H.E.A.T
Erik Grönwall spricht über Musik

Interview

H.E.A.T

Mit dem Liedgut ist es mitunter eine delikate Angelegenheit: In erster Linie soll es natürlich Emotionen wecken bzw. diese Verstärken und dabei über die bloße Hintergrund-Beschallung hinausgehen. Als Droge ist die Musik dabei vergleichsweise leicht zu beherrschen, nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf aber der jeweilige Rezeptionskontext. So kann Chris de Burgh in der winterlichen Berghütte im Wald ebenso zu unerwünschten Übersprungshandlungen führen wie CARPATHIAN FOREST bei der Engtanz-Anbahnung in der Vorstadt-Disco. Und weiterhin zu beachten ist die imagebildende Wirkung des eigenen Musikgeschmacks: Platten bzw. Playlists machen Leute.

Und damit ist die holprige Brücke geschlagen zu den schwedischen Senkrechtstartern von H.E.A.T: Deren Hits mit dem dicken Refrain in der Auslage machen zwar in kürzester Zeit süchtig, besonders im Sommer bei Sonnenschein. Für eine Lieblingsband dieser Art wäre man aber als junger Mensch vor nicht allzu langer Zeit von den coolen Kindern aalglatt ausgestoßen worden: Haare schön, Hosen eng, Hemden bunt – mehr untrue Eighties geht ja wohl nicht. Und dazu noch der Kajal. Nicht auszudenken, man hätte als junger Mensch gar eine solche Band selbst gegründet und sich nach dem zweiten Album auch noch den Gewinner einer TV-Casting-Show (!) geangelt. H.E.A.T haben genau das gemacht und damit, so scheint es, alles richtig. „Tearing Down The Walls“, Album Nr. 4, fährt in Reihe gute Kritiken ein und in Schweden ist laut eigener Aussage auch die Mainstream-Presse auf das neue Werk aufmerksam geworden.

Inhaltliche Parallelen zu den richtigen Mega-Sellern wie den frühen EUROPE sieht besagter Frontmann, Erik Grönwall, aber bei aller Melodiosität kaum: „Ich bin eigentlich kein großer Fan von AOR“. Lyrisch geht es bei H.E.A.T aktuell auch nur indirekt romantisch zu: „Tearing Down The Walls handelt davon, dass du die eigenen Ängste und Zweifel überwindest, auf den Rest scheißt und einfach machst, was DU willst. Habe keine Angst zu scheitern: Reiß‘ die (mentalen) Mauern ein.“ Das passende Artwork zeigt die Band mit Anhang in einer Art post-apokalyptischen Westside-Story-Szenarios und stammt vom russischen Künstler Vitaly S. Alexius.

Dass er seine eigene Band entsprechend fest im harten Rock verwurzelt sieht, darauf weisen auch die persönlichen Top Five des Sängers hin. Diese nämlich sind ein gutes Stück entfernt von Airbrush-Delphin und Herzschmerz-Minne: Neben den Klassikern „Appetite For Destruction“ von GUNS ‚N‘ ROSES und „Let There Be Rock“ von AC/DC finden sich dort auch das in der Tat monumentale „Live At Wembley“ von QUEEN sowie „Facelift“ von ALICE IN CHAINS, der metallischsten aller klassischen Grunge-Bands – und nicht zuletzt PANTERAS stilbildende Brutalo-Kurskorrektur „Cowboys From Hell“. Seine Musik versieht Grönwall dabei generell nicht gern mit einem Label, auch hatte er „keine großen Vorbilder im Kopf bezüglich des neuen Albums“. Ausgangs- und Mittelpunkt bei der Jagd nach dem perfekten Song ist für ihn dabei der Refrain: „Von diesem gehe ich aus und arbeite dann weiter. Manchmal drehe ich einen Song im Radio auch kurz vor dem Refrain leise, um dann mit einer eigenen Melodie weiterzumachen.“

Ziemliche Parallelen zu einem wirklichen, wenngleich lästigen Radio-Hit besitzt Grönwalls Lieblingssong auf „Tearing Down The Walls“. „Mannequin Show“ klingt in der Grundmelodie verdächtig nach „Oops… I Did It Again“ von Britney Spears. Dass H.E.A.T es schaffen, dessen melodische Essenz in einem astreinen Melodic-Rock-Kracher aufgehen zu lassen, beweist jedenfalls das kompositorische Geschick der fünf Schweden.

Und solches brauchen sie auch, schließlich soll die Band mehr sein als ein bloßes Hobby. „Solange wir auf Tour sind, können wir von der Musik leben. Es ist wie in jedem anderen Job – wenn du Geld machen willst, musst du arbeiten.“ Am Alltagsgeschäft, dem Touren, langweilen den TV-gestählten Vokalisten wenig überraschend „nur das Fahren und das Warten. Aber die Atmosphäre bei den Shows, die Leute, die du triffst, das Bier, das du trinkst – das alles ist es das locker wert. Meine beste Konzert-Erinnerung ist, wie wir vor einigen Monaten in Madrid vor den SCORPIONS gespielt haben: vor 15.000 Leuten in einer Stierkampf-Arena. Das war cool. Als Fan haben mich IN FLAMES vor ein paar Jahren beim Hultsfredsfestival beeindruckt.“ Wer seinerseits von H.E.A.T beeindruckt werden möchte, dem sei abschließend mit deren selbstbewusster Goldkehle nahegelegt: „If you are a H.E.A.T fan – thank you for supporting us. If you are not – Get your ass to a show!!!“

Amen. Im Namen des Rock. Na gut. Und in diesem Fall halt doch irgendwie auch des Pop.

12.07.2014
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