Fleshgod Apocalypse
Interview mit Tommaso Riccardi zu Labyrinth

Interview

Fleshgod Apocalypse

FLESHGOD APOCALYPSE veröffentlichen in wenigen Tage ihr neustes Werk namens „Labyrinth“. Dabei vereinen die Italiener brachialen Death Metal mit epischen Orchesterparts und wirken anno 2013 erwachsener und homogener als jemals zuvor. Aus diesem Grunde führten wir einen kleinen Plausch mit Frontmann Tommaso Riccardi über das neue Album, ihre vergangene Tour mit SEPTICFLESH und kommende Pläne.

Hallo und Gratulation zu “Labyrinth“! Sie ist wahnsinnig gut geworden! Wie sind denn sonst so die bisherigen Reaktionen?

Danke Dir! Großartig, ich habe ein paar Reviews gelesen und sie waren bisher super. Dazu sind die Leute von Nuclear Blast mit dem Album auch sehr zufrieden. Die Reaktionen der Fans zur bisher auf Youtube und Facebook veröffentlichten Single ebenfalls großartig.

Anfangs wird man von “Labyrinth“ aufgrund der Wucht förmlich erschlagen und es dauert ein wenig, bis sich einzelne Stücke herauskristallisieren. Dafür wirkt es aber auch durchdachter und homogener als der Vorgänger. Wie empfindet ihr das Album im Gegensatz zu “Agony“?

“Labyrinth” ist für uns definitiv ein Schritt nach vorn und eine Evolution unserer Musik. Ich muss sagen, wir waren schon sehr zufrieden mit “Agony“, aber wenn man von der Musik lebt und sie als eine Kunstform versteht, wird man natürlich im gleichen Maße neugieriger wie klüger, wenn man erwachsen wird. Außerdem war “Agony“ unsere erste Erfahrung, was das Komponieren orchestraler Parts angeht. Das bedeutet, dass wir uns während der Aufnahmen zum ersten Mal mit daraus resultierenden Herausforderungen und neue Elementen auseinandersetzen mussten. Vieles musste noch angepasst, verbessert und entwickelt werden. Das ist genau das, was wir mit “Labyrinth“ versuchen wollten. Dabei hat uns natürlich die Erfahrung der letzten zwei Jahre geholfen und das bessere und tiefere Verständnis für unsere Musik und Musik im Allgemeinen.

Ich würde ja fast behaupten, dass ihr trotz aller schnellen Passagen viel mehr Wert auf kräftige Grooves legt. Die Verknüpfung der einzelnen Stücke durch klassische Passagen hattet ihr ja bereits auf “Agony“. Wird das zu eurem Trademark?

Nun, das schließt genau an das an, was ich über die Mechanismen der Musik gesagt habe. Musik ist wie Architektur oder Technik. Es braucht eine perfekte Balance, damit die Grundstruktur zusammenhält; genau das muss ein Musiker immer im Hinterkopf behalten. Wir können nicht behaupten, dass keine Schnelligkeit im Spiel ist, schließlich sprechen wir ja über ein Album, bei dem sich manche Songs so um die 280 bpm bewegen, aber die Verteilung ist anders. Dazu haben wir verstanden, dass der Groove genauso wichtig ist wie Knüppelattacken. Auf der einen Seite geben wir einer neuen Seite unserer Musik Raum, um neue Dinge entdecken. Dinge, die absolut nach FLESHGOD klingen, weil sie von uns kommen, sich gleichzeitig aber von dem unterscheiden, was wir zuvor gemacht haben.  Auf der anderen Seite legen wir deutlich mehr Wert auf die schnellen und aggressiven Teile unserer Musik, verpacken sie aber in ein Gewand, das eure Ohren noch mehr lieben werden, da sie jetzt in einer lebendigeren Struktur verwoben sind. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Wir folgen einfach weiter unserem Flow, denn wir wissen, dass wir so weiterhin gute Ideen haben werden. Dazu waren wir schon immer eine Band, die sich was traut, also könnten wir auch eines Tages das langsamste Album herausbringen, das die Menschheit jemals gehört hat, wer weiß. Wir werden sehen.

Ihr seid ja keine Band, die irgendwelche beliebigen Themen in euren Songs verarbeitet. Steckt hinter dem Album denn ein bestimmtes Konzept?

Ja, das Konzept hinter “Labyrinth“ basiert in einer metaphorischen Art auf dem Mythos von Theseus und dem Labyrinth auf Knossos. Wir wollten es sehr persönlich halten und über eine der wichtigsten Dinge im Leben sprechen: die Suche nach dem eigenen Ich. Nur, wenn wir herausbekommen, wer wir wirklich sind, können wir Ruhe finden und unsere Träume erreichen. Das ist meiner Ansicht nach eine der schwierigsten Sachen, die man bewältigen kann. Aber diejenigen, die die Sensibilität haben, in ihre eigene Leere zu blicken, haben die Chance, zu etwas Größerem zu werden. Sie haben die Möglichkeit zu wählen, was sie im Leben tun und wer sie sein möchten. Das ist ein Privileg. Ein Privileg für nur Wenige. Dieser alte griechische Mythos erzählt genau davon. Theseus ist ein Held, der seine wahre Herkunft erkennt (der erste Schritt in Richtung Selbstfindung und die Art, die Spuren unserer Vorfahren zu verstehen). Er kämpft dafür, dass sich die Umstände ändern, indem er nach Kreta geht, um den Minotaurus, halb Mensch, halb Stier, zu töten, der von seinem Vater Minos, dem gierigen König Kretas, im Labyrinth eingesperrt wurde. Dieses Labyrinth symbolisiert perfekt die Komplexität unseres Inneren. Besonders wichtig ist hier natürlich die Figur der Ariadne, der Tochter des Minos, die Theseus hilft, durch einen goldenen Faden wieder aus dem Labyrinth zu finden. Sie erinnert uns daran, dass es die Hilfe und die Liebe anderer braucht, um diesen Kampf zu gewinnen.
Den Song „Towards The Sun“ haben wir an die Geschichte von Icarus und Daedalus angelehnt. Sie stellt die perfekte Metapher für die Beziehung zwischen Vater und Sohn dar, die ja leider oft von Missverständnissen und Vorverurteilungen bestimmt ist.

Wie verliefen denn die Aufnahmen zu “Labyrinth“? Ist es denn nicht kompliziert, so ein massives Orchester auf die Metal-Anteile der Musik abzustimmen?

Natürlich ist es das. Unsere Musik braucht unglaublich viel Geduld und Hingabe. Das gilt natürlich nicht nur für das Schreiben, sondern auch für das Aufnehmen. Deshalb wollten wir wieder mit unserem Freund und Produzenten Stefano Morabito im 16th Cellar Studio zusammenarbeiten. Er ist nicht einfach jemand, den wir dafür bezahlen, damit er mit uns arbeitet, er hat ein echtes künstlerisches Interesse am Gesamtprodukt. Oftmals arbeiten wir Tag und Nacht daran, das Beste für uns herauszuholen. Ich finde das Ergebnis großartig.

Wie entstehen denn bei euch die Stücke? Arbeitet ihr die Songs an den Gitarren aus und fügt dann das Orchester hinzu oder entsteht erst die klassische Seite der Musik?

Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir über unsere Musik als Ganzes nachdenken. Bestimmte Eigenschaften und Techniken haben sich herausgebildet und die Songs sind mit all ihren Elementen von Beginn an konzipiert. So kann zum Beispiel eine Idee von einem Gitarrenriff oder von etwas anderen kommen, aber wenn man ein Riff spielt, dann hat man schon eine Ahnung davon, wie es zum Schluss klingen soll.
Von der ersten Idee bis zum finalen Produkt vergeht viel Zeit, um genau das zu finden, was die Musik am Ende ausmacht: die Arrangements. Das geht natürlich für jede Art von Musik, aber in unserem Fall ist es sehr komplex. Arrangements sind einfach alles und es ist eine schwierige und frickelige Arbeit, wenn sie bei einer so komplexen Musik verwendet werden.

Ihr habt je einige Male eine gelernte Opernsängerin den Songs. Wer ist denn die gute Dame und wie kam es zu der Kooperation?

Nun, die Zusammenarbeit hat im Grunde bei “Agony” angefangen, als sie einige Parts einschließlich der Lead Vocals für den Song „The Egoism“ aufgenommen hat. Nach dieser Erfahrung fanden wir, dass diese Form von Gesang sogar noch besser zu „Labyrinth“ passen würde. Die Art, auf die wir bestimmte Entscheidungen treffen, ist immer sehr kompliziert. Diese Dinge entstehen durch die Komposition und sind auf verschiedenste Art mit der Musik, der Balance und Kontrasten in den Songs, verbunden.

Ihr ward ja vor Kurzem auf Tour mit SEPTICFLESH, CARACH ANGREN und DESCENDING. Ich hab euch ja in München gesehen und muss sagen, dass ja nicht wenige wegen euch gekommen sind. Hattet ihr generell einen guten Zuspruch auf der Tour?

Sehr schön! Wir mochten die Bands alle Bands auf der Tour, besonders SEPTICFLESH, welche inzwischen zu unseren Freunden zählen. Für uns war die Tour ein voller Erfolg, besser als erwartet. Das Schöne ist, dass alle Bands ihre Fans haben, die zu den Konzerten kommen. Ich sah viele großartige Reaktionen bei jeder Band der Tour und wir hatten viele ausverkaufte Shows und waren alle mit der gemeinsamen Arbeit extrem zufrieden.

Wie war es denn mit den anderen Bands zusammen in einem Bus? Es geistert im Internet ja ein nettes Video rum, in welchem ihr bei “The Forsaking“ tanzende Unterstützung von DESCENDING erhalten habt. Ging es denn immer so lustig zu?

Wie jeder Job den es gibt, ist es nicht immer lustig… Allerdings ist die Beziehung zu den Jungs absolut spitze und es ist einfach sehr wichtig, eine gute Tour zu haben und coole Konzerte zu spielen.

Passend zum Release hättet ihr ja auf dem Summer Breeze Open Air gespielt. Was war denn der Grund für eure Absage?

Manchmal, wenn du Sommer Festivals spielst, organisierst du gleich eine Tour, die alle Termine vereint. Das SUMMER BREEZE hingegen ist ein einzelner Gig. Kurze Zeit nach unserer Bestätigung bekamen wir ein Angebot für die Tour mit WINTERSUN in den Staaten und es wäre, hauptsächlich aus ökonomischen Gründen, blöd, für eine einzige Show abzusagen. Klar, außer aus persönlichen Gründen würden wir nie ein so wichtiges Festival ein paar Wochen vorher canceln. Diese Absage fand aber innerhalb eines erträglichen Zeitrahmens vor dem Festival statt und wir waren ihnen gegenüber ehrlich mit den Gründen. Was die Fans angeht: Wir spielen noch viele Shows in Deutschland und es wird nächstes Jahr noch oft die Möglichkeit geben, uns zu sehen.

Und jetzt wo das neue Album bald erscheint: Wie steht es um eine eigene Headliner-Tour im Herbst oder plant ihr demnächst eine weitere Support-Tour?

Nun, es ist noch zu früh, um genau zu sagen, was wir nächstes Jahr machen, aber wir arbeiten an einer Menge Sachen. Ich denke, wir spielen sowohl Headliner also auch Support Shows.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute! Die letzten Worte gehören dir!

Danke dir! Ich mag es, diesen Satz zu sagen: Egal welche Art von Musik ihr mögt, unterstützt gute Musik. Und vielen Dank an alle Fans, die FLESHGOD APOCALYPSE supporten. Wir geben immer unser Bestes.

09.08.2013
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