Stick To Your Guns
Zwischen Härte und Fragilität: Jesse und Josh über Keep Planting Flowers
Special
Im aktuellen Metal Minds: The Pit Unplugged-Podcast spricht Diana Heinbucher mit Jesse Barnett und Josh James von STICK TO YOUR GUNS über ihr aktuelles Album „Keep Planting Flowers“. Es scheint etwas ungewöhnlich zu wirken, fast 10 Monate nach dem Release der Platte, das Thema nochmal aufzunehmen, doch, laut unserer Redakteurin, ist es diese Platte auf jeden Fall wert, nochmal genauer hinzuschauen. Das Gespräch dreht sich um den unerwartet mühelosen Schreibprozess, den Mut zur Verletzlichkeit im Titelsong, die Bedeutung von Gemeinschaft und den bleibenden DIY-Geist der Band. Außerdem erzählen die Jesse und Josh, wie es sich anfühlt, nach über zwanzig Jahren noch einmal ein Album vorzulegen, das für viele Fans als ihr stärkstes Werk gilt.
STICK TO YOUR GUNS – Zwischen Verletzlichkeit und Wut: „Keep Planting Flowers“ als Manifest des Durchhaltens
Es ist ein seltener Moment, wenn eine Band nach über zwanzig Jahren Bandgeschichte noch einmal ein Werk veröffentlicht, das sich wie ein Neuanfang anfühlt. Mit „Keep Planting Flowers“ haben STICK TO YOUR GUNS im Januar 2025 ein Album vorgelegt, das viele Fans bereits als ihr stärkstes Werk bezeichnen – und das in einer Diskografie, die ohnehin voller Hardcore-Meilensteine steckt. Auf dem Impericon Festival in Leipzig sprachen Sänger Jesse Barnett und Gitarrist Josh James über die Entstehung der Platte, die Kraft von Verletzlichkeit und darüber, warum es manchmal mehr Mut braucht, Blumen zu pflanzen, als Barrikaden zu errichten.
STICK TO YOUR GUNS und ein Album, das fast nicht entstanden wäre
Ursprünglich, so erzählen Jesse und Josh, stand die Band an einem Scheideweg. „Wir haben wirklich darüber nachgedacht, aufzuhören“, gesteht Josh. Doch genau dieser Gedanke befreite sie von all dem Druck, den eine langjährige Karriere mit sich bringt. Statt Business-Entscheidungen und Erwartungen anderer stand plötzlich wieder das Wesentliche im Vordergrund: Musik mit Freunden zu machen. So entstanden die Songs in nur drei intensiven Sessions, getragen von Spontanität und dem Willen, nichts erzwingen zu müssen.
„Keep Planting Flowers“ klingt deshalb ungefiltert, ehrlich und erstaunlich frisch. Von der ersten Idee bis zur finalen Produktion floss alles organisch, ergänzt durch den frischen Input von Schlagzeuger Adam, der seit 2023 Teil der Band ist. „Es fühlte sich zum ersten Mal seit langem leicht an“, sagt Jesse.
„Keep Planting Flowers“ – ein Song als Haltung
Der Titelsong sticht heraus. Musikalisch reduziert, mit akustischer Gitarre und rohen, gebrochen klingenden Vocals, verkörpert er genau das Spannungsfeld, das STYG seit jeher ausmacht: Wut und Verletzlichkeit, Härte und Zerbrechlichkeit. Inspiriert wurde der Titel von Singer-Songwriter Rodriguez, dessen Zeile „keep planting flowers“ Jesse zu einer Art künstlerischem Leitmotiv wurde. „Egal wie absurd und brutal die Welt ist – es geht darum, weiter etwas Schönes zu schaffen.“
Das Video unterstreicht diese Haltung: Offenheit, Verletzlichkeit, aber auch der Wille, Hoffnung zu bewahren. Dass viele Fans den Song als einen der bewegendsten der Band aufnehmen, überrascht die Musiker selbst – und bestätigt zugleich, dass Hardcore auch leise Töne verträgt.
Zwischen DIY-Spirit und Industrie-Realität
Auch nach zwei Jahrzehnten halten STICK TO YOUR GUNS an ihrem Do-it-yourself-Ethos fest. Management, Videos, Artworks – vieles bleibt im engen Freundeskreis. „Wir wollen mit Menschen arbeiten, die wirklich für uns brennen. Outsider haben uns zu oft enttäuscht“, sagt Jesse. Dieses Vertrauen in langjährige Weggefährten gibt der Band die Freiheit, sich nicht von Marktlogiken treiben zu lassen. Statt Reichweite um jeden Preis geht es darum, für die Community zu schreiben, die die Band seit Jahren begleitet.
Kooperation mit PALEFACE SWISS – „Instrument of War“
Aktuell zeigt die Zusammenarbeit mit PALEFACE SWISS, dass diese Haltung nicht Stillstand bedeutet. Gemeinsam veröffentlichten beide Bands die Single Instrument of War, ein aggressives, kompromissloses Stück, das Härte und politische Haltung bündelt. Für STYG ist die Kollaboration ein weiteres Zeichen dafür, dass Hardcore-Community über Grenzen hinweg funktioniert – und dass neue Generationen die gleiche Wut, aber auch die gleiche Sehnsucht nach Verbindung in sich tragen.
Zwischen Dankbarkeit und Haltung
Trotz all der Herausforderungen – vom logistischen Wahnsinn einer Festivaltour bis zu den politischen Spannungsfeldern, die die Band nicht ignoriert – überwiegt die Dankbarkeit. „Dass wir nach all den Jahren noch Shows spielen können, die zu den besten unserer Karriere zählen, ist nicht selbstverständlich“, sagt Josh.
Keep Planting Flowers ist mehr als nur ein weiteres Album. Es ist ein Manifest gegen das Aufgeben, ein Plädoyer für Verletzlichkeit und eine Erinnerung daran, dass Hardcore nicht nur Barrikaden kennt, sondern auch Blumenbeete.
