ajinar Nost Alije…“ verkündet, was in einer alten Sprache aus Lobrok, einem gefrorenen Land im Norden der Fünf Jahreszeiten, bedeutet: „Nostalgie für die Zeit, als wir noch Fantasie hatten.“ Und an alle, die etwas schaffen wollen, sei es Musik, Malerei oder etwas anderes, aber aus so vielen Gründen zögern: Habt keine Angst. Tut es einfach und lasst euer Herz und euren Verstand für euch sprechen.

Tief berührt bleibst du vor dem Baum stehen und denkst darüber nach, was du gerade gehört hast. Wie in einer Trance steigst du in die Tiefen deiner Selbst hinab.

Gerade, als du denkst, dass du den Sinn des Gesagten endlich verstanden hast, hörst du in deinem Kopf eine leise Melodie, die immer lauter wird, bis sie alle anderen Gedanken aus deinem Bewusstsein verdrängt und dich völlig vereinnahmt. →

Quelle: Erang
03.10.2025

"Es ist gut, aber es gefällt mir nicht." - Johann Wolfgang von Goethe

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