Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy)
"Wir wollen nicht mehr die quietschbunte Band sein!"

Interview

Mit ESKIMO CALLBOY  ist das ja echt so eine Sache. Entweder man liebt sie, entweder man hasst sie, oder man ist sich nicht sicher, ob man sie lieben oder hassen soll.
Was aber schon mal sicher ist, ist, dass die kunterbunte Core-Kapelle mit ihrem neuesten Release „The Scene“ in der ersten Veröffentlichungswoche auf Platz Sechs der Albumcharts jumpt. Also erneut Top Ten. Erneut ein Beweis, dass es durchaus immer noch funktioniert, was die Castrop-Rauxeler da so schwungvoll zusammengeklöppelt haben. Und somit jetzt ernsthaft halt auch ein Grund, mal bei den Jungs anzuklopfen. Also habe ich spontanst beim Sebastian ‚Sushi‘ Biesler, vom Tierkreiszeichen „Rampenschwein bei den Callboys“, mittels Telefon durchgeklingelt. Der hatte zwischen dem Befüllen von Konfettikanonen und dem Austesten neuer farbiger Kontaktlinsen zum Glück kurz Zeit für ein paar Fragen zur aktuellen Gesamtsituation.

 

Herr Biesler im Einsatz

Einen wunderschönen guten Tag. Zu allererst natürlich ein fettes Happy Glückwunsch zur Landung auf Nummer 6 der Albumcharts. So wie „Crystals“ und „We Are The Mess“ rein in die Top Ten. Wie erklärst du dir den Hype oder den Erfolg? Ist das für euch greifbar oder nach wie vor krass surreal?

Ganz lieben Dank dafür. Ja, wieder der Platz 6, so wie bei „Crystals“. Ohne Scheiß, wir freuen uns über den Charts-Entry, aber aufgrund der prognostizierten Verkaufszahlen hatten wir uns noch viel mehr erhofft. Ein Platz 4 wäre durchaus drin gewesen, aber wir haben aktuell auch sehr starke Konkurrenten. Eigentlich versucht man ja immer etwas besser zu sein als bisher und jetzt ist es halt wieder Platz 6.  Die gleiche blöde Zahl wie bisher auch (lacht). Im Endeffekt ist aber auch nur eine Zahl, die gar nichts über das Album aussagt. Aber die sehen halt immer alle und urteilen danach. Surreal ist das Ganze natürlich immer noch. Und es ist nach wie vor nicht selbstverständlich für uns. Ich glaube, wir hätten uns das so auch nicht denken können, dass wir das hier jetzt doch solange machen dürfen. Das ESKIMO CALLBOY auf die Art funktionieren ist einfach großartig. Es war für uns ja immer nicht so einfach und ist es heute auch noch nicht, aufgrund unserer kleinen Außenseiterposition. Wir versuchen einfach jedes Mal unsere Arbeit auf ein neues Level zu heben und weiterhin das zutun worauf wir Bock haben. Ein Patentrezept haben wir nicht. Es spielt eine große Portion Glück mit und der Mut sich weiterentwickeln zu wollen.

Reden wir mal bisschen über „The Scene“. Irgendwie hat man das Gefühl ihr seid nach „Crystals“ nie wirklich zur Ruhe gekommen. Gefühlte tausend Gigs und immer Aktion. Habt ihr „The Scene“ mal ebenso nebenbei zusammengezimmert?

(Lacht) Leider überhaupt nicht. Also die „Crystals“ ist ja damals richtig gut angekommen und mit der haben wir offenbar vieles richtig gemacht. Aber dann stehst du danach da und überlegst erstmal: „In welche Richtung geht es jetzt weiter? Wie kann sich das neue ESKIMO CALLBOY jetzt anhören?“ Für uns stand fest, dass wir jetzt ein paar andere Geschichten zu erzählen hatten und einfach erwachsener rüberkommen wollten. Aber so eine wirkliche Vision war gar nicht so vorhanden. Also haben wir erstmal ein bisschen darauf losgeschrieben und sind für die Vorproduktion alle zusammen nach Holland gefahren. Das machen wir ziemlich gerne.  Am Ende haben wir aber mehr Mario Kart gespielt als alles andere (lacht).  Das Ganze wollte sich diesmal nicht so wirklich eingrooven und hat uns dann schon sehr zugesetzt. Es hat eine kleine Ewigkeit gedauert bis ein dünner roter Faden erkennbar war. Mit der „Crystals“ haben wir halt schon alles ausprobiert, was wir mal machen wollten und da war es schon echt schwer daran irgendwie anzuknüpfen und sich dabei aber auch gleichzeitig neu zu erfinden. Dieser Prozess war anfangs sehr sehr schwierig.

Klingt als wäre „The Scene“ eines der anstrengensten Alben bisher für euch? Auf die Produktion bezogen.

Ja, das auf jedenfall. Ich hoffe wir haben es soweit ganz gut hinbekommen.

ESKIMO CALLBOY / Cover „The Scene“

Naja es hätte auf Platz 4 seien können. Ist halt jetzt nur auf Platz 6 eingestiegen. 

Haha. Ja genau. Weisst du, das ist fast so wie bei der Serie „Supersweet 16“. Da wünscht sich so ein kleines Mädel doch einfach nur den Porsche zum 16.Geburtstag und es fährt „nur“ das Mercedes Cabrio vor, gebraucht. Aber das andere wäre halt neu und mit geilen Ledersitzen gewesen. Trotzdem ist es ein geiles Cabrio. Porsche hin oder her. Wir sind so dankbar, was wir bisher erreicht haben und was uns der Job bisher ermöglicht hat. Wir haben tolle Menschen da draußen, die uns supporten, was nicht selbstverständlich ist. Aber man hat ja immer noch seinen eigenen Anspruch, der dir sagt „bisschen schöner wäre es so gewesen.“ Aber egal. Wir wollen uns auch nicht von sowas bekloppt machen. Wir leben unseren Traum und das ist das einzige was zählt.

Du hast vorhin ein sehr gutes Stichwort eingeworfen: Erwachsen. Ohne Scheiß, jeder in meinem Umkreis sagt über euer neues Album: „Wow,die sind erwachsen geworden“. Der Kinder-Core ist groß geworden. Fühlt sich das für euch auch so an? Habt ihr das forciert?

Naja uns war schon diesmal wichtig, dass es vom Sound her wertiger klingt. Gerade weil wir bisher immer als die „Partyband“ verrufen waren, wollten wir diesmal schon zeigen, dass es da auch noch ein paar andere Facetten gibt, die man beleuchten kann. Es war für uns einfach eine Entscheidung nicht nur die quietschbunte, angemalte Band sein zu wollen oder es generell nicht mehr sein zu möchten. Wir wollen jetzt cool werden (lacht). Für uns war es einfach wichtig, dass das Ganze diesmal erdiger und bodenständiger rüberkommt.

Was ist dein persönlicher Lieblingstrack auf  „The Scene“?

Oh gute Frage. Aktuell tatsächlich schwer zu sagen.Das richtet sich bei mir schon eher immer danach, wie die Songs zu singen sind.

Achtet ihr denn bei der Produktion auf Live-Tauglichkeit der einzelnen Tracks?“Crystals“ war für die Bühne ja perfekt und hat da ja schon sehr die Hütte eingerissen.

Ja schon. Also teilweise. War bei „The Scene“ jetzt nicht so ganz im Fokus. Aber an sich achten wir schon beim Texten darauf, dass da ein paar Sing-a-long-Parts mit drinstecken. Aber da versteifen wir uns auch nicht zu sehr darauf. Wir hatten zum Beispiel aktuell beim Titeltrack „The Scene“ den Fall, dass es live irgendwie nicht so funktionierte, weil alle anderen Songs auf der Platte im Vergleich ein schnelleres Tempo vorlegen. Und an den Groove von „The Scene“ muss man sich erstmal langsam gewöhnen.

Bei der neuen Veröffentlichung wird natürlich auch wieder sehr viel herein interprätiert.  Ist die neue Platte eine Zeichensetzung, froh darüber zu sein, in keine Schublade zupassen?

Joah, im Prinzip kann man das echt so sagen. Also „The Scene“ steht dafür, dass wir mittlerweile unsere eigene Szene haben. Bei uns vereinigen sich ja dann doch ganz viele Genres. Wir haben alte Ü30-Metaller neben jungen Kiddies auf unseren Konzerten. Wir hatten schon immer eine sehr bunt gemischte Menge, die aber da sind, um einfach nur eine gute Zeit zu haben. Und genau das ist einfach unsere Szene. Vor allem wenn man beachtet, dass die Musikszene,von der man im Allgemeinen spricht, sowas von intolerant und engstirnig geworden ist, finden wir es für uns umso cooler, eine gute Schnittmenge von Leuten zu haben, die einfach nur Spaß wollen.  Was leider schade ist, ist das der Respekt in der Musikszene oder gegenüber dem anderen immer geringer geworden ist. Ich muss doch einen Musiker nach seiner Musik beurteilen und nicht nach dem Stil. Wenn mir etwas nicht gefällt, kann ich vielleicht mit der Art der Musik nichts anfangen, muss aber in der Lage sein anzuerkennen oder zu respektieren, dass die Musik, die er macht qualitativ hoch ist. Bei jedem Künstler steckt extrem viel Arbeit hinter den Projekten. Es gibt unfassbar viele Bands die einfach scheiße hart arbeiten. Und es ist verdammt schade, diese Respektlosigkeit  in einer Szene zusehen, die sich selbst mit politischer Korrektheit brüstet. Es gibt da leider weniger Wertschätzung.

Also ist es im Endeffekt egal wie man was macht. Hater wird es gerade in dem Bereich immer geben.

Das Schlimme ist ja, dass die ganzen Hater nur hassen, weil sie sich gleichzeitig darüber profilieren können. Das ist halt ein komplettes Social Media-Ding. Heute geht nichts mehr ohne Social Media. Es gibt soviele Leute da draußen, die uns kacke finden und Bullshit labern. Aber keine von denen kommt mal auf uns und sagt „Mensch, dass habt ihr jetzt mal nicht so gut gemacht, weil…..“ Da gab es letzten auch eine kleine, lustige Situation. Ich lese mir grundsätzlich schon die Kommentare auf den bekannten Seiten durch. Da gab es dann auch so ein Kommentar mit dem typischen Wortlaut „Ja, jetzt machen sie nur noch softere Musik, weil sich das einfach besser verkauft.“ Da hab ich dann einfach mal darauf geantwortet und prompt wurde der Kommentar gelöscht. Da war ich etwas traurig. Ich hatte mich schon so über eine schöne Diskussion gefreut. Aber das ist der beste Beweis. Schade, dass viele Menschen einfach ihr Maul auf machen, ohne das da was hinter steht oder auch nicht hinterfragen, wie es wirklich hinter den Kulissen aussieht. Viele Bands machen einfach worauf sie Bock haben und was sich gerade gut verkauft kannst du gar nicht voraussagen. Da heißt es dann schnell „Oh du machst jetzt Mainstream.“ Dabei bedeutet Mainstream ja nur, dass dein Werk von vielen Menschen für gut befunden wurde. Also hören wir alle irgendwie Mainstream.

An dieser Stelle des Interviews sortiere ich etwas die weiteren Fragen während Sushi sich in seiner Küche einen neuen Kaffee holt. Dabei erklärt er:

Wenn man, um das Ganze abzuschließen, mit Mainstream soviel Kohle machen würde, dann hätte ich jetzt einen Kaffeevollautomaten (lacht).

Hahaha. Ich plane eine großangelegte Spendenaktion für dich. 

Ja genau. Echt mal.

So, ein bis zwei Fragen hab ich noch: Seit Jahren immer auf Achse, immer Bambule. Gibt es Momente, in denen ihr sagt: „Oh neee heut mag ich das gar nicht. Heute bitte nur Serien gucken, im Bett liegen, oder zocken.“

(Lacht) Klar, eigentlich immer. Das Problem ist nur, es steht immer soviel an. Und wir machen das ja um unsere Brötchen damit zu verdienen. Da steht dann schon ein gewisser Druck dahinter. Wir haben schon unsere freien Zeiten, aber die sind auch immer irgendwie mit Arbeit befüllt. Klar, so ein richtig ausgedehnter Urlaub wäre mal wieder echt schön. Aber das ist irgendwie nicht so drin. Wir wollen ja noch nicht so schnell weg vom Fenster sein. Das bedeutet halt auch Einsatz. Da macht man dann doch eher eine Tour, die sich lohnt.

Und was hat mehr ? Festivalgigs oder eigener Headiner im Hallenkonzert?

Oh, ich würde sagen, da ist beides gleich auf. Auf den Festivals hast du natürlich den Vorteil, dass die meisten um 11 Uhr schon total besoffen sind und Bock auf Party haben. Und stimmlich ist es für mich natürlich einfacher nur mal einen Auftritt bei einem Festival zumachen anstatt eine Tour. Aber die Stimmung bei eigener Headliner-Tour ist natürlich auch geil, weil sich die Leute darauf freuen, genau dich zu sehen.

ESKIMO CALLBOY The Scene – Tour 2017

So, wir haben es geschafft. Du hast es geschafft. Du hast jetzt noch die Chance die letzten finalen Worte an die metal.de Leser zu richten.

Jetzt muss ich mir was richtig gutes ausdenken. Warte mal.

Der Standard wäre auf das neue Album zu verweisen und auf die kommenden Shows. 

Ja, ne ich will etwas Kreativeres sagen. Hmmm, sagen wir: die Bands, die Erfolg haben, haben zuhause einen Kaffeevollautomaten.

Ok darunter dann die entsprechenden Adressen zwecks Spende-Aktion?

Haha. Genau. Warte ich sage, es wäre schön, wenn sich alle Leute da draußen ein bisschen mehr respektieren würden. Schreib: Respektiert euch, habt euch lieb und scheißt auf Social Media.

Gesagt, getan.

Ein Dank an Sebastian ‚Sushi‘ Biesler von ESKIMO CALLBOY für seine Zeit. Ihr dürft jetzt weiter überlegen, ob ihr die Band hasst, liebt oder beides. Aber immer schön lieb zueinander sein.

 

 

 

 

 

Quelle: Sebastian Sushi Biesler (Eskimo Callboy)
13.09.2017

It`s all about the he said, she said bullshit.

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