The Hives
Niklas Alqvist zu Gast im Metal Minds The Pit Unplugged Podcast

Special

Seit über drei Jahrzehnten stehen THE HIVES für kontrollierte Explosion, handgemachte Präzision und ein unerschütterliches Selbstverständnis. Sie sind nicht einfach eine Band, sie sind ein Phänomen. Und Niklas Almqvist, Gitarrist und kreativer Kopf neben Frontmann Pelle, bringt es im Gespräch auf den Punkt: „The Hives are forever – it’s a scientific fact.“ Der Satz fällt ohne Ironie, aber mit der typischen Mischung aus Ernst und augenzwinkernder Selbstinszenierung, die die Schweden seit 1993 unverwechselbar macht. Im Gespräch mit Gitarrist Niklas Almqvist geht es um Disziplin und Eitelkeit, um Humor als Haltung – und um die Frage, warum THE HIVES keine Band über etwas sind, sondern das Genre selbst verkörpern.

Elf Jahre lang war es still um THE HIVES, zumindest, was neue Musik betraf. Dann erschien 2023 das Album „The Death of Randy Fitzsimmons“, eine Rückkehr, die alles andere als selbstverständlich war. Schließlich wurde darin nicht nur ein Legende beschworen, sondern zugleich für tot erklärt: Randy Fitzsimmons, jene rätselhafte Figur, die seit den Anfangstagen als Songwriter, Mentor und fiktiver Spiritus Rector der Band gilt.

Doch wie es sich für THE HIVES gehört, ist selbst der Tod kein Ende. Zwei Jahre später legen sie mit „The Hives Forever Forever The Hives“ nach, ein Titel, der auf dem Papier nach Größenwahn klingt, in Wahrheit aber die Quintessenz einer dreißigjährigen Bandreise ist. Oder, wie Gitarrist Niklas Almqvist im Interview sagt: „It’s a scientific fact – THE HIVES will be around forever.“

THE HIVES und Randy Fitzsimmons: Muse, Methode, Motor

Die Legende um Randy Fitzsimmons begleitet die Band seit der Gründung und bleibt bewusst undurchsichtig. „Er war nie einer von uns“, betont Almqvist. „Aber er ist Teil des kreativen Prozesses.“ Der angebliche Tod Fitzsimmons’ steht sinnbildlich für den Zyklus von Aufbruch, Rückzug und Wiedergeburt, den THE HIVES in den letzten Jahren durchlaufen haben. „Wir haben keine Leiche gefunden“, sagt Almqvist lakonisch. „Vielleicht ist er tot, vielleicht nicht, aber immerhin ist ein gutes Album dabei herausgekommen.“

So ist „The Death of Randy Fitzsimmons“ weniger ein Schlusspunkt als ein Wendepunkt: ein Befreiungsschlag nach Jahren des Schweigens. Der Nachfolger „The Hives Forever Forever The Hives“ hingegen markiert die Selbstvergewisserung einer Band, die gelernt hat, ihren eigenen Mythos mit wissenschaftlicher Gelassenheit zu betrachten.

Handwerk statt Hype

Musikalisch sind THE HIVES sich treu geblieben, in Disziplin und Detailversessenheit. Almqvist beschreibt ihren kreativen Prozess als systematische Versuchsanordnung: „Wir spielen jede mögliche Version eines Songs. Wir verschieben Teile, probieren jedes Arrangement, bis wir wissen: Jetzt stimmt’s.“

Dieses iterative Arbeiten – fast wie ein Laborversuch mit Verstärkern – zieht sich durch ihre gesamte Karriere. „Wir haben alle falschen Wege ausprobiert“, sagt Almqvist mit einem Grinsen. „Was bleibt, ist die einzig richtige Lösung.“ In einer Zeit, in der Musik oft zwischen Trendzyklen entsteht, wirkt diese handwerkliche Strenge wie eine Kampfansage an Schnelllebigkeit, oder, typisch für THE HIVES, als absurde Form der Hingabe.

Von Fagersta in die Welt: THE HIVES und der Weg in weite Welt

Dass ausgerechnet aus dem schwedischen Fagersta eine der prägendsten Rockbands der 2000er Jahre stammt, verdankt sich keinem Glück, sondern einer lebendigen lokalen Szene. „Es gab einen Typen, der Konzerte organisierte, Platten veröffentlichte und amerikanische Punkbands in unsere Kleinstadt brachte“, erinnert sich Almqvist. „Wir waren jung, haben jede Bühne mitgenommen und vom Ticketverkauf gelebt.“

Staatliche Förderung? Fehlanzeige. Dafür gab es Enthusiasmus, Energie und den festen Glauben, dass sich Musik nur durch Spielpraxis lernen lässt. Diese Haltung prägt die Band bis heute, ebenso wie die Einsicht, dass Wachstum und Glaubwürdigkeit keine Gegensätze sind.

Eitelkeit als Stilmittel

Kaum eine Band spielt so konsequent mit Image und Ironie wie THE HIVES. Die schwarz-weißen Anzüge, der elegante Gleichschritt, das Bühnengebaren, alles Teil eines bewusst gesetzten Markenzeichens. „Alle großartigen Bands haben ein klares Bild von sich“, sagt Almqvist. „Ich mag, dass Musik eitel ist. Das war bei den RAMONES so, bei KRAFTWERK, bei ACDC und bei uns.“

Der Ursprung dieser Ästhetik liegt paradoxerweise im Punk: „Alle trugen Leder und Nieten. Wir trugen Anzüge – einfach, um Leute zu nerven.“ Diese Umkehrung von Konventionen ist bis heute Kern des THE-HIVES-Kosmos: Selbstironie als Ausdruck von Souveränität.

Über drei Jahrzehnte Musik: Familie mit Friktionen

Fast alle Gründungsmitglieder stehen auch 2025 noch gemeinsam auf der Bühne. Dass man sich dabei gelegentlich gegenseitig auf die Nerven geht, ist laut Almqvist kein Makel, sondern Teil des Systems. „Wir streiten wie eine Familie, aber wir teilen denselben Humor wie mit 14.“ Die gemeinsame Geschichte, das Vertrauen und das intuitive Verständnis füreinander bilden das Fundament eines Sounds, der nur als Kollektiv funktioniert.

„Unser Timing, unser Zusammenspiel, das kannst du nicht ersetzen“, sagt Almqvist. „Das steckt in unseren Körpern, nicht in unseren Instrumenten.“

Rock lebt – ob sieben oder siebentausend Leute zuhören

Wenn über den vermeintlichen Tod des Rock gesprochen wird, reagiert Almqvist nüchtern: „Seit 70 Jahren sagen die Leute, Rock sei tot. Aber Menschen spielen ihn immer noch, also lebt er.“ THE HIVES sind der Beweis, dass Relevanz nicht an Charts gemessen wird. „Wir wollten nie berühmt sein, wir wollten einfach touren“, sagt Almqvist. „Popularität kam später und war nie das Ziel.“

Musikindustrie: Vom Gatekeeper zum Überfluss

Auch auf die Entwicklungen der Branche blickt Almqvist mit klarem Blick. „Früher entschieden ein paar Leute in großen Labels, was veröffentlicht wird. Heute kann jeder Musik herausbringen und das ist besser so.“ Der Überfluss an Veröffentlichungen sei keine Krise, sondern Vitalitätsbeweis. Dennoch fordert er faire Rahmenbedingungen: „Künstler sollten genug verdienen, um weitermachen zu können, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

Seine Lieblingsfolge dieses Wandels: dass viele Musikermachende wieder auf Tour gehen müssen. „Früher verdiente man mit Platten so viel, dass manche gar nicht mehr live spielten. Jetzt sind sie zurück auf der Bühne, und das ist gut so.“

Dankbarkeit und Weltfrieden

Bei aller Ironie bleibt Almqvist am Ende erstaunlich ernst: „Ich bin dankbar, dass wir nach all den Jahren noch touren und dass Menschen kommen. In Südamerika spielen wir größere Shows als je zuvor.“ Auf die Frage nach einem letzten Wunsch folgt kein Rock’n’Roll-Klischee, sondern schlicht: „Weltfrieden. Das sollte wohl auf jeder Liste stehen.“

THE HIVES haben nie auf Trends reagiert, sie haben ihre eigene Konstante geschaffen. Zwischen Humor und Handwerk, Mythos und Methode, Wissenschaft und Wahnsinn sind sie vor allem eines geblieben: lebendig. Wenn wir also nun die Zeile „The Hives Forever Forever The Hives“ hören, klingt das nicht nach Übertreibung. Es ist schlicht eine empirisch belegte Tatsache.

Galerie mit 30 Bildern: The Hives - Vainstream Rockfest 2024 in Münster
Quelle: Interview Niklas Almqvist 25.10.25 The Hives
09.11.2025

Musik ist mehr als Klang – sie erzählt von Leben, Leidenschaft, Aufbruch und Ankommen. Sie ist Kunst – roh, echt und einzigartig. Ihre Bedeutung entfaltet sich im Resonanzraum zwischen uns und der Welt. Come as you are!

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