Farmer Boys
Von der musikalischen Identität

Interview

Wie die Zeit doch vergeht: 2004 hatten die FARMER BOYS mit ihrem letzten Album „The Other Side“ ihr bis dato letztes Lebenszeichen in Form eines hervorragenden Albums in die Welt gesetzt, das jedoch im Schatten seines populären Vorgängers gestanden hat. Seitdem ist eine Menge Zeit ins Land gezogen. Wie die Band sich seitdem entwickelt hat und wohin die Reise mit „Born Again“ gehen soll, verrieten uns Matthias Sayer und Alexander Scholpp beim bierseeligen Plausch im Nuclear Blast-Hauptquartier.

Sind die FARMER BOYS aus dem Kosmos auf die Erde zurückgekehrt?

Eher nicht, viel mehr haben wir die Erde längst verlassen. Unsere Existenz und Wahrnehmung sind schließlich nicht limitiert auf das dauerhafte Verweilen auf der Erde, auch wenn der physikalische Aspekt natürlich eine andere Sache ist. Aber wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht darüber, was danach passiert. Natürlich ist die Erde als Ursprungsort wichtig für uns, doch sicher hat jeder schon einmal in den Himmel geschaut und sich gedacht: „Da muss doch noch mehr sein“. In gewisser Weise verfolgen wir durch diese Philosophie also eine autobiografische Agenda, mit der man sich durchaus identifizieren kann.

Ist der neue Trademark-Sound der alte?

Wir denken schon, dass wir unseren Sound konsequent weitergeführt haben. Hierhinter steckt eine Menge Zeit und Arbeit, immerhin ist der Weg zu „Born Again“ ein mehrjähriger Prozess gewesen, nicht zuletzt auch durch die Ausarbeitung der Songs. Die Tracks machen live einfach eine Menge Spaß und hatten das richtige Feeling, das wir von einem FARMER BOYS-Song bekommen möchten. Wir haben also den Neuanfang gewagt, aber eben mit dem Wissen, das wir uns im Laufe unserer Karriere angeeignet haben, ohne uns davon in die Enge treiben zu lassen.

So haben wir uns unter anderem von KEANE inspirieren lassen, die einen einzigartigen Sound haben. Der ist emotional durchschlagskräftig, aber auch klar und direkt, weshalb die Emotionalität so gut transportiert wird. So etwas brauchten wir auch. Daher haben wir neben programmierten auch analoge Arrangements in unseren Sound eingebaut, die deutlich wärmer und größer klingen als das Orchester aus der Konserve.

Verfolgt ihr ein gewisses Hollywood-Feeling?

Ja, kann man so sagen, auch wenn das eher ein weiterer Einfluss diesmal aus unserem Umfeld ist. Die Arrangements haben sicher dieses überlebensgroß anmutende Hans Zimmer-Feeling inne, mit dem ich [Matthias, Anm. d. Red.] nicht direkt Kontakt hatte, aber dessen Einfluss natürlich in der Branche der Filmmusik überall spürbar ist. Und gewisse Kniffe schaut man sich da ab, indem man beispielsweise Holzbläser als Konturgeber einsetzt und klassische Harmonien miteinfließen lässt, die ohnehin schon immer ein Teil des FARMER BOYS-Sounds gewesen sind.

Würdet ihr euch als zeitlos bezeichnen?

Naja, sagen wir mal: Unsere Musik hat ihren ganz eigenen Fingerabdruck, der sich zwar immer weiter entwickelt, aber dennoch irgendwo immer der Gleiche bleiben wird. In unseren Anfangstagen ging es praktisch von der Schulbank in den Tourbus, mit 20 hatten wir unseren ersten Plattendeal. Und irgendwann hat man seine eigene, musikalische Sprache entwickelt, die sich zumindest auf natürliche Weise kaum ändern wird, es sei denn du legst bewusst Hand an. Und in der Pause zwischen 2004 und 2018 ist jeder von uns natürlich seines Weges gegangen. Sei es die Arbeit für Tarja Turunen [Alex] oder eben das Komponieren von Filmmusik [Matthias].

Wie sehr man selbst auf diese künstlerische Sprache angewiesen ist, merkt man wie so oft dann am besten, wenn man sich andere Künstler anschaut und ihren Umgang mit ihrer eigenen Marke beobachtet. Auf der einen Seite hast du einen Uwe Boll, dessen Werke nun mal sind, was sie sind. Aber du gehst nicht in einen seiner Filme rein mit der Erwartung, etwas ganz Großes zu sehen. Und dann hast du – um mal in die Musik zurückzukehren – etwa DEPECHE MODE, die sich ebenfalls ihren eigenen Sound erarbeitet haben, den du praktisch jederzeit als DEPECHE MODE wiedererkennen kannst.

Was bedeutet für euch die Melancholie von „Born Again“?

Es ist eine Möglichkeit, unsere Erfahrungen auszudrücken. Wir setzen uns mit uns selbst auseinander und lassen das dann in die Musik einfließen. Einerseits ist die Spontanität dahinter wichtig, ebenso wichtig ist uns aber natürlich der handwerkliche Aspekt, der auch stimmen muss. Bei alledem ist die Chemie innerhalb der Band natürlich entscheidend. Wir [Alex und Matthias] haben eine besondere Beziehung dahingehend entwickelt, dass unsere Zusammenarbeit selbst nach so langer Pause einfach wieder funktioniert. So etwas kann man einfach nicht ersetzen.

Und dadurch, möchten wir einfach mal behaupten, entsteht eine transzendentale Musiksprache, die auf mehreren Ebenen wirkt. Das ganze ist aus kommerzieller Sicht natürlich unvorhersehbar, wenn man es nicht gerade bewusst und zielgerichtet auf den Markt zukomponiert. Aber das ist nun mal unsere musikalische Identität.

23.10.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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